fruot
Band III, Spalte 608
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fruotAWB adj., Hildebr., Otfrid, Notker, Phy-
siol., in Gl. seit dem 8./9. Jh.: klug, weise, er-
fahren, alt, gnarus, longaevus, providens, pru-
dens, sapiens, venustus, veteranus
Var.: u-;
-oo-, -o-, -oa-, -ua-, -o-, --; -d. Mhd.
vruot verständig, weise, klug, edel, brav,
tüchtig, munter usw.
, nhd. nur noch mdartl.
(schwäb. frut frisch, munter; vgl. schweiz.,
schwäb., vorarlb., bair., tirol. fruetig dss.).

Ahd. Wb. III, 1309 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 271; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 336; Schützeichel⁵ 142; Starck-Wells
181; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 320; See-
bold, ChWdW8 137; Graff III, 820 ff.; Schade 227;
Lexer III, 554; Benecke III, 389; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 469 (prudens); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 292
(gnarus). 535 (providens). 537 (prudens). 588 (sapiens).
701 (venustus). 706 (veteranus); Dt. Wb. IV, 1, 1,
328 f. Lühr, Stud. z. Hildebrandlied 435 ff. Fischer,
Schwäb. Wb. II, 1804; Schweiz. Id. I, 1340 f.; Jutz,
Vorarlberg. Wb. I, 1009; Schmeller, Bayer. Wb.² I,
831; Schöpf, Tirol. Id. 156 f.; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. I, 191.

Das Wort hat Entsprechungen in fast allen
germ. Sprachen: as. frōd alt, erfahren, weise,
mndd. vrōt erfahren, klug; mndl. vroet ver-
ständig, klug, geschickt, sparsam
, nndl. vroed;
nostfries. frōd, nwestfries. froed; ae. frōd weise,
alt
; aisl. fróðr klug, weise, kundig, nnorw.
frod, aschwed. frodher; got. froþs klug, weise,
σοφός, σώφρων
. Ahd. fruot usw. < urgerm.
*frōþa- ist Verbaladjektiv zum st. Verb VI
*fraþ-je/a-, das in got. fraþjan denken, erken-
nen, verstehen, φρονεῖν, συνιέναι, γινώσκειν

fortgesetzt ist. Der Ablaut der got. Präteritalfor-
men 3.sg. froþ (< urgerm. *frōþ), 3.pl. froþun
(< urgerm. *frōđunþ) ist wohl nach Vorbildern
wie urgerm. *ōr hat gepflügt (ahd. uor; s.
K. Matzel, Rosenfeld-Festschrift 465) analogisch
gebildet und auf das Verbaladjektiv urgerm.
*frōþa- übertragen worden. Wahrscheinlich ge-
hört auch ahd. frad tüchtig, strenuus < ur-
germ. *fraþa- hierher (s. Heidermanns, Et. Wb.
d. germ. Primäradj. 210 f.).

Fick III (Germ.)⁴ 246; Heidermanns, a. a. O. 217 f.;
Holthausen, As. Wb. 23; Sehrt, Wb. z. Hel.² 153;
Berr, Et. Gl. to Hel. 139; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 1009; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
539 f.; Verdam, Mndl. handwb. 752 f.; Franck, Et. wb.
d. ndl. taal² 763; Vries, Ndls. et. wb. 805; Holthausen,
Afries. Wb.² 32; Richthofen, Afries. Wb. 767; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 562 f.; Dijkstra,
Friesch Wb. I, 432; Holthausen, Ae. et. Wb. 117; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 339; Suppl. 269; Vries, Anord.
et. Wb.² XLIV. 144; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 567;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 136; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 277; Torp, Nynorsk et. ordb. 136;
Svenska akad. ordb. F-1563; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 165 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-86. Schaff-
ner, Vernersches Gesetz 290 ff.

