gangan
Band IV, Spalte 45
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gangan red. v. VII, gân, gên an. v. (prät.
giang, giangum, part.prät. gigangan), seit dem
letzten Viertel des 8. Jh.s: gehen, schreiten,
wandeln, umhergehen, kommen, weggehen,
sich aufmachen, sich anschicken, losgehen,
sich begeben, sich fortbewegen, sich erstrek-
ken, sich beziehen auf, betreffen; abire, acce-
dere, ambulare, ascendere, declinare, diverte-
re, egredi, exire, gradi, incedere, inire, intra-
re, ire, pergere, pertinere, praeire, procedere,
reverti, vadere, venire
, frammort gangan,
furdir gangan voranschreiten, fortschreiten,
weiterziehen; procedere
, irri gangan irre-
gehen, in die Irre gehen
, ze sedele gangan
untergehen, auch in Funktionsverbgefügen
wie in strît gangan sich auf einen Streit ein-
lassen
, in lougna gangan sich zum Leugnen
verleiten lassen
, in girâti gangan eine Bera-
tung beginnen
Var.: Langform c-, k-, gh-;
-k-, -(h)n-; -c(h); Kurzform k-; -aa-, -ae-, -ee-;
prät. k(h)-; -e-, -ea-, -eo-, -ie-. Mhd. gân,
gên, gangan (prät. genc, part. [ge-]gangen,
gegân). Im Frühmhd. (vereinzelt im 11. Jh.)
erscheint auch eine nach dem Präs. gân gebil-
dete Kurzform 1.3.sg. gie (im Mhd. sehr ge-
läufig); vgl. die Reimform lie (s. lâzan). Im
Laufe der Zeit wurden die Langformen bis
auf Reste im Alem. und Bair. verdrängt.
Nhd. gehen sich zu Fuß schrittweise fort-
bewegen
. Die zweisilbige nhd. Form beruht
auf dem Einfluß einer bair.-ostfrk. bestimm-
ten südmainischen Schreibsprache, in der
die Zweisilbigkeit erhalten geblieben war.
Im Mitteldeutschen ist die Zweisilbigkeit der
Formen von sehen und geschehen zunächst
restituiert und dann auch auf die im Präs.
lautlichen Parallelen gên und stên übertragen
worden.

gangan und stantan stehen (s. d.) bilden im
Ahd. Reimwörter, die ihr Prät. regulär nach
der VII. st. Klasse bilden. Neben den häufige-
ren Langformen gibt es im Präs. seltener die
ebenfalls reimenden Kurzformen: gân, gên
und stân, stên. Auch die mhd. Fortsetzer sind
Reimwörter (C. Kraus, FS Heinzel 1898:
152 ff.; K. Zwierzina, FS Heinzel 1898:
467 f.; O. Mendius, PBB 27 [1902], 205 f.).
Da gân auf vorurgerm. *ghē- und stân auf
vorurgerm. *stā- zurückgeht (s. u.), würde
man im Frühahd. gân bzw. *stôn erwarten.
Der davon abweichende Vokalismus wird
auf einen frühen gegenseitigen Ausgleich der
Stammvokale zurückgeführt: In der Rechts-
sprache könnte der Vokalismus von stân we-
gen der Assoziationsnähe von gehen und
stehen analogisch nach gân gebildet sein.
Wahrscheinlicher ist aber eine Vorform
*staa- (mit Schwund von -- zwischen Vo-
kalen < *stǝ₂o-; W. Cowgill, JIES 1 [1973],
296 f.; G. Schmidt, Sprachw 9 [1984], 215; s.
standan). Ein Bedeutungsunterschied zwi-
schen den Lang- und Kurzformen besteht
nicht (zur Bedeutung von gangan in T vgl. W.
Breidbach, PBB 110 [1988], 332350).

Im Ahd. weisen die Kurzformen wegen der
1.Sg. auf -m auf die athematische Konjugati-
on. Der zweifache Stammvokal tritt vor allem
im Ahd. auf. Die Formen mit -ā- werden dem
Alem., die mit -ē- dem Bair., Frk. zuge-
schrieben. Doch zeigt die Beleglage in den
Dialekten eine nicht in allen Texten konse-
quente Verteilung (Schützeichel 1960: 93 ff.;
Penzl 1986: 111). Während im Alem. wie im
Rheinfrk. und Ndd. nur ā-Formen belegt
sind, kommen im Bair. neben überwiegen-
den ē-Formen (z. B. M 3.sg.ind. argêt [3mal
stêt, 3.pl. arstênt, inf. arstên], der Npw er-
setzt die ā-Formen des Originals durch -ê-;
vgl. auch die Ableitung vom Part.Präs. Npw
anagêntlîchen ursprünglich, ererbt [Schmid
1998: 216]; OG gên) in den ältesten Quellen
ā-Formen vor (alle Hss. des Abr in R haben
nur ā-Formen; M gaat [Matzel 1970: 243]).
Auch in mhd. bair. poetischen Denkmälern
erscheinen wieder ā-Formen, und zwar aus
Reimgründen (K. Bohnenberger, PBB 22
[1897], 212 ff.). Der Konj. weist nur ē-
Formen auf, er ist selten belegt ( haupt-
sächlich bei O und T) und wird meist durch
gange (stante) wiedergegeben (stets im
Alem. kange [stante]; doch 1.pl.konj. Gl.
1,758,21 kakâemês [St. Gallen, StiftsB 70, 2.
Hälfte des 8. Jh.s). Im Frk. begegnen nur
vereinzelt ā-Formen: bei O und T inf. gân
(stân), O ger. gânne, 1.sg.ind. gân (stân),
3.sg. häufiger gêt (stêt) als gât (stât),
2.sg.ind. O stets geist (steist), 3.sg. meist geit
(steit) mit dem Flexionsvokal der st. Verben
(vgl. duis, duit; s. tuon), also als thematische
Bildungen; ebenso im Mfrk. und Rheinfrk.;
vgl. N part. gâende nach Analogie der st.
Verben (neben gânde), T part. gênti (O
stânti), T 1.adh. gâmês. Die 2.Sg.Imp. lautet
in allen Dialekten gang (stant).

