gianafenzôn
Band III, Spalte 155
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gianafenzôn sw. v. II, nur in Gl. seit dem
10. Jh.: höhnen, spotten, cavillari, -are Var.:
u-, uu-, w-; -inz-. Das Wort ist wohl ein de-
nominatives Verb zu einem nicht belegten No-
men agentis *anafenz(e)o (s. u.). S. auch giana-
fenzôd
m. Spöttelei, Verhöhnung, cavillatio,
derisio
.

Vergleichbar sind mhd. anvanz Betrug, vanz
Schalk, Betrug, nhd. mdartl. schweiz. fanz
mutwilliger, toller Einfall, Possenmacher, mut-
williger Mensch
, vorarlb. fanz (nur im Pl.)
Neckereien, böswillige Absichten, schwäb.
fanz Neckerei, Späße, Grillen, Possen (pl.),
Kerl, Bursche
, fänz(e)len necken, foppen, aus-
lachen
, bad. fänz (pl.) leere Sprüche, Flausen,
Lügen
, bair. fanz, fenz, nebulo, nequam, fen-
zeln einen zum Besten haben, sich über ihn lu-
stig machen
, rhein. fanz toller Kerl, pfälz. fän-
ze (pl.) dummes Zeug, Possen, Narreteien.
Auch das Mndd. kennt diese Wörter als hochdt.
Fremdwörter: an(e)vanz Possen, Betrug, an-
vanzen angreifen (nur in jüngeren Quellen),
viell. auch vanz Kleinigkeiten, unbedeutende,
wertlose Dinge(?)
(vgl. Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 84. 650).

Die Herkunft dieser Wörter ist dunkel. Sie kön-
nen nicht wie nhd. (veraltet) fant ( fendo) aus
italien. fante Bursche, Fußsoldat, Bauer (< lat.
infantem Kind) entlehnt sein (wie u. a. Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 205 vermuten): schon
im 10. Jh. (!) war diese Sippe in der dt. Sprache
so fest eingebürgert, daß ein zusammengesetztes
Verb dazu gebildet wurde.

Möglicherweise handelt es sich um eine Bildung
mit intensiver Konsonantengemination (vgl.
Krahe-Meide, Germ. Sprachwiss. I § 111) zur
Verbalwz. in ahd. fantôn und findan (s. d. d.).
Die Sippe von ahd. fantôn hat in den älteren
germ. Sprachen eine Vielfalt von (z. T. positiven,
z. T. negativen) Bed.: untersuchen, besuchen,
versuchen, heimsuchen, angreifen
, wohl aus ei-
ner ursprl. Bed. zu finden sich bemühen (zur
Entwicklung der pejorativen Bed. vgl. nhd.
heimsuchen, ne. visit); ahd. bifantôn (s. d.) glos-
siert lat. detractare, wohl in der Bed. verleum-
den, herabsetzen
(Gl. 1, 112, 31 [Abrogans]; vgl.
Splett, Abrogans-Studien 178). Das nahver-
wandte Verb findan (s. d.) bedeutet u. a. ersin-
nen
(oft im Kontext Böses ersinnen; vgl. Not-
ker, Ps. 82, 4 sie fúnden árgen rât . uber dînen
líut); dazu gehören auch findunga und funtan-
nissa
böser, listiger Gedanke, adinventio
(s. d. d.).

Es ist fraglich, ob ein intensives Verb *fanddōn-
> *fant(t)ōn- > *fanzōn sich bemühen, Böses
zu ersinnen
neben fantôn existierte, aber die
Nomina *fanz böse, hinterlistige Absichten,
*fanzo, *fenz(e)o der Boshafte, Hinterlistige
sind wohl für das Ahd. anzunehmen; dazu ge-
hören mhd. anvanz Betrug wie auch ahd.
*anafenz(e)o jmd., der andere auf boshafte,
hinterlistige Weise behandelt
, wozu das Verb
gianafenzôn gebildet wurde. Im Mhd. mischte
sich diese Sippe wohl mit mhd. alevanz Betrug
(< italien. all’avanzo zum Vorteil; vgl. Kluge²⁴
29 s. v. alfanzen).

Spätaisl. fantr Diener, Bote, Strolch gehört
nicht hierher, sondern ist aus mndd. fant (nur in
der Bed. Kriegerschar belegt) entlehnt; vgl.
nhd. (veraltet) fant (s. o.) und fendo.

Ahd. Wb. III, 737; Splett, Ahd. Wb. I, 223; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 371; Starck-Wells 147; Schützeichel,
Glossenwortschatz III, 116; Lexer I, 84; III, 19; Benek-
ke III, 236; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 96 (cavillare);
Dt. Wb. III, 1320; Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 37 f.
Schweiz. Id. I, 877; Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 770; Fi-
scher, Schwäb. Wb. II, 944; Ochs, Bad. Wb. II, 14;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 735 f.; Müller, Rhein. Wb.
II, 293; Christmann, Pfälz. Wb. II, 1039. K. v. Bah-
der, PBB 22 (1897), 527536; O. Weise, Zfdt. Wortf.
3 (1902), 123 f.

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