Die grundsprachliche Wurzel ist wohl mit e-Vo-
kalismus als uridg. *pret- anzusetzen. Dies legen
apreuß. inf. issprestun verstehen, akk.sg. iss-
presnan Vernunft und lat. interpres Vermittler,
Unterhändler
(gen.sg. interpretis) nahe.

Weitere Verwandte sind im Kelt., Lit., Lett. und
wohl auch im Toch. bezeugt: mir. ráthaigid be-
merkt
, wahrsch. auch air. ráth Bürgschaft, Ge-
währ
, obgleich die Bed.entwicklung unklar ist;
viell. bietet ne. recognizance schriftliche Ver-
pflichtung, Garantiersumme, Sicherheitslei-
stung
zum Verb recognize (an-)erkennen eine
Parallele (anders, aber weniger wahrscheinlich
Fraenkel, Lit. et. Wb. 646 f.: die ir. Wörter ge-
hören nicht hierher, sondern zu air. roth Rad,
reth- laufen; die Bed. verstehen, begreifen sei
aus den Komposita to-etar-, com-to-etar abstra-
hiert aber das mir. Verb bedeutet nicht verste-
hen, begreifen
, sondern [be-]merken); lit. prõ-
tas Vernunft, Verstand, pràsti sich gewöhnen,
verstehen, begreifen, (er-)kennen, wissen
, lett.
pràts Verstand, Sinn, Wille, Meinung, Gemüt,
prast verstehen, begreifen, merken.

Ob toch. A pratim, B prati Entschluß hierher
gehört, ist umstritten; vgl. E. Fraenkel, IF 50
(1932), 229; Windekens, Lex. ét. tokh. 99; An-
reiter, Reflexe idg. Dentale 74 f.; L. Isebaert,
Thomas-Festschrift 137 ff.; Hilmarsson, Nasal
prefixes 176 f.

E. Rooth, Vrastmunt und Piirainen, Germ. *frōđ- u.
germ. *klōk- stellen zu dieser Wz. auch aisl. fróðr
fruchtbar, nschwed. frōdig üppig, wuchernd, wohl-
beleibt, dick
; schweiz. früetig in der Bed. frisch,
grün, üppig wachsend, fruchtbar
(vgl. Schweiz. Id.
a. a. O.); got. frasts Kind, ahd./mhd. frastmunti Be-
herztheit, heimlicher Ort, Abgeschiedenheit
(s. d.).
Die Grundbed. der ganzen Sippe wäre demnach
wachsen, gedeihen, zeugen, während die intellek-
tuellen Bedeutungen erst sekundär entstanden wären.
Trotz ihrer Argumente bleibt es fraglich, ob man be-
rechtigt ist, zwei so divergierende Begriffe auf dieselbe
Wz. zurückzuführen, zumal die ältesten germ. Belege
der idg. Wz. *pret- : *prōt- (got. fraþjan, fraþi usw.,
ahd. fruot [seit dem 8. Jh.]) ohne Ausnahme zum Be-
deutungsfeld des Verstands gehören; erst später treten
gleichlautende Wörter auf dem Bed.feld des Wach-
sens, Gedeihens auf (aisl. fróðr usw.). Zur Etym. dieser
Wörter (viell. zur idg. Wz. *[s]per[ǝ]- : *[s]prē- :
*[s]prō- sprühen, streuen, säen, hervorsprießen; Po-
korny 809 f. 993 f.) vgl. Hellquist, Svensk et. ordb.³
239; got. frasts gehört trotz Piirainen wahrscheinlich
weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe (vgl.
N. Törnqvist, Studia neoph. 13 [194041], 307; 15
[194243], 282 ff. und frastmunti).

Walde-Pokorny II, 86 (prt-); Pokorny 845 (pret-,
prt-); LIV² 493; Mann, IE Comp. Dict. 983 f. (die
aind. Wörter sind zu streichen); Fraenkel, Lit. et. Wb.
646 ff. 658; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III,
377 f. 380 ff.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 230; ders.,
Apreuß. Spr.denkm. 348. 408 f.; Fick II (Kelt.)⁴ 226;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. R-9. 10.

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