Ahd. Wb. 3, 43; 4, 40 ff. (finite Formen 40 f.); Splett,
Ahd. Wb. 1, 282 f.; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 354 f.;
Schützeichel⁶ 127 f. (doch 2 Lemmata: gān/gēn und
gangan); Starck-Wells 190. 814; Schützeichel, Glos-
senwortschatz 3, 381. 386 f. (2 Lemmata); Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 179; Seebold, ChWdW8 140;
Graff 4, 65 ff.; Lexer 1, 733 f.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
2 (abire). 6 (accedere). 37 (ambulare). 56 (ascendere).
173 (declinare). 208 (divertere). 220 (egredi). 240 (ex-
ire). 292 (gradi). 325 (incedere). 339 (inire). 351 (in-
trare). 355 (ire). 479 (pergere). 485 f. (pertinere). 510
(praeire). 522 (procedere). 576 (reverti). 693 (vadere).
699 f. (venire); Dt. Wb. 5, 2376 ff.; Kluge²¹ 230 f.;
Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 411 f. Braune-
Reiffenstein 2004: § 382; Schatz 1907: § 174; Franck
[1909] 1971: § 211 f.; Schatz 1927: 339 f. Behaghel
1928: 472 ff.; K. Bohnenberger, PBB 59 (1935), 235
243; H. M. Flasdieck, Anglia 61 (1937), 55 f.; Kienle
1969: 316 ff.; W. Relleke, ABäG 7 (1974), 28; Meineke
1983: 148. 273. 320; Thies 1989: 264. 481; B. Meineke
1990: 30; Wessing 1992: 308. 321. 396. 621; Flöer
1999: 145147. 436; Ertmer 1994: 69. 101. 123 f. 202.
135 f. 212. H. Kolb, FS Eggers 1972: 126141; H.
Ibach, PBB 78 (Halle, 1956), 93. 102; H. v. Gadow,
BNF 8 (1973), 384 f.

In den Dialekten kommen ebenfalls noch Langformen,
teils neben Kurzformen mit -â- und Vokalwechsel, vor:
schweiz. gang(en), gâ(n); schwäb. gang, gêǝ; vorarlb.
gong, g; bair. gangen; kärnt. gengen, gean; tirol.
imp. gang, inf. gên; ndd. gân (prät. gung, ging), lü-
neb., westfäl. gån (prät. geng, gong); brandenb.-
berlin. gåhn, gehen; schlesw.-holst., meckl. gahn
(prät. gung, güng); preuß. gônǝ (prät. gunk).

Schweiz. Id. 2, 1 ff.; Fischer, Schwäb. Wb. 3, 198 ff.;
Jutz, Vorarlberg. Wb. 1, 1088 ff.; Schmeller, Bayer.
Wb.² 1, 921; Lexer, Kärnt. Wb. 112 f.; Schatz, Wb. d.
tirol. Mdaa. 1, 233; Bretschneider, Brandenb.-berlin.
Wb. 2, 279 f.; Schambach, Wb. d. ndd. Mda. 59; Kück,
Lüneb. Wb. 1, 539 ff.; Mensing, Schleswig-holst. Wb. 2,
289 ff.; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 3, 11 ff.; Frisch-
bier, Preuß. Wb. 1, 222; Ziesemer, Preuß. Wb. 2, 283.

Das Nebeneinander von Lang- und
Kurzformen und die Parallelität von gehen
und stehen läßt auf einen Sprachstand
schließen, wo im Präs. Kurzform und
Langform gleichberechtigt nebeneinander
standen. Wegen des Fehlens von
Kurzformen im Bibelgot. (gegenüber
krimgot. geen) und im Awestnord. muß
dieser Zustand zur Zeit der Abwanderung
der Goten gegolten haben, während das
Awestnord. wie auch sonst einen
fortschrittlicheren Entwicklungsstand zeigt
(Bandle 1973: 24 ff.). Bemerkenswert ist auch
der u-Vokal bei der Langform im Afries. und
Ae. (s. u.). Hinzu kommt die Entstehung
eines suppletiven Mischparadigmas aus
Präs.: Kurzform; Prät.: Langform; d. h. Auf-
gabe der Langform im Präs. als überflüssige
Doppelung. Die Kurzformen scheinen also
im Präs. volkstümlicher gewesen zu sein.

Osthoff 1899: 9. 57 f.; W. Krogmann, Engl. Stud. 68
(1933/34), 155 ff. Das Mischparadigma hat sich durch-
gesetzt in: nhd. gehen ging, stehen stand, nndl. gaan
ging, staan stond, dän. gå gik, stå stod, schwed.
gå gick, stå stod gegenüber nisl. ganga gekk (gen-
gum), fär. ganga gekk (gingu). Die skand. Sprachen
(Dän., Schwed.) haben die dort seltenen Kurzformen
nach dem Vorbild des Mndd. im Präs. verallgemeinert
(zum Ersatz von ae. gān ēode durch went vgl. Brunner
1965: 283).

Im Germ. ist der Typ gangan allgemein vor-
handen, im Awestnord. und Wulfila-Got. aus-
schließlich, sonst (aostnord., ae., afries., as.,
ahd.) neben *gēn bzw. *gain. Als Prät. dient
meist eine der Wurzelstruktur entsprechende
reduplizierte Bildung, nur das Got. und Ae.
haben stattdessen suppletiv das ältere Perf.
von *h₁e-: iddja bzw. ēode. Während im
Got. *gēn durch gangan ersetzt wurde, blieb
das Prät. iddja erhalten. Dadurch geriet das
reduplizierte Prät. *gegang- in Vergessenheit
und ein regelmäßiges gaggida (nur Lk. 19,
12) kam als Neubildung auf (vgl. ae. prät.
gengde). Ähnliches ist im Westnord. gesche-
hen, wo die Kurzform gleichfalls verloren
ging, aber das reduplizierte Prät. das Prät.
von *e- ersetzte; und im Alem. mußte der
Opt. *gēn < *gain der Langform weichen
(K.-H. Mottausch, HS 107 [1994], 124.
132 f.).

