freidi
Band III, Spalte 542
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freidiAWB adj. ja-St., nur Gl. 1, 584, 43 (8./
9. Jh.) und Notker, Bo. 196, 4: abtrünnig,
flüchtig
(die Glosse freidiu [f.?] übersetzt lat.
apostatea, das ein Femininum von einem sonst
nicht belegten Adj. *apostateus zu sein scheint
oder fehlerhaft für apostata der Abtrünnige,
das der Glossator für ein Fem. hielt?); wahr-
scheinlich auch hierher uréden : profanum
Notker, Bo. 12, 16 nicht eingeweiht, außen-
stehend
(nach Luginbühl, Stud. z. Notkers
Übers.kunst 49 ist es eher für frémede ver-
schrieben [ fremidi], was aber schon aus pa-
läographischen Gründen unwahrscheinlich ist;
vgl. T. Starck, AfdA. 53 [1934], 144). frei-
d(e)oAWB
m. jan-St., subst. Adj., nur in Gl. seit
dem 9. Jh. u. Steinmeyer, Spr.denkm. 399 (Wi-
der den Teufel): Abtrünniger, Flüchtling, apo-
stata, defuga, perfuga, profugus
. freidîgAWB, -agAWB
adj., mehrmals in Gl. seit dem 8./9. Jh. und
Bened.regel: abtrünnig, flüchtig, (subst.) Ab-
trünniger, Flüchtling, apostata, apostaticus,
apostatrix, perfuga, profugus
Var.: u-; -ai-,
-æ-; -e-; -ic, -ak-. Mhd. vreide adj. ab-
trünnig, flüchtig, mutig, kühn
(zur Bed.ent-
wicklung vgl. ahd. recko Recke [s. d.]), vrei-
dec, -ic adj. abtrünnig, flüchtig, übermütig,
munter, kühn
. Nhd. ist freidig nur mdartl. be-
legt: Schweiz. Id. I, 1273 f. mutig, kühn, wild;
Fischer, Schwäb. Wb. II, 1722 f. (veraltet) ver-
brecherisch, verdammt
; Jutz, Vorarlberg. Wb.
I, 992 f. kühn, herausfordernd; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 806 f. (fraidig) unverdrossen,
kühn, mutwillig, frech
; Lexer, Kärnt. Wb. 101
(frâdig) munter, frisch, lebhaft; Schöpf, Tirol.
Id. 149 (fraidig, froadig) zornig, unwillig;
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. I, 187 (froadig,
-ik) mutig, frisch, zornig; mit anderer Bed.
Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. I, 178 we-
nig Brot enthaltend (von einer Suppe)
(?).

Ahd. Wb. III, 1235 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 262; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 327; Schützeichel⁵ 140; Starck-Wells
177. 811. 846; Schützeichel, Glossenwortschatz III,
290 f.; Seebold, ChWdW8 135; Graff III, 792; Schade
222; Lexer III, 495 f.; Benecke III, 397; Dt. Wb. IV,
1, 1, 102 f.

Entsprechungen dieser Wörter sind nur im Ndd.
und Ndl. belegt (ndän. freidig keck, unbefan-
gen
, nschwed. frejdig mutig, zuversichtlich,
unbekümmert
sind aus dem Mndd. entlehnt):
as. frēthig verbannt, flüchtig in der Wendung
fluhtik endi frēđig (Heliand), flúhtigún endi fré-
thivn : defugas (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
97, 12), mndd. vreidich wild, draufgängerisch,
verwegen, mutig
; mndl. vredich unbrauchbar,
unfruchtbar
(? vgl. Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
IX, 1279 f.). Zu afries. frēta Friedloser, profu-
gus
frâza.

Wegen der Wendung im Heliand deutet Frings, Ger-
mania Romana I², 199 as. fréthivn als *frēthigun (mit
g-Schwund vor i; vgl. Holthausen, As. El. buch § 232);
es könnte auch akk.pl.m. von *frēthio = ahd. freid(e)o
sein (vgl. Wadstein, a. a. O. 242).

Verwandt ist auch langob. fraida st.f. Treulo-
sigkeit, Flüchtigkeit
(= mhd. vreide st.f. Ab-
trünnigkeit, Treulosigkeit
; Lexer III, 495). Aus
dem Ahd. entlehnt ist aprov. fradin ruchlos,
gottlos
, daraus mfrz. fredain mauvais usw.
Anorm. fradous arm(selig) ist dagegen viell. aus
dem Ndl. entlehnt (vgl. Wartburg, Frz. et. Wb.
XV, 2, 162).

Holthausen, As. Wb. 22; Sehrt, Wb. z. Hel.² 149;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 992; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. V, 526; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 272; Svenska akad. ordb. F-1454; Bruckner,
Spr. d. Langob. 99. 168. 183. 204; Meyer-Lübke, Rom.
et. Wb.³ Nr. 3490; Diez, Et. Wb. d. rom. Spr.⁵ 587;
Mackel, Germ. Elemente 115.

Seit H. Hirt, IF 47 (191617), 235 f. führt man
ahd. freidi usw. gewöhnlich auf germ. *frá-iþja-,
idg. *pro-itos der Fortgegangene zurück (zur
idg. Wz. *e- gehen; arbeit I, 317, 30 ff.).
Ähnliche Bildungen sind aind. préti- f. Weg-
gang, Flucht
, préta- gestorben, tot (eigentl.
weggegangen), prétya (Abs.) nach dem Tode,
jenseits
. Zur Betonung der westgerm. nomina-
len Präfixkomposita vgl. Krahe-Meid, Germ.
Sprachwiss. III § 51 und fra-, fravali, frâza.

Walde-Pokorny I, 103; Pokorny 295; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 353; Heidermanns, Et. Wb. d.
germ. Primäradj. 207 f.

Die frühere, zuerst von J. Grimm (Dt. Wb. IV, 1, 1,
102) vorgeschlagene Etymologie: zu einem unbelegten
got. Wort *fra-aiþ(ei)s eidbrüchig, treulos ( eid) ist
weniger wahrscheinlich und wird heute kaum mehr
vertreten, obgleich sie in frz. Wörterbüchern immer
noch vorkommt (z. B. Wartburg, a. a. O.; Trésor de la
langue franç. VIII, 1234).

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