gleifen
Volume IV, Column 483
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gleifen sw. v. I, nur in Gl. (1. Beleg aus
der 2. Hälfte des 9. Jh.s) und nur als
Part.Prät.Pass.: schräg; obliquus Var.:
Verschreibungen gilesitǒ, gigleist-, gisleist-,
gileist-. Mhd. gleifen schräg sein, hin-
und herirren
, frühnhd. gleifen sw. v. ab-
schrägen
, nhd. mdartl.: schwäb. gleifen mit
einer Schräge versehen
, hess. gleifen sw. v.
eine Wand abschrägen, übertragen aus ei-
nen Winkel bilden
, osächs. gleifen die Bei-
ne spreizen
, schles. gleifen sw. v. spreizen,
zergleifen die Beine spreizen, sich dehnen,
sich geziert benehmen
.

Ahd. Wb. 4, 303; Splett, Ahd. Wb. 1, 309; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 479; Schützeichel⁶ 135; Starck-Wells
231; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 472 f.; Graff
4, 293; Raven 196367: 1, 58; Riecke 1996: 430; Le-
xer 1, 1031; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 439 (obliquus);
Dt. Wb. 7, 8283 f. Fischer, Schwäb. Wb. 3, 689;
Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 2, 1387; Müller-Frau-
reuth, Wb. d. obersächs. Mdaa. 1, 425; Mitzka,
Schles. Wb. 1, 428; 3, 1532.

Ahd. gleifen ist entweder ein denominatives
Verb zu adj. gleif (s. d.) oder vom erst mhd.
belegten st. v. I glîfen schräg, abschüssig
sein
< westgerm. *glepe/a- gebildet. Vom
st. Verb glîfen sind mhd. glipfen gleiten,
nhd. glipfen gleiten, ausgleiten abgeleitet,
die in mndd., nndd. glippen gleiten, entglei-
ten
, nfries. glippe auf einer Schräge glei-
ten
, ndän. glippe mit den Augen blinzeln <
urgerm. *lippō-/ia- eine Entsprechung ha-
ben. Zugehörig ist auch mndl. glippe f. Rit-
ze, Spalt
< *lippōn-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 148 f.; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 245; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2,
1, 121 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 204; Suppl. 59;
Vries, Ndls. et. wb. 211; Et. wb. Ndl. F-Ka 292;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 1, 640;
Vries, Anord. et. Wb.² 173; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
379; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 88; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 328; Nielsen, Dansk et.
ordb. 158; Ordb. o. d. danske sprog 6, 1077 f.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 163; Hellquist, Svensk et. ordb.³
285 f.

Als urverwandt mit den westgerm. Wörtern
werden nruss. glipat’ schauen, sich umse-
hen
, ukrain. hłpaty blinzeln, matt blicken,
hłpnuty einen Blick werfen betrachtet,
wobei man von den Wurzelvarianten uridg.
*ghlib- und *ghlip- ausgeht (Vasmer, Russ.
et. Wb. 1, 274). Hält man an der Verbindung
der germ. mit den slaw. Wörtern fest, könnte
eine gemeinsame Wz. vorurslaw., vorur-
germ. *ghlep- glänzen vorausgehen. Ur-
germ. *p wäre dann aus einer Intensivbil-
dung *lipp-ō-/ia-, fortgesetzt in mndd.
glippen, mhd. glipfen, hervorgegangen. Aus
der Grundbedeutung glänzen müßten sich
die Bedeutung blicken und über glatt sein
auch die Bedeutung gleiten entwickelt ha-
ben. Doch nehmen Falk-Torp (in Fick 3
[Germ.]⁴ 148) wegen der Bedeutung Ritze,
Spalt
von mndl. glippe zu Recht an, daß die
Bedeutung offen stehen von nnorw. dial.
glipa sich aus der Bedeutung schräg sein,
Winkel bilden
(mndd. glp schief, schräg)
entwickelt hat. In diesem Fall entspricht
ndän. glippe mit den Augen blinzeln nicht
unmittelbar der Bedeutung von ukrain.
hłpaty blinzeln, matt blicken, da sich die
Bedeutung blinzeln im Ndän. aus der Bed.
oft öffnen (vgl. nschwed. dial. glippa oft
öffnen
) ergeben haben dürfte.

Wahrscheinlich ist die Wurzel *līp- glei-
ten
also überhaupt nicht mit den slaw. Wör-
tern zu verbinden, sondern erst im Germ.
entstanden. Nach dem Vorbild von urgerm.
*slīđ- und *slīp- gleiten könnte zur Wz.
*līđ- ein *līp- gleiten gebildet worden
sein (Lühr 1988: 355).

Berneker, Slav. et. Wb. 1, 304; Trubaev, Et. slov.
slav. jaz. 6, 127 f.

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