Im einzelnen entsprechen den Langformen in
den germ. Sprachen: as. gangan gehen, wan-
deln
(prät. geng in der Wendung al sō is wil-
lio geng wie es sein Wille war, ganz nach
seinem Gutdünken
[Hel 4271], gengen, part.
gegangen), mndd. prät. genc usw. (s. u.);
andfrk. gangan, mndl. (meist als Reimwort)
gangen (prät. auch Formen mit -i-); afries.
gunga gehen, halten (präs. auch geng[h]t
mit Umlaut, imp. gunch, gong, prät. geng,
gengen, part. gangen, gendzen, ginzen),
nfries. auch ganga; ae. gangan gehen (prät.
ēode, selten dichter. gang, gēong, part. gan-
gan), me. gangen (prät. ging), ne. (veraltet)
gang; awestnord. ganga gehen, wandern,
sich anschicken zu, vergehen
(prät. gekk,
gengo, part. gengenn), aostnord. ganga (prät.
gik, gingo, part. gangin), dän. (veraltet) gan-
ge; got. gaggan gehen (prät. 1 mal gaggida,
sonst iddja, part. gaggans).

Lautgesetzlichen Nasalschwund zeigen Formen wie
ahd. bettigâht f. Schlafengehen, Schlafenszeit (s. d.).

Und an Kurzformen sind belegt: as. selten
gān, gēn, nur Präs.-Formen (inf. te gānde,
3.sg.ind.präs. begēd), mndd. gān (präs. sg. 1.
gā, 2. geyst, 3. geyt, pl. 1. gā, 2. gāst, 3. gāt,
prät. genc, ginc, part. gangen, -gān); andfrk.
gān, mndl. gaen, nndl. gaan; afries. gān, gēn
(3.sg.ind.präs. gēt[h], mit Flexionsvokal der
st. Verben geit[h], part. gēn), nfries. gān, gean
(prät. gung); ae. gān (sg. 1. gā, 2. gǣst, 3.
gǣđ, pl. 3. gāđ [prät. ēode], part. gegān), me.
gōn, ne. go; awestnord. erst spätaisl. (sehr sel-
ten) gá, norw. gaa (wohl aus dem Ostnord.);
aschwed. nur präs. gā, dän., schwed. gå;
krimgot. geen.

Während also im Bibelgot. und Awestnord.
die Kurzform fehlt, haben das Mndd. nur
und Mndl. fast ausnahmslos die Kurzform.
Was die doppelten Kurzformen betrifft, so
wurde im Ae. die Entsprechung von ahd. gân
aufgegeben (gām, gǣst, gǣd entsprechen
ahd. gên); demgegenüber hat das As. die
Doppelformen bewahrt: stān und gān gegen-
über stēs, stēd, begēd) (Gallée 1993: § 424 f.;
Holthausen 1921: § 476 f.). Möglicherweise
verfügt auch das Afries. über die
Doppelformen: stēt, gēth weisen auf *ē oder
*ai vor i-Lauten (Steller 1928: § 108; Helten
1890: §§ 22. 311; ders., PBB 35 [1909],
285 ff.). Anders als ahd. gân, as. gān,
aostnord. gā, krimgot. geen < *gēn können
dagegen ae., afries. gān nur auf *gain
zurückgehen. Diese zwei Stämme sind fol-
gendermaßen verteilt: Ind. *gēn, Opt. *gain:
ahd.; wohl vermischt: afries.; Option für einen
der beiden Stämme: *gēn: aostnord., as.;
*gain: ae.

R. Loewe, IF 13 (1903), 7 (für einsilbiges krimgot.
geen). Die Herleitung von krimgot. geen aus zweisilbi-
gem (wie der Inf. breen braten gebildeten) *gēǝn
(Stearns, Crimean Gothic 137), *gēan (Schwarz 1951:
165) oder *gaan (G. Schmidt, Sprachw 9 [1984], 211)
ist nicht erweisbar. Insbesondere führt der Vergleich
mit ai. hīyate wird verlassen, aufgegeben (< *hǝ₁-
e/o-; zur Bildeweise vgl. oben *staan stehen <
*stǝ₂-e/o-; G. Schmidt, Sprachw 9 [1984], 215 ff.) se-
mantisch nicht weiter.

Das Part. afries. gendzen, ginzen weist auf ein Suffix
*-ina- (anstelle von *-ana-) (Th. Siebs, in Paul 1901 ff.:
1, 1298 f. 1338).

Fick 3 (Germ.)⁴ 120. 124; Seebold, Germ. st. Verben
213 ff. 460 f. 464 f.; Holthausen, As. Wb. 24; Sehrt, Wb.
z. Hel.² 163 ff.; Berr, Et. Gl. to Hel. 147; Wadstein, Kl.
as. Spr.denkm. 181; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 1, 8 ff.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 9 f.; Quak,
Wortkonkordanz zu d. am.- u. andfrk. Ps. u. Gl. 62;
Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u. Gl. 199; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 2, 874 ff. 903; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 171; Suppl. 52; Vries, Ndls. et. wb. 178; Et.
wb. Ndl. F-Ka 148; Holthausen, Afries. Wb.² 34. 36;
Richthofen, Afries. Wb. 788; Fryske wb. 7, 84 ff.;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 1, 586. 707;
Dijkstra, Friesch Wb. 1, 441; Holthausen, Ae. et. Wb.
123; Bosworth-Toller, AS Dict. 360 f.; Suppl. 282;
Suppl. 2, 29 f.; ME Dict. s.vv.; OED² s.vv.; Vries,
Anord. et. Wb.² 151. 156; Bjorvand, Våre arveord 284;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 296. 343. 1007; Fritzner, Ordb.
o. d. g. norske sprog 1, 544 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 78. 80; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 292.
300; Nielsen, Dansk et. ordb. 169 f.; Ordb. o. d. danske
sprog 6, 477 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 146; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 316; Svenska akad. ordb. s. v.; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 181 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict.
G-18; Stearns, Crimean Gothic 116 f. 137. Zupitza
1896: 178; Helten 1896: 159; Grienberger 1900: 82 f.;
Noreen [1904] 1978: 446 f.; Lasch [1914] 1974: 237.
239. 246; Karstien 1921: 134 ff.; Noreen [1923] 1970:
339; Kieckers 1928: 221 f. 260; Markey 1981: 146. 162;
W. Krogmann, Anglia 57 (1933), 216 f.; ders., Anglia
61 (1937), 356 f.; Holthausen [1934] 2002: 34; H. M.
Flasdieck, Anglia 60 (1936), 286 f.; ders., Anglia 61
(1937), 54 ff.; Brunner 1965: 64. 321 f. 359 f.; Meid
1971: 77. 130; Braune-Heidermanns 2004: 76. 173. Zu
finno-ugr. Beziehungen zu der Wz. *hengh- vgl. Jokl
1921: 107.

