flado
Band III, Spalte 342
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flado m. n-St., seit dem 10. Jh., nur in Gl.:
flacher Kuchen, Fladen, Feigenkuchen, Ho-
nigscheibe, favus, fertum, -us, laganum, lapas,
libum, fertus panis, placenta, torta
Var.: ulad-,
flath-. Mhd. vlade sw. m. breiter, dünner
Kuchen, flacher Kuhmist
(vgl. scherzhaft vla-
de von der kuo, wonach Kuhfladen), nhd. Fla-
den m. flacher Kuchen, flacher Kuhmist.
flada f. ō(n)-St., nur Gl. 1, 332, 11 (12. Jh.,
bair.): dss..

Da ahd. flado einen dünnen, flachen Kuchen (vgl. das
Synonym ahd., mhd. breitinc) bezeichnet er wurde
ohne Triebmittel gebacken und konnte mit Obst (Fei-
gen, Äpfeln oder Pflaumen), aber auch mit Fisch,
Fleisch (Leber) gefüllt und mit Honig bestrichen wer-
den , ist die Bedeutung Flachgebäck sicher ursprl.,
die sakrale Bedeutung Opferkuchen dagegen sekun-
där. Fladen wurden bes. zu Festtagen wie Weihnach-
ten oder Ostern gebacken und spielten wohl auch bei
Begräbnisfeierlichkeiten eine Rolle (Necrologium S.
Martialis Lemovicensis, 12. Jh.: cum cepiis et Fladoni-
bus mit Kuttelfisch und Fladen
; Du Cange² III,
519). Wie aus den Hamburger Zunftrollen hervorgeht,
war der Verkauf von Fladen nur zünftigen Bäckern er-
laubt (Rüdiger, Hamb. Zunftrollen 24, 18 [von 1375],
zit. nach Heyne, Dt. Hausaltertümer II, 275).

Ahd. Wb. III, 939 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 240; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 298; Starck-Wells 162. 810; Schützei-
chel, Glossenwortschatz III, 193 ff.; Graff III, 771 f.;
Schade 202; Lexer III, 384; Benecke III, 334; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 317 f. (lapas). 439 (placenta, li-
bum); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 258 (favus). 261 (fer-
tum, -us). 366 (laganum). 367 (lapas). 375 (libum).
462 (panis). 493 (placenta). 669 (torta); Dt. Wb. III,
1707; Kluge²¹ 201; Kluge²⁴ 297; Pfeifer, Et. Wb.²
349. K. Hadjioannou, Orbis 19 (1970), 483 ff.;
Heyne, a. a. O. II, 274 f.; F. Kluge, Arch. Roman. 6
(1922), 304 f.; A. Wurmbach, Zs. f. Volkskunde 56
(1960), 22 ff.

Ahd. flado, flada entsprechen: as. flađo sw. m.
breiter, dünner Kuchen, flađa sw. f. Kuchen
(der Beleg Gl. 3, 717, 61 [Marienfelder Gl.
13. Jh.] ist as.; s. Klein, Wechselbez. zw. as. u.
ahd. Schreibwesen 401 f. Anm. 26), mndd. vlāde
m. flaches, dünnes Brot, flacher Kuchen, Op-
ferbrot, Fastenkuchen
; mndl. vlade, nndl.
vlaai, vla Kuchen; nostfries. flade, flā(e) Ku-
chen, kuchenartiges Gebäck
: < westgerm.
*flaþ-an/ōn-.

Aus dem Westgerm. sind entlehnt: lat. fladō,
-ōnis m. flacher Kuchen, mlat. flado (aus dem
Mlat. ngr. φλαούνα und me. flaune, flaunne,
flawne Pfann-, Eierkuchen, Käsekuchen, ne.
veraltet flawn, ne. flan), italien. fiadone Honig-
wabe
, afrz. flaon, frz. flan Kuchen, akatal.
flaón Sahnetorte, katal. flaó (> span. flaón
[16. Jh.], logudures. fraone, kalabres. fragune),
alombard. fiaon Honigwabe. Vgl. Wartburg,
Frz. et. Wb. XV, 2, 134: Für eine frühe Entleh-
nung spricht auch die tatsache, dass flado in
glossen aus dem 9. und 10. jh. belegt ist und dass
es sich bereits bei Venantius Fortunatus findet
(6. jh.), der aus Oberitalien stammte und lange
in Frankreich gelebt hat
(s. K. Hadjioannou,
a. a. O. 483 ff.).

