gimma
Band IV, Spalte 326
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gimma f. ō(n)-St., seit dem 8. Jh., im
Abr und anderen Gl., bei O und NBo, NCat:
Knospe, junger Trieb, Edelstein, Juwel;
gemma, bac(c)a, lapillus (viridis)
Var.: k-,
gymm-. Das Wort ist aus lat. gemma f.
Knospe, Edelstein, Juwel entlehnt. Lat. e
wurde vor der Nasalverbindung zu i gehoben
(vgl. ahd. minza menta, zins census;
Braune-Reiffenstein 2004: § 30b). Die
Graphie y in Gl. 1,622,21 (9. oder 10. Jh.,
frk.) weist wohl auf eine labialisierte
Aussprache des /i/ als [ü], die besonders in
der Nachbarschaft von Nasal oder Liquid
vorkommt (Franck [1909] 1971: 12). In
gummi (Gl. 4,68,10: Ink., 15. Jh.) ist i zu u
verdumpft, eine Erscheinung, die für das
Md. charakteristisch ist (vgl. md. fusche für
fische, zwuschen statt zwischen; Paul 2007: §
L 32; Weinhold [1883] 1967: § 50). Mhd.
gimme, ndrhein. gemme Edelstein, Juwel.
Daneben tritt zunächst unverbundenes
heimisches edel stein, edel gesteine (z. B.
Nib 712,3 édel gesteine, 282,1 edel stein),
das sich im 14. Jh. zu einem festen Deter-
minativkomp. entwickelt und das lat. Lehn-
wort verdrängt. Für das Mhd. ist die Be-
deutung Knospe, junger Trieb schriftlich
nicht überliefert, doch muß sie mündlich
weiter existiert haben, wie frühnhd. gim, ält.
nhd. gimme Propfreis, nhd. mdartl. els.
Auge beim Propfen, Hauptast (von dem
andere Äste abzweigen)
, rhein. Frucht-
knospe, bes. an der Rebe, Keimschößling,
junger Trieb, Edelreis
(vgl. auch das
Diminutiv gimmelchen n. Korinthen-
brötchen
oder die Determinativkomp. gim-
menfresser, -stößer Laufkäfer, der angeblich
die jungen Triebe an Weinstöcken abfrißt
),
siebenbürg.-sächs. Rebentrieb im Frühjahr,
nordsiebenbürg.-sächs. Trieb, Auge an
Pflanzen (vor allem Reben)
(davon
abgeleitetes adj. gimmig knospenreich [von
der Rebe]
) nahelegen. Erst Mitte des
18. Jh.s wird das gleichfalls aus dem Lat.
stammende italien. gemma als nhd. Gemme
(Halb-)Edelstein mit geschnittener bild-
licher Darstellung
neu entlehnt. Auslöser für
die Übernahme des fachsprachlichen Wortes
war das Interesse an Sammlungen antiker
Edelsteingravierungen (vgl. Lessing, Briefe
10, 307 [1768]).

Ahd. Wb. 4, 260 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 305; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 421; Schützeichel⁶ 134; Starck-Wells
214; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 454; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 984; Seebold, ChWdW8
145; Graff 4, 198; Lexer 1, 1016 f.; 3, Nachtr. 212;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 69 (bac[c]a). 286 (gemma).
367 (lapillus [viridis]); Dt. Wb. 7, 7510; Kluge²¹ 247;
Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 421; Schulz-Basler
191383 : 1, 240. Heyne, 18991908: 3, 351; RGA²
11, 11 ff.; Jeep 1987: 47. Martin-Lienhart, Wb. d.
els. Mdaa. 1, 218 f.; Müller, Rhein. Wb. 2, 1233;
Rhein. Wb. 9, 1252 (Nachträge); Siebenbürg.-sächs.
Wb. 3, 243; Nordsiebenbürg.-sächs. Wb. 2, 1257 f.

Lat. gemma Edelstein, Juwel wurde in wei-
tere germ. Sprachen entlehnt: mndd. gimme
Edelstein, Juwel, Glanz, Gefunkel, mndl.
gemme, gimme Edelstein, Juwel und ae.
gim(m) m. Gemme, Edelstein, Juwel, meta-
phorisch Sonne, Stern (vgl. isl. fagr-gim
Sonne). Im Me. wurde das Wort in der
gleichen Bedeutung unter dem Einfluß von
afrz. gemme, geme neu entlehnt: me. gemme,
ne. gem. Vom Engl. gelangte das Lehnwort
ins Nordgerm.: aisl. gimr m. Edelstein (nur
poet.), wesentlich häufiger sind aisl. gim-
stein, nisl. gimsteinn, fär. gimsteinur,
aschwed. gimstēn, adän. gemstēn, die aus ae.
gimstān Edelstein übernommen sind (Fi-
scher 1909: 189. 47), ndän. gemme (Halb-)
Edelstein
, nschwed. gem ds..

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 115; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 2, 1362 f.; Holthausen, Ae. et. Wb.
126. 131; Bosworth-Toller, AS Dict. 418. 477; Suppl.
467; Suppl. 2, 37; ME Dict. s. v.; OED² s. v. gem n.;
Vries, Anord. et. Wb.² 167; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
240. 1012; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 1,
597; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 85; Ordb. o.
d. danske sprog 6, 762; Svenska akad. ordb. s. v.

Außerhalb des Germ. wurde lat. gemma ins
Kelt. übernommen: air. gemm Gemme,
Edelstein
, kymr. gem Gemme, Juwel, Per-
le
.

Lat. gemma ist im Roman. in der urspr. Be-
deutung Knospe, Auge als auch in der
übertragenen Edelstein (wegen der rundli-
chen Form geschnittener Steine) fortgesetzt:
piem. gemma, katal., port. gema, span. yema
Knospe, Auge (span. auch Eigelb). Afrz.,
mfrz. jamme (12.15. Jh.), nfrz. gemme be-
deuten sowohl Sprosse (nfrz. nur dialektal)
als auch Edelstein. Italien. gemma, die Ent-
lehnungsbasis für nhd. Gemme (s. o.), kommt
nur in der Bedeutung Edelstein, Juwel vor.

Lat. gemma (wohl < uridg. *embh-mah₂-)
ist von der Wz. uridg. *embh- schnappen,
beißen, zerbeißen
(vgl. z. B. aksl. zt [zti]
zerreiße < *émbh-e-, ved. Kaus. jam-
bháyati macht starr < *ombh-ée-) abgelei-
tet, die sich im Lat. zu aufbrechen, knospen
entwickelte.

Walde-Pokorny 1, 575 f.; Pokorny 369; LIV² 162 f.;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 587 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 269; Thes. ling. lat. 6, 2,
1753 ff.; Du Cange² 4, 51; Körting, Lat.-rom. Wb.³
Nr. 4208; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3725;
Wartburg, Frz. et. Wb. 4, 94 f.; Gamillscheg 1979:
474; Dict. of Irish G-65; Dict. of Welsh 2, 1391. P.-
A. Mumm, FS Seebold 1999: 295312 (zu einzel-
sprachlichen Bedeutungen der Wz. uridg. *embh-
schnappen, beißen, 295 Anm. 1. 308 nur kurze Er-
wähnung von lat. gemma).

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