W. Maczak, ZVSp 97 (1984), 109 (ders. 1987: 7074)
betrachtet gān und stān als frequenzbedingte Kurzfor-
men: Der Schwund von -ng sei älter im Präs. als im
Prät., älter im Ind. als im Opt. und Imp., da Präs. und
Ind. häufiger gebraucht werden als Prät., Opt., Imp.
Des weiteren habe der Wandel von ā zu ē im Inf.
stattgefunden und nicht im Gerund. Auch sei der
Schwund von -ng im Verb und nicht im Subst. einge-
treten. Ähnlich Horn 1921: 41 ff.; ders., FS Behaghel
1924: 71 ff.: Die Kurzform gān sei zuerst im Imp. auf-
gekommen (Einwände bei K. Helm, IF[A] 40 [1922],
5 f. wegen der späten Belegung dieses Modus). Doch
sind gān und gangan etymologisch zu trennen (s. u.).

Für den ē/ai-Wechsel gibt es mehrere Erklä-
rungen:

*gain als Ergebnis einer Komposition ga +
imi (gr. εἴμι gehe), die etymologisch völlig
von *gēn zu trennen sei und analogisch
*stain *stēn nach sich gezogen habe (Klu-
ge²⁰ s. v.; dagegen W. Streitberg, IF 6
[1896], 148).

Bestimmung von ahd. geist, geit < *ast,
*at als thematisierte Formen (s. o.) der
Wurzel *ē- (mit Wandel von *ē zu urgerm.
*a; O. Bremer, PBB 11 [1886], 43 f.; Kar-
stien 1921: 57 f.; J. Sverdrup, NTS 2 [1929],
65) oder der schwundstufigen Wurzel *a-
(W. v. Helten, PBB 11 [1886], 41 ff.; ders.,
PBB 35 [1909], 286 ff.; W. Wilmanns, ZDA
33 [1889], 428 ff.; ders. [19061930] 1967:
3, 65 f.; Baesecke 1918: 221 f.; E. Fraenkel,
ZSlPh 22 [1953], 220).

Vergleich des in ahd. gêt vorliegenden i-
Diphthongs mit der 2.sg.imp. gr. ἄγει; die ē-
Formen seien also Fortsetzer eines optati-
vischen Imp. oder imperativischen Opt. (K.
Brugmann, IF 15 [1903/04], 127 f.; K. Boh-
nenberger, PBB 59 [1935], 243; anders K.
Brugmann, IF 17 [1904/05], 178: Der Voka-
lismus des Imp. mhd. stamme aus der
1.Sg. urgerm. *aō < *ǝō).

Rückführung auf zwei verschiedene Ablaut-
stufen: ahd. gân zu ai. jáhāti verläßt (uridg.
*ghé-ghē-ti); ahd. gên zu ai. hīná- verlassen
< uridg. *ghenó- (Subak 1930; aufgenom-
men in Kluge²¹ 241).

Ahd. gên, stên als Analogie zu habên usw.
Perhaps folgēn was the starting point,
wrongly interpreted as fol-gēn; cf. OE, OS
fulgangan, OE fulēode follow. OS fulgān
fulfill, by the side of OE fylgan, folgian,
OS folgon
(Prokosch [1936] 1966: 156).

Annahme eines Ausgleichs innerhalb der
Flexion mit einem vorhistorischen Wechsel:
z. B. ahd. sg.1. gâm, 2. gês, 3. gêt, wobei die
ē-Formen aus dem Konj. stammen (O. Bre-
mer, PBB 11 [1886], 44: sg.1. *gēmi, 2. *gaisi
usw.; W. v. Helten, PBB 17 [1892], 557 ff.:
sg.1.ind. *gāemi vs. opt. *gain; Baesecke
1918: 222: sg. gêt < *ga-is; pl. gâmês < *ga-
amēs).

Bestimmung von ē in ahd. gên bzw. stên und
den westgerm. Entsprechungen (s. u.) als
Fortsetzer eines dreimorigen *a im Opt.
*gām < *ghm bzw. *stām < *stōm, ent-
standen aus der schwundstufigen Form *ghǝ-
om bzw. *stǝ-om; zur Lautentwicklung vgl.
ahd. zwêne, as. twēne < *tai + enai (H.
Birkhan, FS Höfler 1976: 25 f.).

Zunächst überzeugt der Vergleich mit ahd.
folgên nicht, da die nordseegerm. Entspre-
chungen ae. fylg(e)an, as. folgōn lauten und
sich die III. sw. Kl. in dieser Sprachgruppe
aufgelöst hat. Zudem bedeutet ahd. fulgan-
gan, fulgân erfüllen, vervollkommnen und
erst später folgen. Die Assoziation mit
fylg(e)an, folgōn, worauf in der Tat das Ne-
beneinander von ae. fulēode, fulgēode weist,
ist also sekundär (H. Birkhan, FS Höfler
1976: 24).

