gougal
Volume IV, Column 548
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gougalAWB n. a-St., nur BWG, BWB, Npg
und Gl. seit dem 12. Jh.: Zauberei, Blend-
werk; praestigium
Var.: c-, k-; -ǒ-, -o-, --;
-k- (Dissim. gegen den Anlaut), -ch-; -el,
-il. Mhd. gougel, goukel n. dss., auch
närrisches Treiben, Possen, nhd. (veraltet)
Gaukel m. f. Possen, Hanswurst.

Ahd. Wb. 4, 371 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 316; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 485; Starck-Wells 235. 819; Schütz-
eichel⁶ 138; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 10;
Graff 4, 134; Lexer 1, 1059; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
514 (praestigium); Dt. Wb. 4, 1548 f.; Kluge²¹ 236
(s. v. gaukeln); Kluge²⁴ s. v. gaukeln; Pfeifer, Et. Wb.²
402 (gaukeln).

Ahd. gougal hat nur im Mndd. eine Entspre-
chung: mndd. gōkel- in Zss. wie gōkelman
Gaukler, Taschenspieler, Narr, gōkelspil
Gaukelspiel, Taschenspielerei usw. (aus
dem Mndd. entlehnt sind ndän. gøgl Nar-
renpossen, Spaß
, nschwed. gyckel Scherz,
Spaß
).

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 131; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 131; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 322; Nielsen, Dansk et. ordb. 169; Ordb. o. d.
danske sprog 7, 494 f.; Hellquist, Svensk et. ordb.³
314 f.

Das Wort war also aufs Dt. beschränkt und
ist erst seit dem 11. Jh. belegt. Die Ableitung
gougalri Zauberer (s. d.) kommt dagegen
schon im 8./9. Jh. vor und hat Entsprechun-
gen in manchen anderen germ. Sprachen
(vgl. bes. as. geōgelere Zauberer). Da die
Etymologie dieser Wörter dunkel ist, hat
man früher vermutet, daß gougalri aus lat.
ioculator Spaßmacher entlehnt worden sei
(z. B. Schade 1882: 344; Wesche 1940: 28);
also wäre gougal offenbar als eine Rückbil-
dung zu erklären. Aus semantischen (wie
auch lautlichen) Gründen scheint aber solch
eine Entlehnung ausgeschlossen zu sein. Die
lat. Sippe hat nur die Grundbed. Scherz,
Spaß
, während die germ. Wörter eine
Grundbed. Zauberei voraussetzen (nur in
ein paar späten Hss. der Canonesgl. [Gl.
2,119,19: 10.11./12. Jh.] hat gougalri die
jüngere Bedeutung Schauspieler, Mime;
scaenicus
; zur späteren Bed.entwicklung
s. u.). Wenn die germ. Wörter tatsächlich aus
dem Lat. entlehnt sind, dann wäre eher an
mlat. cauclearius Zauberer (Wetterzaube-
rer?)
zu denken (vgl. Mittellat. Wb. 2, 387;
H. Mordek und M. Glatthaar, AKG 75
[1993], 39 und Anm. 29), aber dieses selte-
ne, spät bezeugte Wort könnte ebensogut aus
obd. cauc(a)lari entlehnt sein.

Versuche, die Sippe auf einen germ. Ur-
sprung zurückzuführen, sind bisher mißlun-
gen, weil sie die jüngere Bed. der mhd.,
mndd. und nhd. Wörter als Ausgang nehmen
und diese Wörter daher mit einer anderen,
wohl nicht verwandten Sippe verknüpfen (
gougarôn).

Deshalb ist Verwandtschaft mit ahd. gouh Kuckuck,
Narr
, nhd. Gauch abzulehnen (vgl. Weigand [1909
10] 1968: 1, 630; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 207; da-
gegen Vries, Ndls. et. wb. 214); auch der Ansatz einer
idg. Wz. *gheugh- spielend oder ausgelassen sich
umhertreiben, ulken, Possen treiben
bei Walde-
Pokorny 1, 566 (nicht mehr bei Pokorny!), der auf ei-
ner falschen Deutung von ahd. gougalôn und ae. geō-
gelere, mehreren späten (mhd., mndl.) Belegen, die
wohl zu einer anderen Sippe gehören, und nur einem
(falschen) außergerm. Vergleich (lett. gaugties; vgl.
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 1, 694; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 116 f.) beruht.

Ein Vergleich mit anderen idg. Wörtern mit
der Grundbed. Zauber(ei), (be-)zaubern
zeigt, daß sie oft auf Wurzeln mit Bed. wie
rufen, anrufen, (be-)singen zurückgehen
(vgl. ahd. [bi-]galan, galstar [s. d.], lat. in-
cantare). Es gibt auch eine idg. Wz.
*ha(ǝ)- rufen, anrufen (Pokorny 413 f.),
zu der lit. avéti (be-)zaubern, besprechen,
verwünschen
, lett. zavēt zaubern, hexen
und av. zauuaiti ruft an, verwünscht gehö-
ren. Hierher zu stellen sind auch die expres-
siven Iterativbildungen
av. zaozaomi rufe
nach, herbei
, gr. καυχάομαι rühme mich,
prahle
(< *hagha[]-); vgl. Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 803 f. (nach Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. 3, 586 sind av. zaozaomi und ai.
johavīti ruft an unabhängige Bildungen, die
nicht unmittelbar mit gr. καυχάομαι zu ver-
knüpfen sind). Ahd. gougal < urgerm.
*gaug- (+ l-Suffix wie bei ahd. sezzal, stap-
fal
usw. [s.dd. und vgl. Wilmanns [190630]
1967: 2, § 205 ff.]) entspricht der Form nach
den gr. und av. Wörtern mit Reduplikation
und der Bed. nach den lett. und av. Wörtern
ohne Reduplikation. Für Verben mit der Bed.
zaubern wäre eine expressive Iterativbil-
dung
bestimmt geeignet. Diese Etymologie
kann aber nicht als sicher gelten, weil genaue
außergerm. Entsprechungen fehlen. Möglich
wäre auch eine idg. Wz. *ha-gh- mit *-gh-
Erweiterung, die aber sonst nicht bezeugt ist.
Die Bed.entwicklung der jüngeren (mhd.,
nhd., mndd.) Belege ist wohl mehreren Ur-
sachen zuzuschreiben: erstens hat man nicht
immer einen scharfen Unterschied gemacht
zwischen echtem Zauber und der Taschen-
spielerei eines Jahrmarktskünstlers; zweitens
ist wohl mit dem Einfluß von lat. ioculator
zu rechnen; drittens hat (bes. im Ndd.) das
Wort gouh Narr (ndd. gōk neben gōkel-)
die Bedeutung beeinflußt; viertens sind z. T.
zwei gleichlautende Sippen zusammengefal-
len: germ. *gaug-¹ zaubern und gaug-²
müßig, undiszipliniert, ausgelassen sein (
gougarôn).

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