fuotareidîAWB f. īn-St., nur Carmen und in Gl.
seit dem 8. Jh.: ‚Nährmutter, Amme, nutrix,
auctrix‘ (Gl. 2, 345, 28; vgl. Ahd. Wb. III,
1361). Das Wort ist aus fuotar² n. ‚Nahrung,
Futter‘ (s. d.) und -eidî ‚Mutter‘ zusammenge-
setzt; vgl. mhd. eide sw. f. ‚Mutter‘, aisl eiða f.
‚dss.‘, got. aiþei f. ‚dss.‘. Dieses altgerm. Wort
hat keine sichere Etymologie. Schon die Form
im Got. und Ahd. bereitet Schwierigkeiten: īn-
Stämme sind fast immer Abstrakta (die weni-
gen Ausnahmen im Got. [vgl. Krause, Handb.
d. Got.³ § 139, 2] sind wohl meistens aus alten
Abstrakta konkretisiert: bairgahei ‚Gebirgsge-
gend‘ < ‚Gebirgigkeit‘, þramstei ‚Heuschrek-
ke‘ < ‚Sprunghaftigkeit[?]‘ usw.).
Es handelt sich kaum um ein fem. Lallwort, das
dem got. atta ‚Vater‘ ähnelt wie schon C. C. Uh-
lenbeck, PBB 27 (1902), 115 vorgeschlagen hat;
ein Lallwort *aita kann er außer bask. aita ‚Va-
ter‘ nur in air. aite ‚Pflegevater, Erzieher‘ fin-
den, das aber durch Epenthese aus *attio- ent-
standen ist (vgl. Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc.
A-52 f.). Obgleich Epenthese im Germ. fast nie
vorkommt, wird noch bei Vries, Anord. et. Wb.²
95 das air. Wort mit aisl. eiða verbunden; schon
der schwierige þ-Laut ist für ein germ. Lallwort
unwahrscheinlich.
Nach S. Feist, PBB 53 (1929), 397 ff.; ders.,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 28 ist das germ. Wort aus
einem illyr. GN (inschriftl.) OHΘH dat. sg.
(falls H als ī zu lesen ist; s. u.) entlehnt, aber
diese Erklärung wird von H. Krahe, PBB 57
(1933), 426 ff. aus mehreren Gründen — war H
wirklich ī?, woher kommt die germ. īn-Dekl.,
da der Nom. des illyr. Wortes kaum auf -i en-
dete? — bezweifelt.
Dagegen hält F. Mezger, Zfvgl. Spr. 76 (1960),
85 f. das Wort für echt germanisch und verbin-
det es mit urgerm. *aiþa- ‚Eid‘: die *aiþīn- wäre
die gesetzliche, eidlich gebundene Frau, die al-
lein die rechtliche Stellung der Mutter hatte, de-
ren Kinder erbberechtigt wären. Wenn diese
Deutung richtig ist, könnte germ. *aiþīn-
ursprl. die abstrakte Bed. ‚eidliche Verpflich-
tung‘ gehabt haben und dann zur Bezeichnung
der Frau, die dadurch charakterisiert ist, ver-
wendet worden sein (→ eidum: ‚Anteil‘ > ‚der
am Erbe der Tochter teilhat, Erbtochtermann‘).
Diese Etymologie, die von Lehmann, Gothic Et.
Dict. A-90 gebilligt wird, ist zumindest etwas
wahrscheinlicher als die anderen Versuche.
Aus dem Germ. entlehnt sind wohl finn. äiti,
estn. eit, eideke ‚Mutter‘ (vgl. Thomsen, Einfluß
der germ. Spr. 185; Karsten, Germ.-finn. Lehnw.
1210 Anm. 2; H. Ojansuu, Neuphil. Mitt. 19
[1918], 58 ff.; dagegen nach Feist, a. a. O. aus
dem Venetischen).
Ahd. Wb. III, 1361; Splett, Ahd. Wb. I, 169. 213;
Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 340; Schützeichel⁵ 144;
Starck-Wells 184. 847; Schützeichel, Glossenwort-
schatz III, 342; Seebold, ChWdW8 138; Graff I, 153;
III, 379; Schade 8. 232; Lexer I, 517; Benecke I, 414;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 59 (auctrix); Götz, Lat.-
ahd.-nhd. Wb. 63 (auctrix). 437 (nutrix); Dt. Wb. III,
82 f. (s. v. eid). — Fick III (Germ.)⁴ 2; Vries, Anord. et.
Wb.² 95. 93 (edda); Jóhannesson, Isl. et. Wb. 44;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 46. 45 (edda);
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 180. 1453.