fizza
Band III, Spalte 336
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fizza f. jō-St., im Abrogans und weiteren
Gl.: Garnfaden (zum Zusammenbinden),
Webfaden, dichtes Gewebe, licium
Var.: -z-,
-tzz-, -tz-; Gl. 3, 337, 50 uicze. In Gl. 1, 140, 12
Kb ist vitium Laster mit licium Garn, Ge-
binde
verwechselt und mit ficze wiedergege-
ben (vgl. Splett, Abrogans-Studien 211. 49, an-
ders Ahd. Wb. III, 935). Mhd. viz, vitz
st.m., vitze st.f. beim Haspeln durch einen
quer darum gewundenen Zwischenfaden abge-
teilte und für sich verbundene Anzahl von Fä-
den
, nhd. Fitze f. Gebinde Garn, mdartl.
Fitz m. (z. B. obersächs. abgeteiltes Bund
Garn, bunter Faden, der Garngebinde abteilt,
Gewirr von Garn, Bindfaden, Haaren, Aufre-
gung, nervöse Unruhe, Hektik, Narbe, Geld

[Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. I,
628 f.]; thür. Aufregung, Unruhe, verwirrtes
Garn
[Spangenberg, Thür. Wb. II, 274]; ber-
lin. Wirrwarr, Durcheinander [Bretschnei-
der, Brandenb.-berlin. Wb. II, 99]), Fitz f.
(mecklenb. Gebinde Garn, das aus 100 Fäden
von der Länge einer Haspelrunde besteht

[Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. II, 937]) und
Fitze f. (z. B. bad. Anzahl von verbundenen
Fäden an einem Strang
[Ochs, Bad. Wb. II,
162 f.], schwäb. bestimmte Anzahl von Fäden
beim Abhaspeln des Garns, Geißelschnur
[Fi-
scher, Schwäb. Wb. II, 1529]).

Splett, Ahd. Wb. I, 240; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 297;
Starck-Wells 162. 810; Schützeichel, Glossenwort-
schatz III, 190; Graff III, 733; Schade 202; Lexer III,
382 f.; Benecke III, 333; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
328 (licium - Fehlglossierung). 370 (multicium); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 375 (licium - Fehlglossierung).
416 (multicium); Dt. Wb. III, 1695; Kluge²¹ 300; Klu-
ge²⁴ 296.

Ahd. fizza wurde als Terminus des Textilhand-
werks ins Ndd. übernommen: mndd. fitze Ge-
binde, bestimmte Anzahl von Fäden
. (Bei Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 87. 240 verzeichnetes
fizza kann nicht sicher als as. Beleg gebucht
werden, da ein großer Teil des Glossars St. Petri
hochdt. ist.) Das ahd. Wort hat Entsprechungen
in: as. vittea f. (Text-)Abschnitt (Prosapraefa-
tio im Heliand: per vitteas mit latinisiertem
Akk.Pl.); ae. fitt, me., ne. obsolet fit Gedicht,
Lied, Abschnitt
; in älterer Bedeutung aisl. fit f.
Schwimmhaut der Vögel, nisl., fär., norw. dial.
fit dss., ndän. fed Fadenbündel, nnorw. dial.
fit Garn: < urgerm. *fetjō- (so z. B. S. Bugge,
BB 3 [1879], 116 f.; Fick III [Germ.]⁴ 226;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 62; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 213).

Dem sw. v. II fizzôn umgeben, einfassen, das von
ahd. fizza abgeleitet ist, steht ein sw. v. I aisl., norw.
dial. fitja zusammenbinden von der Basis fit gegen-
über.

Holthausen, As. Wb. 20; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 736; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
263; Vries, Ndls. et. wb. 168 f.; Holthausen, Ae. et.
Wb. 106; Bosworth-Toller, AS Dict. Suppl. 222; ME
Dict. E-F, 597; OED² 973; Oxf. Dict. of Engl. Et.
358; Vries, Anord. et. Wb.² 122; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 541 f.; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 209 f.;
Ordb. o. d. danske sprog IV, 840; Torp, Nynorsk et.
ordb. 107; Svenska akad. ordb. F-652 f.; Lehmann,
Gothic Et. Dict. F-43. Eichhoff, Spr. d. ndd. Reep-
schlägerhandwerks 1966, 81 f.; Raven, Schw. Verben d.
Ahd. II, 44.