Das Wort muß aber in der Grundbedeutung
Flaches schon im Urgerm. existiert haben,
denn mit den westgerm. Wörtern ist formal
nnorw. dial. flade m. kleine Ebene, flaches Feld
identisch (vgl. auch nnorw. dial. flara, fløra,
flæra, fleira, flerra breites Stück, breite Wunde
< anord. *flađra, gen. *flđru).

Auf die Vorstellung des Flachen weist weiterhin
die Vddhi-Ableitung mhd. vluoder m. Flun-
der
, eigtl. Flachartiges, die von einer zu *fla-
þa- flach gebildeten regulären dehnstufigen
Vorform *flōþa- Flunder ausgeht (zur Bedeu-
tung vgl. mir. lethech Flunder; s. u.). Dabei wä-
re wie im Falle der Vorformen von ahd. gras
Gras : mhd. gruose Pflanzensaft, *rasa- :
*rōsa- der Akzent auf der Wurzelsilbe beibe-
halten worden. Nasaliertes mhd. flunder m.
dss. (mndd. vlundere, nndd. flunder dss.; aisl.
flyðra f. dss., nschwed. flundra dss.; nndl.
vlonder dünnes Brett; nnorw. flundra kleiner
platter Stein
< urgerm. *flunþrijōn-; s. Vries,
Anord. et. Wb.² 134) braucht keine nasalierte
Variante von mhd. vluoder zu sein, da es sowohl
zu der nasallosen wie zu der nasalhaltigen Form
außergerm. Sprachmaterial gibt; zu der nasal-
haltigen Vorform vgl. lett. plañdît breit ma-
chen, ausbreiten, aufbauschen
(s. Lühr, Expres-
sivität 107; anders Darms, Schwäher und
Schwager 505 Anm. 254; Pokorny 833: Flunder
zu lat. planta Fußsohle < *pla-n-tā; doch s.
Schrijver, Reflexes 487). Möglicherweise ist aber
mhd. vluoder durch die Bildeweise von flunder
beeinflußt; doch vgl. nasalloses mndd. vladder
dünne Torfschicht.

Fick III (Germ.)⁴ 251; Holthausen, As. Wb. 20; Gal-
lée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 75; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 737; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. V, 264; Verdam, Mndl. handwb. 717; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 745; Vries, Ndls. et. wb. 788; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 495; ME Dict.
EF, 608; OED² V, 1031; Oxf. Dict. of Engl. Et. 361;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 65; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 230. 245; Ordb. o. d. danske sprog
IV, 1126 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 113.

Urgerm. *flaþ-an/ōn-, eine Bildung mit indivi-
dualisierendem n-Suffix in substantivierender
Funktion, beruht auf einer o-stufigen Bildung
vorurgerm. *plóto- [**plótHo-]. Nimmt man
an, daß die Wurzelbetonung ein Ableitungsver-
hältnis wie uridg. Adj. *por-ó- gesprenkelt:
Subst. *pór-o- Ferkel aufweist ( farah und
Griepentrog, Wurzelnomina d. Germ. 110),
dann würde *plóto- bereits eine Substantivie-
rung eines plotó- [**plotH₂-ó-] darstellen. Das
n-Suffix hätte in diesem Fall nur eine die Wort-
art Subst. verdeutlichende Funktion.

Während die o-Stufe der Adjektivbildung im
Balt., in lit. platùs breit, weit, ausgedehnt (da-
von lit. plàsti, plantù breiter werden), lett. plas
(o-St. als Ersatz des ursprl. u-Stammes), plats
breit, weit, geräumig (vgl. auch apreuß. plas-
meno f. Vorderhälfte der Fußsohle), eine Ent-
sprechung hat, ist die lit. Flexion als u-Stamm
an das uridg. schwundstufig gebildete Adj.
breit anzuschließen: aind. pthú- breit, jav.
pǝrǝθu- breit (npers. ferāχ weit, breit); gr.
πλατύς weit, breit, flach, eben: < uridg. *pt-
ú- [**ptH₂-ú-]; vgl. demgegenüber aind. pra-
thimán- m. Ausdehnung, Breite, gr. πλαταμών
m. platter Stein, Felsenplatte < *pletǝmon-
[**plétǝmon-] mit sonantischer Vertretung des
Laryngals und im Aind. mit analogischer Tenuis
aspirata; dagegen aind. pthiv Erde < uridg.
*pī [**píH₂] (gr. Πλαταιαί Stadt in
Böotien; gall. Litavī f., gall.-lat. Letavia,
nkymr. Llydaw die Bretagne, mir. Letha dss.
(s. R. Lühr, Mü. Stud. z. Spr. wiss. 35 [1976], 87
Anm. 21); vgl. auch den mit n-Suffix gebildeten
ON gall. Litana (silva), Litano-briga (air. le-
than, kymr. llydan, bret., korn. ledan breit
[zum Suffix vgl. auch arm. lain breit < *pletǝ-
no-]; dagegen gr. πλάτανος f. Platane wohl
erst mit nachträglicher Eindeutung breitästig,
-blättrig
nach gr. πλατύς).