Hält man aber die Verteilung im Ahd., wo ē
vor allem im Opt. vorkommt (Baesecke
1918: 221), für urspr., haben die ē-Formen
im Opt. ihren Ausgangspunkt und sich von
dieser Kategorie aus ausgebreitet (dagegen
H. M. Flasdieck, Anglia 61 [1937], 57 f.). Für
diese Annahme spricht, daß das Alem., das
bei der Kurzform den Opt. beseitigt hat, auch
keinerlei ē-Formen aufweist. Was die Über-
tragung auf den Ind. angeht, so konnte im
Ahd. die ē- (< *a-)-Form aus dem Opt. wohl
auch der 2.3.Sg.Ind. zugeordnet werden, da
es im Westgerm. ein Nebeneinander von a-
Vokal und e-Vokal in der 1. bzw. 2., 3.Sg.
der Verben der VI. st. Kl. gab. Dadurch ent-
stand im Althochdeutschen die Distribution
Ind. 1.Sg. gâm, 2.Sg. gês, 3.Sg. gêt (vgl. O
1.sg.ind. gân [stân], 3.sg. häufiger gêt [stêt]
als gât [stât]; WH 3 gen, 1 gaan). Durch
Ausgleichsprozesse in verschiedene Rich-
tung wurde dann der überlieferte Zustand er-
reicht: Weitgehende Verallgemeinerung von
ē im Bair., Frk, Verallgemeinerung von ā im
Mndd.

Auch im Nordgerm. dürfte im Ind.Sg. der a-haltigen
st. Verben urspr. ein Nebeneinander von a und e ge-
golten haben, bevor der u-Umlaut in der 1.Sg. besei-
tigt wurde (sg.1. fer, 2., 3. ferr) (Noreen [1904] 1978:
§ 530 Anm. 1). Der Ausgleich nach den Opt.-Formen
bei gehen könnte also gemeingerm. gewesen sein. Im
Nordgerm. sind aber keine Opt.-Formen bei der Kurz-
form von gehen belegt.

Die Opt.-Formen sind anders, als vorge-
schlagen, anzusetzen: Als Vorform dürfte für
*an ein *ghǝ₁-ih₁- mit analogischer Sylla-
bifizierung *ghǝ- und *-ih₁- aus dem Pl. an-
stelle des Sg. *ghǝ₁-eh₁- gegolten haben;
vgl. den Ansatz *dǝ₃-eh₁- als Basis der
(nach dem Pl. gr. δοῖεν) umgebildeten Opt.-
Form gr. δοίη möge geben für *doē (Rix
1992: 232).

Ähnlich bereits O. Bremer (PBB 11 [1886], 45) und
H. M. Chadwick (IF 11 [1900], 172) zum Opt. Anders
K.-H. Mottausch (HS 110 [1997], 259 f.): Nachdem
sich der Opt.Sg. *ghǝ₁-eh₁- / Pl. *ghh₁-ih₁- zu urgerm.
*a-ē- / *-ī- entwickelt habe, sei *a-ē- in Analo-
gie zu thematischen Optativen wie *er-a- zu *a-
umgebildet und die kürzere Form aufgegeben worden.
Wie Müller (2007: 261) aber zu Recht bemerkt, ist die
Annahme einer derartigen Verkürzung von *a-ē- zu
*a-- nicht plausibel. Müller selbst geht stattdessen
von einem schwundstufigen j-Präs. aus: *hǝ₁-e/o-
bzw. *ghǝ₁-e/o-, dessen thematische germ. Fortset-
zung *ae/a- unter dem Einfluß von urgerm. *ē-
athematisch geworden sei. Der zugehörige Opt. *hǝ₁-
o-ih₁- bzw. *ghǝ₁-o-ih₁- habe im Germ. über *a-a-
- > *a-a-- > *ā-- schließlich *a-- ergeben. Aber
auch diese Erklärung hat einen Nachteil: Die Existenz
eines j-Präs. *hǝ-e/o- läßt sich nicht belegen. (Ein j-
Präs., und zwar vom Typ *sēa-, nimmt auch Bam-
mesberger 1986: 116 an.)

Der Ansatz von dreimorigem **ā im Opt. ist proble-
matisch, weil die dafür angesetzten vorurgerm. Opta-
tivformen (s. o.) nicht dem heutigen Kenntnisstand
der Indogermanistik entsprechen (verfehlte idg. An-
sätze auch bei L. A. Connolly, IF 85 [1980], 110.
114 f.).

Die Rekonstruktionen, die von einem Di-
phthong *a ausgehen, setzen im Ahd. einen
Wandel von *a zu ê voraus. Doch kommt
eine Entwicklung von urgerm. *a zu ahd. ê
wie vor Dentalen für das Ahd. nicht in Frage.
Möglicherweise ist aber *a im Schwachton
zu *ē geworden, eine bei einem einsilbigen
Verb wohl zulässige Annahme (G. Schmidt,
Sprachw 9 [1984], 136). Darüber hinaus
weist K.-H. Mottausch (HS 110 [1997], 255)
auf den Wandel von urgerm. *a zu ahd. ê in
ahd. ecce (got. sai), wehe (got. wai)
hin (gegenüber dem Wandel von urgerm.
*a- zu ahd. ei in ei Ei, gen. eiies, pl. eigir
(mit g für /j/) (vgl. W. v. Helten, PBB 17
[1892], 560 f.).

