gingên
Band IV, Spalte 340
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gingên sw. v. III (auch II?; s. u.), nur O
und Gl. seit dem 10. Jh.: Verlangen haben,
sich sehnen, streben (nach); imitari, maestus
(aliquid) requirere, sequi
. Das Part.Präs.
ginganti, -ainti, -aonti, -ati Gl. 2,65,52. 71,24
(s. T. Starck, FS Ford 1948: 306, 36) zum
Lemma maesta requiret kann zu einem sw.
Verb II *gingôn (zu gingo; s. u.) gehören.
Auch die Glossierung ist problematisch;
nach Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 386 trauernd
Verlangen haben (nach)
. Vgl. Ahd. Wb. 4,
264. gigingên?, nur Gl. 2,58,56 (10. Jh.):
erstreben, hinstreben; adspirare. gingo m.
n-St., nur O und Gl. 2,247,56 (9. Jh.):
Verlangen, Bestreben, Absicht; intentio
(mhd. ginge sw. m., st. f. Verlangen).

Ahd. Wb. 4, 264 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 305; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 424; Schützeichel⁶ 134; Starck-Wells
215; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 456; Graff 4,
217; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 58 (aspirare). 347 (inten-
tio). 386 (maestus). 605 (sequi).

Die Wörter gehören wohl zu einer idg. Wz.
*gheh₁-gh- oder *ghe-k-, einer Erweiterung
der Wz. *gheh₁- gähnen, klaffen, lechzen
(nach)
( gîr, gîra) mit germ. expressiver
Nasalierung
(vgl. Lühr 1988: 111 f.); ohne
Nasalierung got. gageigan gewinnen;
κερδῆσαι
, faihugeigan begehren; ἐπιϑυ-
μεῖν
. Außergerm. sind ai. jéhamāna-
gähnend und lit. iógauti gähnen zu ver-
gleichen.

Hierher gehören wohl auch aisl. geiga
seitwärts abweichen, nnorw. geiga hin und
her schwanken
, aisl. geigr Schade, Verlet-
zung
; afries. geia übertreten, Buße zahlen;
ae. gāgol ausgelassen, ausschweifend, for-,
ofergǣgan abweichen, überschreiten, mit
einer Bed.entwicklung etwa aufklaffend,
auseinanderstehend, lose gefügt > locker, un-
stet, schwankend
(vgl. Wissmann 1932:
41 f.).

Weniger wahrscheinlich Lühr, a. a. O.: urspr. Bedeu-
tung sich unstet bewegen > sich vor Begierde unstet
bewegen > begehren
.

Der Ansatz einer zweiten idg. Wurzel *ghegh- mit ve-
larem *gh (Pokorny 427) erübrigt sich, denn lit
(ãpmaud) giti Groll hegen, pagieà Rachgier
usw. sind nicht verwandt (vgl. Fraenkel, Lit. et. Wb.
129 s. v. gaiùs).

Th. Krisch, HS 103 (1990), 125 deutet gingên als
*ga+ing+ēn und got. gageigan als *ga+ga+eigan,
zur Wz. von ahd. eigan, êht (s. d.), aber die Annahme
einer vorgot. Synkope des *a in *ga- ist kaum zu
rechtfertigen.

Abzulehnen ist auch Orel 2003: 134: aus *gingēnan,
got. gageigan aus *gēgēnan a reduplicated derivative
of *giēnan
( ginên).

Die Bed. von anaging (s. d.) bei O (V,20,98) ist nicht
ganz klar. Die gewöhnliche Übersetzung Angriff
steht in keinem Zusammenhang mit der Bed. von
gingên. Es handelt sich vielleicht um ein Reimwort
(githuinge : anaginge), das keine feste Bedeutung hat,
wie bei sachôn in der vorhergehenden Zeile ([ánabre-
chon] mit égislichen sáchon = auf schreckliche Art;
vgl. Kelle [185681] 1967: 3, 499). Wissmann 1975:
105 versucht, die Deutung Angriff, Drohung zu
rechtfertigen, indem er gingên als verfolgen, wonach
streben
definiert, aber gingên hat sonst nie die Be-
deutung verfolgen (im negativen Sinn). Eigentlich
braucht anaging an sich keine ausschließlich negative
Bedeutung zu haben; diese liegt vielmehr im Adj.
svâri bedrückend. Wenn anaging etwa Ausführung
einer Absicht jemandem gegenüber
bedeutet (vgl.
gingo intentio), ließe sich die Stelle vielleicht als
mit einer schweren Heimsuchung deuten.

Fick 3 (Germ.)⁴ 134; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 181;
Lehmann, Gothic Et. Dict. G-17; Vries, Anord. et.
Wb.² 160 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 302 f.; Holthau-
sen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 82; Torp, Nynorsk et.
ordb. 150; Holthausen, Afries. Wb.² 34; ders., Ae. et.
Wb. 121. 123; Bosworth-Toller, AS Dict. 310. 359.
733; Suppl. 242. 279. 658. Walde-Pokorny 1, 548 ff.
552; Pokorny 419 ff. 427; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. 1, 444; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 1, 598;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1311 f.

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