giht
Band IV, Spalte 278
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gihtAWB mhd. st. n./f., in Gl. 4,414,16
(13. Jh.?; rheinfrk.) und literarisch: Schlag-
anfall, Körperlähmung, Zuckungen, Krämp-
fe, Gicht; paralysis
Var. gith; zur Graphie
th anstelle ht vgl. z. B. naht neben nath;
Braune-Reiffenstein 2004: § 154 Anm. 6.
Der Wandel von anl. /ji/ > /gi/ ist bereits ahd.
(vgl. Paul 1989: §§ 118. 120). Die Konkur-
renz zwischen f. und n. Genus bleibt bis ins
17. Jh. erhalten, dabei ist die n. Genusbe-
zeichnung wohl vom Kollektivum mhd. ge-
gihte n. Gicht, Krämpfe übertragen. Nhd.
Gicht f. Gliederlähmung, Gliederreißen,
Zuckungen, Krämpfe
, seit der Mitte des
19. Jh.s auch medizinischer Terminus zur
Bezeichnung der Arthritis urica (durch
übermäßige Harnsäureansammlung verur-
sachte, krampfartige Gelenkschmerzen).

Ahd. Wb. 4, 256; Splett, Ahd. Wb. 1, 304; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 401. 394 f. (gigiht); Schützeichel⁶ 134;
Starck-Wells 209; Schützeichel, Glossenwortschatz 3,
452; Graff 4, 142 f.; Lexer 1, 1014; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 412 (paralisis); Dt. Wb. 7, 7274 ff.; Kluge²¹ 257;
Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 448. Grimm [187578]
1992: 2, 967 f.; 3, 338; Heyne 18991908: 3, 124 f.;
Höfler 1899: 189 ff.; LM 4, 1442; R. Meringer, WuS 5
(1913), 189. 194; E. Müller-Graupa, Glotta 19 (1931),
57 f.; Wesche 1940: 61 f.; Riecke 2004: 2, 334.

Der mhd. Krankheitsbezeichnung entspre-
chen: mndd. gicht f., Nebenform jicht; mndl.
gicht, jichte f., nndl. jicht f. Gicht; nfries.
jicht Gicht, Rheuma. Vom festländischen
Westgerm., wohl aus dem Mndd., wurde das
Subst. ins Nordgerm. entlehnt: nisl. gigt f.
Gicht, Rheumatismus, ndän. gigt, nschwed.
gikt ds.. Die Variante jicht bildet die Grund-
lage für nisl., nschwed., norw. dial., adän. ikt f.
Das Verbalabstraktum westgerm. *giχdi- mit
dem Fortsetzer des Suffixes uridg. *-ti- (vgl.
auch ahd. fir-giht Lähmung durch Schlagan-
fall
und gi-giht Körperlähmung, Gicht), ist
vom st. Verb V ahd. jehan (s. d.), mhd. jehen
sagen, sprechen < urgerm. *eχe/a- abgelei-
tet. Die -ti-Ableitung bedeutete also ursprüng-
lich Besprechung, die Gicht wäre also eine
angesprochene, angehexte Krankheit eine
Vorstellung, die mittelalterlichen Anschauun-
gen und Vorstellungen von Krankheitsursa-
chen und ihrer Beseitigung durchaus ent-
spricht.

Eine typologische Parallele bietet die Be-
zeichnung Bonda in Äthiopien, die synonym
für Zauberer und Epilepsie verwendet wird
(Schneble 1987: 85).

Fick 3 (Germ.)⁴ 328; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 1, 110; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 107; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 2, 1943 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 280; Vries, Ndls. et. wb. 287; Et. wb. Ndl. F-Ka
572; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 142;
Dijkstra, Friesch Wb. 1, 27; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
1012. 1033; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 309; Niel-
sen, Dansk et. ordb. 156; Ordb. o. d. danske sprog 6,
951; Torp, Nynorsk et. ordb. 241; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 280; Svenska akad. ordb. s. v. Pokorny 503.
RGA² 11, 73 f.; P. Lessiak, ZDA 53 (1912), 101 ff.;
Schneble, a. a. O. 85 ff.; Schröder 1910: 47 ff.; F. Som-
mer, WuS 7 (1921), 102 ff.

Aus dem Mhd. wurde die Krankheitsbezeich-
nung ins Slaw. entlehnt: osorb. jich Gicht
(mit Einordnung in die kons. Stämme vom
Typ kós Knochen; vgl. auch osorb. je
Gischt, das aus mhd. gest, jest entlehnt ist)
und davon abgeleitetes adj. jichtny gichtbrü-
chig
neben osorb., ndsorb. adj. hichny
gichtsüchtig (mit dem sorb. Lautwandel j >
h).

Schuster-ewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 280. 460 f.

Zur Etymologie s. jehan.

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