Vgl. mit regulärer e-Stufe im n. es/os-Stamm: aind.
práthas- n. Breite, av. fraθah- n. dss.; air. leth (gen.
leithe) n. Seite (air. lethaim dehne aus, erweitere);
kymr. lled Breite, Weite < uridg. *plet-os [**pletH₂-
os] n. Ausbreitung (dagegen gr. πλάτος n. Weite,
Breite, Umfang
mit analogischer Schwundstufe); vgl.
auch aksl. plesna Fußsohle (< *plet-s-nā); vgl. auch
die e-stufige Bildung mir. leithe Schulter (< *pletā).
Andere Ablautstufen zeigen: lit. plótas Platte, plõtis
Breite (lit. plõtyti ausbreiten; lett. plātît breit ma-
chen, ausbreiten
, plèst ausbreiten, ausweiten, weit
aufmachen
).

Ein primäres Verb begegnet allein in aind. prá-
thate breitet sich aus (jav. fraθa. sauuah- die
Kraft verbreitend
) und wohl in lit. plsti (pleiù,
pliaũ) (sich) ausbreiten, wenn sich dieses
Verb im Balt. im Präs. der produktiven Klasse
der e/o-Präsentien angeschlossen hat. Die zu-
grundeliegende Wz. uridg. *plet- [**pletH₂-]
gehört sicher zu der Wz. uridg. *pelǝ- [**pelH₂-]
ausbreiten, breitschlagen, breitklatschen (
folma); zur Bedeutung flaches Gebäck vgl. das
wohl von der unerweiterten Wz. abgeleitete
Wort gr. (Herodot 4, 23) παλάθη f. Kuchen aus
eingemachten Früchten
(< *p-tā- [**pH₂-
tHaH₂-]).

Aksl. *plastъ tortum, russ. plast Schicht (Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 365 f.) setzt dagegen eine Wurzelform
*plāt- voraus.

Fern bleibt trotz seiner Bedeutung gr. πόλτος Brei
(Fladenbrot, ursprünglich eingedickter, durch Aus-
trocknen oder Erhitzen fest gewordener Brei), woraus
wohl lat. puls, -tis f. dicker Brei entlehnt ist (anders
Wurmbach, a. a. O. 23), da der Dental nicht zur Wz.,
sondern zum Suffix gehört; möglich ist Verwandt-
schaft mit lat. pollen sehr feines Mehl, Staubmehl (<
*pol-n-; vgl. lit. pelenaĩ Asche; s. Lühr, Expressivität
76 f. 85). Vgl. Frisk, Gr. et. Wb. II, 577; Chantraine,
Dict. ét. gr. 927.

Walde-Pokorny II, 99 f.; Pokorny 833 f.; LIV² 486 f.;
Mann, IE Comp. Dict. 948; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. II, 362 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 179 f.
364; Bartholomae, Airan. Wb.² 892 f. 983; Horn,
Grdr. d. npers. Et. 180; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 789. 792;
Frisk, a. a. O. II, 464. 553 f.; III, 166; Chantraine,
a. a. O. 850 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 508;
II, 316 f. 331 f., 387 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.
238. 512; Thes. ling. lat. VI, I, 834; Du Cange² III,
519; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 3806; Meyer-Lüb-
ke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3344; Wartburg, Frz. et. Wb.
XV, 2, 132 ff.; Hübschmann, Arm. Gr. I, 451; H. Pe-
dersen, Zfvgl. Spr. 39 (1906), 388; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 222 f. 225 f.; Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr.
248; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Tex-
ten 86. 284; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 709; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 606 f. 617 f. 674; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. I, 322 f.; Karulis, Latv. et. vārd. II, 60 f.;
Fick II (Kelt.)⁴ 246; Hessens Ir. Lex. II, 1, 65 f.; Dict.
of Irish F-92. F-135 ff.; Dict. of Welsh 2126 f. 2251;
Hofmann, Et. Wb. d. Gr. 274; Diez, Et. Wb. d. rom.
Spr.⁵ 137; G. Rohlfs, Rev. de ling. rom. 1 (1925), 316;
Bechtel, Hauptprobleme 244.

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