firbrasên
Band II, Spalte 295
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firbrasênAWB sw. v. III, nur Notker, Ps. 36, 33
ferbrásêt 3. sg. präs.: verdammen, damnare.
Das Wort ist weder mhd. noch in der nhd.
Schriftsprache belegt, kommt aber wohl in
schweiz. brasen über etwas klagen, erbrasen
sich über etwas ereifern, heftig beklagen; sich
auszanken, beschimpfen
vor (Schweiz. Id. V,
778); es hat keine sichere Etymologie.

Ahd. Wb. I, 1322; Splett, Ahd. Wb. I, 96; Schütz-
eichel⁴ 80; Graff III, 314; Schade 179; Raven, Schw.
Verben d. Ahd. II, 207; Sehrt, Notker-Gl. 19.

Am besten ist das Wort wohl als *fir-bi-rasên zu
deuten, mit Verlust des unbetonten -i- (-e-) bei
Notker, wie auch in brazzalîg (s. d., wo Weiteres
über den i-Ausfall). Man vgl. biraset Gl.
1, 758, 31 damnatus (2 Hss., 11.[?] u. 12. Jh.)
und karasentemu reo, dem Angeklagten, Murb.
H. 20, 43. Da ein ahd. Simplex *rasên nicht be-
legt ist und zu Notkers Zeit wohl nicht (mehr)
vorhanden war, hat er das Verb *brasên leicht
als Simplex betrachten und so durch das Präfix
fir- verstärken können. Vgl. das ähnlich entstan-
dene ahd. Verb irbarmên (s. d.) und s. A. L.
Lloyd, AJGLL 4 (1992), 117 ff.

Ahd. *rasên, mit durch den Akut bei Notker ge-
sichertem kurzem a, hat nur im Skand. eine
Entsprechung: aisl. rasa sw. v. II stürzen, glei-
ten
(auch nisl. nnorw. nschwed.), ras n. Eile,
Hast
(spät bezeugt; nnorw. nschwed. ras
Sturz; Wildheit). Das erst am Ende des 13. Jh.s
im Mitteldt. auftretende Verb rāsen toben mit
anderer Ablautstufe ist wohl aus dem Ndd. ent-
lehnt; vgl. mndd. mndl. rāsen, nndl. razen; ae.
rǣsan stürzen, angreifen, losstürmen; aisl. rása
rasen, stürzen.

Die Wurzelformen urgerm. *ras- und *rēs- <
uridg. *rǝs-, *rēs- [**s-, **reHs-] stehen im
Ablaut zu der in gr. ἐρωή f. Schwung, Andrang,
Wurf, Gewalt
(denominal gr. ἐρωέω fließe,
ströme
), lat. rōrāriī leicht bewaffnete Plänkler-
truppe, die mit Schleudern den Kampf einleiten

auftretenden Wz. *rōs- [**roHs-] in lebhafter
Bewegung sein
(P. Persson, Zfvgl.Spr. 48
[1918], 132 f.; im Griech. mit prothetischem ἐ;
s. J. Schmidt, Zfvgl.Spr. 32 [1893], 335 f.). Eine
andere Wurzelgestalt, nämlich uridg. *ers-
[**Hers-] verbunden mit dem Begriff der unru-
higen, auch ziellosen Bewegung liegt vor in: lat.
errō irre (umher), verirre mich; arm. eam (<
*ersā-e/o- [**HersaHe/ o-]) siede, bin er-
regt
(vgl. Pokorny 336 f. und irrôn). Wieder
anders ist die aind. irasyáti ist neidisch (< *r̥̄-
es-e/ o- [**H1/3H-es-e/ o-]) und heth. arsa-
niya- neidisch sein (< *r̥̄son-é- [**H1/3H-s-
on-é-]?) zugrundeliegende Wurzelform *r̥̄-
(e)s- [**H1/3H-(e)s-].

Die Zugehörigkeit von gr. ἀρή Verderben, Gewalt-
tat
, Ἄρης Gott der Rache (< *rēs- [**reHs-] mit
lautgesetzlichem prothetischem Vokal ἀ-?) und ἀρειή
Schmähwort (innergriech. ā-Erweiterung des s-
Stammes ἄρος in Hesych ἄρος βλάβος ἀκούσιον) ist
umstritten (s. M. Peters, Sprache 32 [198687],
371 ff.).

Vries, Anord. et. Wb.² 434; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
71; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 528; Fritzner, Ordb.
o. d. g. norske sprog III, 38; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 881; Torp, Nynorsk et. ordb. 515; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 818. Kluge²¹ 583 (rasen); Kluge²²
582; Trübners Dt. Wb. V, 299 f.; Lexer II, 343; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. III, 423; Verdam, Mndl.
handwb. 485; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 537; Vries,
Ndls. et. wb. 565; Holthausen, Ae. et. Wb. 254; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 785. Mayrhofer, K. et. Wb.
d. Aind. I, 91; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 206;
Frisk, Gr. et. Wb. I, 136. 138. 573; Chantraine, Dict.
ét. gr. 107. 108. 377 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
I, 416 f. 442; Klingenschmitt, Altarm. Verbum 96;
Puhvel, Hitt. Et. Dict. I, 172 f.; Oettinger, Stammbil-
dung d. heth. Verbums 355.

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