In lautlicher Hinsicht bietet urgerm. *fetjō-
keine Schwierigkeiten. Es bildet eine Gleichung
mit gr. πέζα f. (< vorurgr. [**ped-ǝ₂]) Spann
am Fuß
, übertr. Fußende, Saum eines Kleides,
Rand eines Netzes
, wobei in urgerm. *fetjō- <
uridg. [**ped-áH₂-] die Vollstufe [**-áH₂-]
des für die Devī-Klasse charakteristischen ab-
lautenden Suffixes [**-iH₂/áH₂-] verallge-
meinert ist (vgl. ahd. ekka Ecke, Schneide <
urgerm. *ajō- < uridg. *a-- [**Ha-áH₂-]
mit Vollstufe bei kurzvok. Wz. u. einf. Konso-
nanz gegenüber dem ablautenden Typ got. ban-
di < *bhóndh-ī- [**bhóndh-iH₂-] : gen.sg.
bandjos < *bhondh-is [**bhondh-iáHs];
zum Flexionstyp u. dessen Vertretung im Germ.
vgl. G. Klingenschmitt, in Lat. u. Idg. 127 f. u.
Anm. 65; s. auch Beekes, in Laryngales 49 ff.).
Probleme bieten aber die unterschiedlichen Be-
deutungen der germ. Wörter. So lassen sich die
teils fachsprachl. Termini nur unter einer
Grundbedeutung *Verbundenes, Verbindendes
vereinen. Dabei steht aisl. fit Schwimmhaut als
die Zehen Verbindendes der Grundbedeutung
am nächsten. Ahd. fizza Garnsträhne bezeich-
net dagegen das Mittel des Verbindens und
fachsprachl. as. vittea Abschnitt, ae. fitt Ge-
dicht, Abschnitt
weisen auf gebundene Ein-
heiten.

Anders W. Foerste, Ndd. Wort 5 (1965), 110 f., der
aisl. fit Schwimmhaut und fit nasses Land an einem
Wasserlauf, Strandstreifen
für etymologisch identisch
hält und auf eine Grundbedeutung Streifen zurück-
führt. Gegen diese Annahme spricht jedoch dazugehö-
riges ostfries. fit Pfuhl, Wasserpfütze, das sich nicht
mit der von Foerste angenommenen Ausgangsbedeu-
tung vereinbaren läßt. Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
210 stellen daher aisl., nnorw. fit zu Recht zu gr. πῖδαξ
m. Quelle, πῖσος n. (< *πῑδ-σ-ος) feuchte Stelle,
niedrige nasse Wiese
.

Wieder anders Griepentrog, Wurzelnomina d.
Germ. 169 ff., der lediglich aisl. fit auf urgerm.
*fetjō- zurückführt. Dagegen sei as. vittea, ae.
fitt < urgerm. *fatjō- Verbalabstraktum (mit ei-
ner Bed.-Entw. Abschreiten > Abgeschritte-
nes
> Abschnitt) zum Verb urgerm. *fetan-
schreiten, gehen. Ahd. fizza sei dabei über ur-
germ. *fetō- auf eine Kollektivbildung vorur-
germ. *pedā- [**pedaH₂-] zurückzuführen. Die
für das Westgerm. angenommenen Rekon-
strukte sind aber nicht haltbar, da ae., as. i
nicht auf urgerm. *a zurückgehen und bei einer
Vorform *fetō- die Konsonantengemination in
ahd. fizza ungeklärt bleibt. Lautlich ebenfalls
möglich, aber ohne Anschlüsse und daher abzu-
lehnen ist ein Ansatz urgerm. *fitjō-.

Walde-Pokorny II, 23; Pokorny 791; Mann, IE
Comp. Dict. 911; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
207 f.; Bartholomae, Airan. Wb.² 843 f.; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 754 (nur zu aisl. fit); Frisk, Gr. et. Wb. II, 486.
533. 543 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 867 f. (nur zu aisl.
fit); Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 3799. 10261; Mey-
er-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 9661 (nur zu ndd. fitze
Rute); Wartburg, Frz. et. Wb. XV, 2, 132 (nur zu fit-
ze in der Bed. Rute).

S. auch fizze, fizzôn.

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