Die zeitliche Schichtung der drei Verben für
gehen ist offenkundig: urgerm. 1. *e-, 2.
*gēn (*gain), 3. gangan. gēn (*gain) dürfte
zunächst die phonetisch schwachen Präsens-
formen von *e- ersetzt haben: *īm(i), *īs(i),
*ī(þ)i, *im(e), *iđ(e), *inþ(i), Formen, die
möglicherweise in die thematische Klasse
überführt worden waren (vgl. lat. 1.sg. eō <
*eō). Aber auch *gēn (*gain) wurde ersetzt,
da die Tendenz besteht, durch lautliche Vor-
gänge zu kurz gewordene Wortformen durch
ausdrucksstärkere zu ersetzen (vgl. das
Mischparadigma spätlat. vādo, vādis, vādit,
īmus, ītis, vādunt). Hinzu kommt, daß *gēn
(*gain) offensichtlich nicht im Stande war,
ein Prät. (etwa nach Art der Verba pura im
Ahd.) als Ersatz für die absterbenden Präteri-
talformen von *e- zu bilden. So ist zu Be-
ginn der historischen Überlieferung *gēn
(*gain) schon teilweise auf dem Rückzug
vor dem jüngeren Ersatzverb *gangan (Wul-
fila-Got., besonders Awestnord). Mit seinem
reduplizierten Prät. trat dann dieses Verb
auch an die Stelle des Prät. von *e- (K.-H.
Mottausch, HS 107 [1994], 124 f.; HS 110
[1997], 263 ff.; HS 111 [1998], 137).

Die germ. ē-Kurzformen bei gehen werden
zumeist von vorurgerm. *ghē- < uridg.
*heh₁- hergeleitet und mit einem Präsensre-
duplikation aufweisenden Verb verglichen:
ai. jáhāti verläßt, läßt zurück, gibt auf (perf.
jahau, jahú) (dazu hāna- n. Verlassen,
Aufgeben
), med. jíhīte verändert die Stel-
lung des Körpers, bewegt sich, geht
, av.
zazāhi entlasse (KS Hoffmann 1975/76: 2,
373 ff.); gr. (mit Umdeutung eines Wurzel-
präs. *κί-χημι zum) Aor. κιχη- (κί-χη-μεν
usw.), neugebildetes Präs. homer. κιχάνω,
att. κιγχάνω (inf. κιχήμεναι) hole ein, errei-
che, treffe an
, χάζομαι weiche zurück, ziehe
mich zurück
als Neubildung zum Aor.
χάσ(σ)ασθαι (vgl. den langvokalischen Aor.
ai. 3.sg. ahās). Aus semantischen Gründen
zieht aber Klingenschmitt 1982: 86 f. (und
Anm. 3) für das Gr. die Verbindung mit arm.
gam kommen < *(ghi-)ghh₁- vor und kommt
so zu einer Wz. uridg. *gheh₁- erreichen,
kommen
, wobei er die indoiran. und gr.
Wörter trennt. Ahd. gâm könne dabei entwe-
der zur uridg. Wz. *gheh₁- erreichen oder
zur Wz. *heh₁- die Stellung des Körpers
verändern, sich bewegen, gehen
(ai. med.
jíhīte; s. o.) gestellt werden. Die indoiran.
Verben der Bedeutung verlassen führt er
dagegen auf eine Wz. indoiran. *jhā- ver-
lassen
zurück, die mit gr. χηρά Witwe,
χῶρος (freier, leerer) Raum, Gegend, Land
(uridg. *gheh₁- verlassen, leer machen) zu
verbinden seien. Von den beiden Anschlüs-
sen für das germ. Verb ist aber wohl die mit
*gheh₁- erreichen vorzuziehen, da die e-
Stufe der Wz. i-Reduplikation voraussetzt
(LIV² 171 f. 196). Auf jeden Fall muß im
Germ. die Reduplikationssilbe geschwunden
sein.

Schwyzer 1953: 1, 688; H. M. Flasdieck, Anglia 61
(1937), 54 ff.; M. Leumann, IF 58 (1941/42), 24 f.; H.
Rix, IF 96 (1991), 272; Müller 2007: 260 f. Anm. 920.
Die Verbindung von ahd. gâm mit arm. gam findet
sich auch bei V. Pisani, Sprache 12 (1966), 233.

Nach A. Meillet (MSLP 20 [1918], 104) verhält sich
ahd. gâm ai. aor. áhāt wie ahd. stâm ai. aor.
ásthāt, gr. dor. ἔστᾱ, att. ἔστη.

Die alte Auffassung, daß ahd. gân auf uridg. *ghē-
beruht und * insbesondere vor m geschwunden sei
(*ghēmi > *ghēmi) (H. Birkhan, FS Höfler 1976: 25),
läßt sich für die zugrunde liegende Wz. nicht erwei-
sen.

Dem dritten Verb für gehen des Suppletiv-
paradigmas, got. sg. iddja (pl. iddjedum als
Analogie nach got. nasidedum), ae. ēode
ging, 3.pl. ēodun (selten ea-, nie iu/io-;
Sievers 1900: 52; Luick 1914: 237), me. yo-
de (seit dem 15. Jh. ersetzt durch wend,
went), liegt die Wz. uridg. *h₁e- gehen
(s. u.) zugrunde: heth. imp. īt gehe, ai. éti,
yánti geht, gehen, gr. εἶμι gehe, werde ge-
hen
, lat. eō gehe. Die Herleitung ist
schwierig. H. Collitz (AJPh 9 [1888], 51 f.;
ders., BB 17 [1891], 237 f.; ders. 1912:
143 ff.) sieht in got. iddja eine
1.Sg.Perf.Med., die ai. *ī entspricht (zu-
stimmend Trautmann 1906: 48; dagegen J.
Sverdrup, IF(A) 32 [1915], 9). Während es
aber nach Brugmann ([18971930] 1967: 2,
3, 1, 12) keine uridg. Stammform *ī- gege-
ben hat, hält Kümmel (2000: 100. 614) ai.
īyúr sind gelangt, ebenso wie iyya ist
weggegangen
und jav. konj. iieiiǝn werden
gegangen sein
, für indoiran. oder noch älter,
da die Bedeutung ist gegangen, ist weg zu
einem idg. Perf. paßt und *h₁e- bereits in
der Grundsprache terminative Aktionsart
(wohin gehen, weggehen) gehabt haben
konnte. Auch lat. iī und der altalb. Aor. vo
könnten von diesem alten Perf. herstammen.
Gehen auch got. iddja und ae. ēode darauf
zurück, ist die Verschärfung * in der Vor-
form möglicherweise aus der 1.Sg.Perf.
*h₁e-h₁o-h₂a hervorgegangen und wurde auf
den Pl. übertragen. Dagegen dürfte in der
Vorform von ae. ēode (*h₁e-h₁o-e) das *
zwischen unbetonten Vokalen geschwunden
sein, mit -de in Anlehnung an die Endung
gewöhnlicher schwacher Präterita (W. Cow-
gill, Lg 36 [1960], 483 ff.).

