ga(c)kizzen
Band IV, Spalte 19
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ga(c)kizzen sw. v. I, nur in Gl. belegt:
schnattern [von Gänsen]; strepere. Der An-
satz eines separaten sw. Verbs der II. Klasse
wegen Schreibungen auf -on (so bei Splett,
Ahd. Wb. 1, 280; Schützeichel, Glossenwort-
schatz 3, 374) ist wie schon Franck [1909]
1971: 250 (vgl. auch J. Schatz, FS Sievers
1925: 267) festgestellt hat unnötig, da Ver-
ben der I. Klasse in die II. Klasse übergehen
können. Mhd. gagzen schreien wie eine
Eier legende Henne, gackern
, nhd. veralt.
gackzen, kärnt. gàggázn schreien wie eine
Henne, dummes Zeug reden
.

Ahd. Wb. 4, 27; Splett, Ahd. Wb. 1, 280; Köbler, Wb. d.
ahd. Spr. 353; Schützeichel⁶ 126; Starck-Wells 189;
Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 374; Graff 4, 142;
Lexer 1, 724; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 629 (strepere);
Dt. Wb. 4, 1127 ff.; Kluge²¹ 228; Kluge²⁴ s. v. gackern;
Pfeifer, Et. Wb.² 390. Lexer, Kärnt. Wb. 106 f. Wil-
manns [190639] 1967: 2, 96. 109; Grimm [1819 ff.]
1999: 2, 208; Riecke 1996: 223. Gallée [1903] 1977:
434; Waldherr 1906: 93. 95; Richter 1909: 152. 159;
Raven 1996: 1, 54; 2, 50.

Ahd. ga(c)kizzen < urgerm. *ak-ite/a- (mit
deverbalem Intensivsuffix urgerm. *-ite/a-)
steht in seiner Bildung im Germ. allein. Der
Stamm *ak- ist ein onomatopoetisches
Element (vgl. O. Hauschild, ZDW 11 [1909],
159 f.), das teils lautlich variierend (*gag-/
*kak-), teils mit anderer Stammbildung (r-, l-
Suffixen) in den germ. Sprachen weit ver-
breitet ist: mhd. gâgen schreien wie die
Gans
, schles. gāken, nhd. gachzen, gackeln,
gacken, gacksen, gäcksen, gagacken, gaga-
gen, gagern schreien wie eine Gans bzw.
wie ein Huhn
, eigtl. wiederholt den Laut
gack ausstoßen
(vgl. Bildungen wie nhd.
veralt. kekerlekyh, kikri, nhd. kikeriki Ruf
des Hahns
); mndd. gāgelen, kakelen gak-
kern, schnattern
, keken schwatzen; mndl.
cāk(el)en, nndl. kakelen schreien wie ein
Huhn, schwatzen
, gaggelen schreien wie
eine Gans
(bei Kiliaan findet sich auch suf-
fixloses gaghen); nostfries. kakeln schreien
(wie die Hühner und Gänse), laut schwat-
zen
; me. gagelen, gagle, cakelen, caclen,
ne. cackle, gaggle schreien (wie die Hühner
und Gänse)
; aisl. gaga verspotten, nnorw.
kakla, ndän. kagle, nschwed. kackla schnat-
tern
; vgl. auch die substantivische Rückbil-
dung aisl., nisl. gagl kleine Gans, Schnee-
gans
, nnorw. gagl, gaul, gogl wilde Gans,
nschwed. dial. gagel kleine Gans; hieraus
ist ne. gaggles Reihe fliegender Gänse ent-
lehnt (vgl. Björkman [190002] 1973:
157 f.).

Fick 3 (Germ.)⁴ 122. 565; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 4; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 6. 418.
439; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 1111; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 173. 286; Suppl. 52; Vries, Ndls. et. wb.
180. 295; Et. wb. Ndl. F-Ka 604; Doornkaat Koolman,
Wb. d. ostfries. Spr. 2, 156; ME Dict. s.vv.; OED² s.vv.;
Vries, Anord. et. Wb.² 152; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
285; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 79; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 302. 483. 1467; Ordb. o. d. danske
sprog 9, 1071 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 144. 255;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 431; Svenska akad. ordb.
s. v. Lexer 1, 724; Dt. Wb. 10, 1127 ff. 1141; 11, 703;
Kluge²¹ 228; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 390.
Weinhold 1855: 25. H. Glombik-Hujer, DEWB 5
(1968), 193 ff.

