freh
Band III, Spalte 537
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frehAWB adj., seit dem 8. Jh. in Gl. und bei Not-
ker: habgierig, geizig, ehrgeizig, mutwillig,
ambitiosus, avarus, avidus, cupidus, parcus

Var.: -hh-, -ch-. Das Adj. kommt auch als
Vorderglied in zweigliedrigen PN vor wie z. B.
in Frech-olf (vgl. N. Wagner, BN N.F. 24
[1989], 295 ff.). Mhd. vrech mutig, kühn,
tapfer, keck, dreist
, nhd. frech. Die Ausgangs-
bedeutung gierig des ahd. Wortes hat sich
über mutig, kühn, keck zu nhd. übermutig,
unverschämt
entwickelt, seit dem 16. Jh. und
mdartl. wird das Wort auch in der Bedeutung
gesund, lebenskräftig, üppig sowie für auffal-
lende, kräftige Farben gebraucht. In der ober-
sächs. Wendung frach wachsen in kurzer Zeit
stark wachsen
und frach brünstig lebt a-hal-
tiges frah (s. u.) fort.

Ahd. Wb. III, 1231; Splett, Ahd. Wb. I, 262; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 327; Schützeichel⁵ 140; Starck-Wells
176; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 289; See-
bold, ChWdW8 135; Graff III, 793; Schade 222; Le-
xer III, 493 f.; Benecke III, 396; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 59 (auarus); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 36 (am-
bitiosus). 67 (avarus). 68 (avidus). 164 (cupidus). 464
(parcus); Dt. Wb. IV, 1, 1, 90 ff.; Kluge²¹ 216; Kluge²⁴
313; Pfeifer, Et. Wb.² 371. Schweiz. Id. I, 1271; Fi-
scher, Schwäb. Wb. II, 1718; Schmeller, Bayer. Wb.²
I, 806; Lexer, Kärnt. Wb. 102; Unger-Khull, Steir.
Wortschatz 251; Müller-Fraureuth, Wb. d. obersächs.
Mdaa. I, 356; Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa.
I, 676 f.

Ahd. freh entsprechen mndl. vrec gierig, geizig,
Geizhals
, nndl. vrek m. Geizhals; nostfries.
frek stark, kräftig, lebhaft, frisch (zu nwest-
fries. frak geil, üppig s. u.); ae. frec begierig,
kühn, gefährlich
, me. frk eifrig, mutig,
schnell
, ne. freck (obsolet) eifrig, schnell, gie-
rig, lebhaft
; aisl. frekr gierig, hart, streng, nisl.
fär. frekkur gierig, nnorw. dial. frek gierig,
kühn, tüchtig
, nschwed. dial. fräk gut (ndän.
fræk frech und nschwed. fräck frech sind da-
gegen aus dem Dt. entlehnt; vgl. M. Förster,
Engl. Stud. 39 [1908], 330 Anm. 1); got. -friks
in faíhufriks geldgierig: < urgerm. *freka-. Auf
urgerm. *fraka- hingegen gehen mndd. vrac
habgierig; nwestfries. frak geil, üppig; ae.
fræc gierig, eifrig, kühn, gefährlich, me. frak,
ne. dial. frack; ält. ndän. frag schnell, mutig,
tüchtig, stark
und schwed. dial. frak zurück.
Eine abgetönte Dehnstufe ist fortgesetzt in ()
fruochanî prahlerisches freches Wesen, Fruo-
chan- (Vorderglied in PN), as. frōkan kühn: <
urgerm. *frōkna- und as. frōkni kühn, ae.
frēcne mutig, wild, gefährlich, aisl. frœkn mu-
tig, kühn
: < urgerm. *frōkni/ia-.

Mndd. vrech kühn, dreist, widerspenstig, sprö-
de
wurde nach Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 986 aus dem Mhd. entlehnt.

Im As. ist lediglich ein jō-stämmiges Adj. frechiu, freg-
chiu (nom. sg.f.) zur Glossierung von lat. parca f. gei-
zig, sparsam
belegt. Ein Ansatz as. *frek (so Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 90. 242), mndd. *vrek ist
nach N. Wagner, a. a. O. 309 nicht berechtigt.