Ein Perf., und zwar ein spezifisch germani-
sches starkes langvokalisches
Prät. zur Wz.
*h₁e-, als Vorform von got. iddja und ae.
ēode nimmt auch St. Schuhmacher (Sprache
40 [1998], 180 ff.) an: Vor dem urgerm.
Schwund von * zwischen Vokalen habe die-
ses die Form *ǣ-gehabt. *ǣ- sei dabei ent-
weder eine urgerm. Neuerung auf der Basis
von *ǣt- (Wz. *h₁ed- essen) oder Fortset-
zer des ererbten Perf. (s. o.). Vor Konsonant
sei das Allomorph *ǣi- von *ǣ- lautgesetz-
lich zu *ei- gekürzt worden. Dieses *ei- sei
bei der u-Thematisierung der 1.2.Pl. und
1.3.Dual zu *ejj- umgeformt worden. Wäh-
rend im Got. die Fortsetzung von *ejj- ver-
allgemeinert und zu einem Quasi-Dental-
präteritum
umgebildet wurde, sei in der
Vorstufe des Ae. an die Fortsetzung von *ǣ-
in der 3.Sg., *ǣ, das Präteritalsuffix der II.
Kl. der sw. Verben getreten, wodurch sich
ēode ergab. Schwierigkeiten ergeben sich
aber auch bei dieser Deutung, nämlich Ver-
schärfung zu *ejj- im Zuge der u-Thema-
tisierung.

Weniger plausibel als die Verbindung mit
der Wz. *h₁e- gehen ist jedenfalls die Her-
leitung von got. iddja von der uridg. Wz.
*eh₂- dahinziehen, fahren; vgl. ai. yti
fährt, zieht dahin, lit. jóju ich reite, toch.
B iya fährt (H. Möller, ZVSp 24 [1879],
432 Anm. 1; Kluge 1879: 124 ff.; F. O. Lin-
deman, IF 72 [1967/68], 275 ff.: Perf. von
*ā-); vgl. Lühr, in Untermann 1984: 90.

Kluge 1879: 125 f.; J. J. Mikkola, FS Streitberg 1924a:
267; Kieckers 1965: 2, 328; Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. 1, 407; J. E. Rasmussen, in Andersen-Koerner
1990: 432; Müller 2007: 92 Anm. 261. Anders W. v.
Helten, PBB 30 (1905), 240; Brugmann [18971930]
1967: 2, 3, 1, 12: In got. iddja sei ein Rest des Aug-
ments der in ai. á-yāt auftretenden Wz. fortgesetzt
(Brugmann [18971930] 1967: 1, 283; 2, 861. 1066;
Kluge 1913: 134. 167 f.; H. Jacobsohn, ZVSp 47
[1915/16], 93; J. Fourquet, SNPh 14 [1941/42], 422;
dagegen L. Meyer, NAWG 1901: 229 ff.). Mit einem
Augment rechnen auch F. A. Wood, MPh 14 (1916/17),
125 (augmentierter ē-Aor.) und Bammesberger (1986:
117), der got. iddja auf das Impf. der Wz. *e- zurück-
führt, aber ae. ēode auf die Wz. *ā-. Anders Hirt
193134: 2, 159; W. Krogmann, Anglia 75 (1933), 393:
Vergleich mit ai. episch iyāt. Unhaltbar ist F. Holthau-
sens (IF 14 [1903], 342) Herleitung von ae. ēode von
einem schwundstufigen Aor. der in ae. wadan gehen,
lat. vādō gehe, schreite vorliegenden Wz. (zustim-
mend H. M. Flasdieck, Anglia 61 [1937], 62 f.; zur
Trennung von got. iddja und ae. ēode vgl. auch C. C.
Uhlenbeck, PBB [1905], 294; J. Janko, IF(A) 19
[1906], 45). Wieder anders A. Meillet, MSLP 23
(1929), 257: -ddj- in got. iddja als gémination expres-
sive
. Zur Verschärfung vgl. H. L. Smith, Lg 17
(1941), 97; H. Rosén, Lingua 6 (1956/57), 370.

Für Seebolds (Germ. st. Verben 174) Wz.-Ansatz *ejj-
(*ejǝ-) mit auslautendem Laryngal gibt es keinen An-
haltspunkt. Mit einer Akzentverschiebung in einer Vor-
form *in rechnet dagegen Kieckers 1928: 260.
Doch Kieckers 1934: 119: mediales *e--aí als Vor-
form.

Die Langform ahd. gangan < vorurgerm.
*honghe/o- gehört (mit sekundärer Themati-
sierung) dem ererbten Iterativ-Intensiv-Typ
mit urspr. Reduplikationssilbe im Präs. *dhé-
doh₁ti an (R. Lühr, in Untermann 1984:
25 ff.), *hé-hongh-, hé-hgh-, und bedeu-
tete immer wieder Schritte machen. Die
schwundstufige Form begegnet im Germ. im
Afries. ausschließlich (Steller 1928: § 108)
mit Fortsetzung bis ins Nfries. (vgl. nfries.
güngelen, güngeln umhergehen, schlen-
dern
). Der geographische Zusammenhang
mit ae. nordh. giung- (mit analogischer Palata-
lisierung des g- nach dem Prät. gēong) deutet
hier auf eine nordseegerm. Altertümlichkeit;
vgl. got. wulan neben ahd. wallan wallen
(s. d.) (ähnlich Markey 1981: 162; K.-H. Mot-
tausch, HS 109 [1996], 7680). Ein Kausativ-
Iterativ *hongh-ée- ist im Germ. in ae. gen-
gan reiten, gehen, ahd. ze-gengen zer-
stören
, eigtl. auseinander gehen lassen
fortgesetzt (s. d.).