Ähnlich klingende onomatopoetische Wörter
zur Bezeichnung von Lauten der Vögel oder
(übertragen) von Tieren selbst sind in vielen
idg. Sprachen verbreitet: gr. κακκάβη, κακ-
καβίς Rebhuhn, κακκαβίζω gackere (von
Rebhuhn oder Eule), κακκάζω gackere
(von Hühnern); lat. cacabō gackere (vom
Rebhuhn) (aus gr. κακκαβίζω entlehnt),
cacillō ds., cucurriō kollere (vom Haus-
hahn), cūcurru Schrei des Hahns, coco co-
co Naturlaut der Hühner (vgl. afrz. coc,
nfrz. coq Hahn, woraus vermutlich in den
germ. Sprachen mlat.-salfrk. coccus, ae.
coc[c], ne. cock, aisl. kokr, nisl. kok[k]r,
ndän. kok, nschwed. dial. kokk stammt; da es
sich jedoch um onomatopoetische Wörter
handelt, könnten aber wohl ebenfalls selb-
ständige Bildungen vorliegen; vgl. Suolahti
[1909] 2000: 232); nruss. gogotát’, ukrain.
hohotíty, hohotáty, slowen. gogotáti, poln.
gogota, osorb. gagota gackern, schnat-
tern
, atschech. hohtati heulen (vgl. auch
aksl. kokotъ Hahn, nruss. gagára Seetau-
cher
); lit. gagénti schnattern [von Gän-
sen], gagà Eiderente (vgl. ebenfalls ono-
matopoetisches dadénti schnattern [von
Gänsen]), lett. gãgât schnattern, schreien
wie Gänse oder Schwäne
(vgl. mit Intensiv-
reduplikation lit. gaĩgalas Enterich, lett.
gaigale Möwenart, apreuß. gegalis Tau-
cher
); air. gigrann, giugrann Wildgans,
ged Gans, kymr. gŵyrain, gŵydd, akorn.
guit, korn. guidh, goydh, bret. goaz, gwaz
Gans. Solche Lautnachahmungen sind
kaum auf eine uridg. Wurzel im eigentli-
chen Sinne zurückzuführen, da sie keine
nachweisbare ältere Geschichte aufweisen
(vgl. auch Zupitza 1896: 172). Sie haben die
Varianten *gha gha, ghe ghe, ghi ghi sowie ko
ko, kak(k)-, ku(r)kur-. Die Struktur solcher
onomatopoetischen Basen ist entweder ein-
silbig oder sie bestehen aus zwei oder mehr
Silben, die lautlich identisch sind (Tichy
1983: 20). Ihre Eingliederung ins Verbal-
system geschieht unter Verwendung der üb-
lichen einzelsprachlichen Bildemöglichkei-
ten (zumeist durch Anfügung intensiv-
iterativer Suffixe; vgl. Tichy 1983: 379 ff.).
Im Germ. sind dies vor allem r- und l-Suf-
fixe.

Wohl nicht zugehörig (trotz Meyer [1891] 1982: 126)
ist aus semantischen Gründen alb. gogë gähnen,
rülpsen
(vgl. Demiraj, Alb. Et. 179; Orel, Alb. et.
dict. 120).

Abzulehnen ist die Verbindung der onomatopoeti-
schen Gruppe ahd. ga(c)kizzen usw. mit ahd. gans
Gans (so B. Schmidt, IF 33 [19131914], 329 ff.),
da dieses Wort zur Verbalwurzel uridg. *ghan- gehört.

Walde-Pokorny 1, 336; Pokorny 407. 455 f. 526. 611;
Frisk, Gr. et. Wb. 1, 758; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
1, 126. 242. 300; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 130. 154;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4732; Diez, Et. Wb. d.
rom. Spr.⁵ 552; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 74 f.; Mik-
losich, Et. Wb. d. slav. Spr. 59. 69 f. 122 f.; Sadnik-
Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Texten 45; Vasmer,
Russ. et. Wb. 1, 249. 283; Fraenkel, Lit. et. Wb. 127 f.;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 1, 583 f. 616;
Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 336; Fick 2 (Kelt.)⁴
109; Dict. of Irish G-81; Dict. of Welsh 2, 1781. Holt-
hausen, Ae. et. Wb. 55; Bosworth-Toller, AS Dict. 164;
Suppl. 131; Vries, Anord. et. Wb.² 324; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 253. 1054; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 159; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 560; Ordb. o.
d. danske sprog 10, 1011 f.; Svenska akad. ordb. s. v.;
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 2280. 2293. Sławski
1952 ff.: 1, 272; Leskien 1894: 472; Pedersen [1909
13] 1976: 1, 101 ff. 337; 2, 2. 57. A. Bezzenberger,
BB 1 (1877), 253; A. Meillet, MSLP 12 (1903), 217; O.
Hauschild, ZDW 11 (1909), 165 ff.; J. Samuelsson, Era-
nos 13 (1913), 15; Schwentner 1924: 51 f.

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