Fick III (Germ.)⁴ 245; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 212 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 140; Verdam,
Mndl. handwb. 750; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 762;
Suppl. 186 f.; Vries, Ndls. et. wb. 804; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 557; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 428; Holthausen, Ae. et. Wb. 115. 114; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 331; Suppl. 262; Suppl. II, 28;
ME Dict. E-F, 877 f.; OED² VI, 157; Vries, Anord. et.
Wb.² 141; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 570; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 71. 72; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 279. 1464; Ordb. o. d. danske sprog V, 128 f.;
Torp, Nynorsk et. ordb. 134; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 242; Svenska akad. ordb. F-1274 f. F-1672 f.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 136 (faíhu-friks); Lehmann,
Gothic Et. Dict. F-8. Gallée, As. Gr.³ § 346 Anm. 1;
M. Förster, a. a. O. 327 ff.; K. B. Wiklund, IF 38
(1917/20), 113 (finn. perkata in syödä perkata gefrä-
ßig essen
ist nicht aus dem Germ. entlehnt, wie Kar-
sten, Germ.-finn. Lehnw. 253 annimmt); M. Szad-
rowsky, PBB 62 (1938), 912; Piirainen, Germ.
*frōđ- u. germ. *klōk- 44 ff.; Lühr, Expressivität 331;
dies., Egill 81 f.

Afrz., mfrz. frique lebhaft, adrett weist nach Wart-
burg, Frz. et. Wb. III, 803 f. auf eine frk. Vorform
*frik-, die mdartl. in rhein. frick Geizhals, frickel
ausgelassenes junges Mädchen fortgesetzt ist. Die
Annahme einer Ablautvariante *frik- zu *frek- erüb-
rigt sich jedoch, da neben *freka- auch ja-stämmiges
*frek-ja- > *frikk-ja- vorkommt, das in ae. fri gie-
rig
weiterlebt (s. N. Wagner, a. a. O. 300).

Folgende etymologische Anschlüsse des gemein-
germ. Wortes wurden in Betracht gezogen:

1. Verbindung von ahd. freh mit kymr. rhewydd
Geilheit (dagegen erhebt H. Pedersen, Ark. f.
nord. fil. 20 [19031904], 382 zu Recht lautli-
che Einwände, da < vorurkelt. *preg-), poln.
pragn gierig verlangen bei einer Vorform
vorurgerm., vorurkelt., vorurslaw. *prago-
Geilheit (so Stokes, in Fick II (Kelt.)⁴ 225 f.;
A. Torp, Unger-Festschrift 183 ff., G. S. Lane,
Lang. 9 [1933], 258.).

2. Verknüpfung mit gr. σπαργάω schwelle,
strotze, bin geil
, lett. spirgt frisch werden <
vorurgerm., vorurgr., vorurbalt. Wz. *(s)preg-
(z. B. M. Förster, a. a. O. 338 f. und Falk-Torp,
a. a. O. 279).

3. Wahrscheinlich ist aber urgerm. *freka- eine
Ableitung eines s-mobile-haltigen vorurgerm.,
vorurkelt. Primärverbs *(s)preg- schnellen,
schnell sein
mit Hochstufe 2. Denn dann läßt
sich auch kymr. ffraeth schnell, bereit wohl <
*sprek-to- < *spreg-to- mit analogischer Null-
stufe 2 zur Hochstufe 2 mit der germ. Sippe ver-
binden (s. Lühr, Egill 81 f.). Auch Heidermanns,
a. a. O. 53 nimmt für urgerm. *freka- Ableitung
von einem Primärverb an, allerdings setzt er ein
sonst nicht bezeugtes uridg. *preg- gierig ver-
langen
voraus.

Unrichtig H. Hirt, PBB 23 (1898), 352, der ahd. freh
usw. mit lat. precor bitte, bete, procus m. Freier ver-
bindet, indem er uridg. *pre- und *pre- als Varian-
ten betrachtet.

Walde-Pokorny II, 88 f.; Pokorny 845; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 891; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 3971; Mey-
er-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3491; Diez, Et. Wb. d.
rom. Spr.⁵ 590; Southern, IE s-mobile 218 f.

S. auch fruoh(ha)nî (mit anderer Ablautstufe).

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