Für die u-Formen überzeugt weder der Ansatz einer
Proportionsgleichung (subst.) song : gong (neben
gung) = (part.) sungen : X, X = gungen und danach
präs. gunga wegen siunga, stiunka (Th. Siebs, in Paul
1901 ff.: 1, 1182), denn -iu- ist hier Brechungsdi-
phthong; noch die Annahme einer sekundären Ent-
wicklung von -a- zu -u- vor Nasal (so Seebold, Germ.
st. Verben 213. 215).

Heute als überholt geltende Ablautverhältnisse bei den
Vorformen von ahd. gangan bieten A. Meillet, BSL 20
(1916), 27; ders., BSL 23 (1922), 73; R. Loewe, ZVSp
56 (1928/29), 233 f.

Die e-stufige Form erscheint in dem j-Präs.
lit. engiù (< *henghō, alit. auch athem.),
eñgti schreiten, gehen, (hinzu-)treten (o-
stufig in lit. praangà Übertretung, leichtes
Vergehen
), lett. zìegt, refl. zìegtiěs sich ver-
sündigen, sich vergehen
, toch. B tsek-,
tsänk- sich erheben. Zugehörige Substanti-
ve sind ai. ha- n. Schritt, Flügelschlag,
ghā- f. unteres Bein, Unterschenkel (da-
von abgeleitet jaghāla- schnellfüßig,
schnell laufend
), av. zanga-, zǝnga- m.
Fußknöchel, -zangra- (in Komposita),
npers. zang Fuß, schwundstufig ai.
jaghána- m. n. Hinterbacke, Schamgegend;
gr. κοχώνη f. Stelle zwischen den Schen-
keln
(wenn aus *καχώνᾱ < *hghōnā assi-
miliert; J. Schmidt, ZVSp 25 [1881], 16;
ders., ZVSp 32 [1893], 373 f.; ders., IF 32
[1913], 373; anders F. Specht, ZVSp 66
[1935], 197 f.; Güntert 1914: 122: Augen-
blicksbildung
, homerische Wortverdre-
hung
). Die zugrunde liegende Wz. *hengh-
bedeutet schreiten, die davon abgeleiteten
Substantive Schenkelspreize, Schamge-
gend
.

Zum Nebeneinander von Wörtern für gehen und
kommen vgl. Porzig 1974: 147. Heute veraltet Pfei-
fer, Et. Wb.² 411 f.: *gangan sei eine Rückbildung aus
einem urgerm. jan-Verb *gangjan (ahd. zigengen
zergehen machen, vernichten um 1000, mhd. gengen
gehen machen, losgehen, prät. gancte; ae. gengan;
ähnlich Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 181 [nach K. Brug-
mann, IF 32 (1913), 193 f.; ders. (18971930) 1967: 3,
122. 487 f.]: gaggan als Sekundärbildung zum Iterativ
*gaggjan [vgl. aisl. 3.sg.präs. gingr für *gengr nach
Noreen]). Und Porzig (1974: 147) betrachtet das lit.
Verb engiù als Beweis für eine balt. und germ. Neu-
bildung mit dem Suffix je/jo-. Doch unterscheidet
sich urgerm. *gangee/o- in der Ablautstufe von dem
lit. Verb. Wieder anders H. Hirt, PBB 23 (1898),
303 f.: Die o-Stufe in der Vorform von got. gangan
stamme aus dem Subst. (anders ders. 1900: 158).

Eine Anlautdublette *kengh-, die möglicher-
weise durch Dissimilation entstanden ist,
zeigt sich in e-stufigem air. -cing geht (vor-
wärts), schreitet
(3.pl. cengait, neugebilde-
tes perf. cechaing), kymr. rhy-gyng geht im
Paßgang
; dazu auch air. cing, gen. cinged
Krieger, gall. Cingetorīx eigtl. König der
Helden
, und in schwundstufigem air. céimm
(< *kenksmen < vorurkelt. *kgsm), kymr.,
korn., bret. cam(m) Schritt (< *kanksman);
mlat. camīnus Weg, Straße (span. camino,
port. caminho, frz. chemin) aus gall. camm-
ino-?

E. Zupitza, ZVSp 37 (1904), 388; Pedersen [190913]
1976: 1, 187. Fern bleibt arm. gavak Hinterteil (Lidén
1906: 32 f.: zu kymr. gafl Gabel, Schamgegend bei der
Frau
; H. Pedersen, ZVSp 39 [1906], 361 f.).

Walde-Pokorny 1, 542 ff. (ältere Gleichsetzung mit der
Wz. *hē(i)- fehlen, mangeln, leer sein; ebenso Pokor-
ny 418 ff.; H. Hirt, BB 24 [1899], 245). 588; Pokorny
438 f.; LIV² 293 f. 438 f.; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
1, 412. 426. 589; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 1, 411 f.; 2,
813 f.; Bartholomae, Airan. Wb.² 1660. 1688; Frisk, Gr.
et. Wb. 1, 861. 937; 2, 1061. 1095 f.; Chantraine, Dict.
ét. gr. 536. 575. 1239; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1,
217 (air. -cing zu lat. cingō umgürte, umringe, um-
schließe
). 407. 641 f. (wieder mit Vermischung ver-
schiedener Wurzeln); Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 370;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1299 f.; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. 4, 741; Fick 2 (Kelt.)⁴ 77; Holder, Acelt.
Spr. 1, 719. 1017 ff.; Delamarre, Dict. gaul. 85; Ven-
dryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-54 f. 102 f.; Dict. of Irish
1, 100 f. 192 f.; Dict. of Welsh 1, 396; 3, 3138; Winde-
kens, Lex. ét. tokh. 147. N. Stokes, ZVSp 40
(1905/06), 246; Persson 1912: 709 Anm.; Wackernagel
[18961964] 195787: 2, 2, 572; Pedersen [190913]
1976: 1, 187; Weman 1933: 77 f.; M. Leumann, IF 58
(1941/42), 24 ff.; Thurneysen 1980: 162; F. Kortlandt,
NOWELE 15 [1990], 8 f.