gund(e)râba
Band IV, Spalte 686
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

gund(e)râba f. n-St., Gl. 5,42,15
(10. Jh.); 3,719,35 (13. Jh.); 4,180,11
(14. Jh.); gund(e)ram m. a-St., in Gl. des
12.14. Jh.s; gund(e)reba f. n- (und ō-?)St.,
in zahlreichen Gl. seit dem 9./10. Jh.; gunde-
rebo
m. n-St., in vier Gl. des 12. und
13. Jh.s: Gundermann, Gundelrebe; acer,
acero, -a, -um, acer herba, hedera terrestris,
furfuga, gamandrea
Var.: gunt-, cund-,
cunt-, cunde-, gundi-, -grunde (s. u.); -raua,
-raue; -reua, -rebha, -repa (mhd. gundere-
be sw. f., nhd. mdartl. [obd.] gundreb[e],
[preuß.] gund[e]ram; mndd. gund[e]ram,
-an; mndl. gond[e]rave; vgl. nhd. Gundelre-
be; mndd. gundelrēve, -rāve).

Ahd. Wb. 4, 475 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 332. 721. 729.
730; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 498; Schützeichel⁶ 142;
Starck-Wells 243. 244. XLII. 820. 849; Schützeichel,
Glossenwortschatz 4, 80 ff.; Graff 4, 220; Götz, Lat.-
ahd.-nhd. Wb. 9 (acer²). 69 f. (balsamita). 282 (furfu-
ga). 285 (gamandrea). 301 (hedera terrestris); Lexer
1, 1119; Dt. Wb. 9, 1102 ff.; Kluge²¹ 277; Kluge²⁴ s. v.
Schweiz. Id. 6, 43; Fischer, Schwäb. Wb. 3, 925;
Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 921; Lexer, Kärnt. Wb.
127; Schöpf, Tirol. Id. 224; Unger-Khull, Steir. Wort-
schatz 314 f.; Frischbier, Preuß. Wb. 1, 252. Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 187; Verwijs-
Verdam, Mndl. Wb. 2, 2062. R. Loewe, PBB 60
(1936), 164 ff.; Marzell [194358] 2000: 2, 698 ff.;
Sauerhoff 2003/04: 289; Hornbruch 1996: 106 f.

Zum zweiten Bestandteil -reba, -rebo, ablau-
tend -râba reba. Die Etym. des ersten Be-
standteils ist umstritten. Früher wurde er we-
gen des medizinischen Gebrauches (Mar-
zell, a. a. O. 2, 699; Dt. Wb. a. a. O.) als ahd.
gunt Eiter, eiterndes Geschwür (s. d.) ge-
deutet. Der Gundermann war zwar eine be-
liebte Heilpflanze, die für allerlei Krankhei-
ten gut sein und auch magische Kräfte haben
sollte (vgl. Marzell, a. a. O. 2, 705 f.; ders.
[1938] 1967: 195 ff.), aber ihr wird nie wie
z. B. dem Huflattich (Tussilago farfara L.)
ausdrücklich die Kraft zugeschrieben, Eiter
aus der Wunde zu ziehen
(vgl. Marzell
[194358] 2000: 4, 865: Eiterblätter,
-zieher). gund kann hier auch nicht als Gift
gedeutet werden (vgl. die Bezeichnung Ei-
terwurz für den Echten Sturmhut; Marzell,
a. a. O. 1, 105), denn der Gundermann ist
keine Giftpflanze.

Wahrscheinlicher ist die zuerst von R. Loe-
we, a. a. O. vorgeschlagene und von Kluge²¹
und Kluge²⁴ aufgenommene Erklärung, die
eine urspr. Form *grunt(e)reba eine Pflanze,
die sich an den Grund klammert wie die Re-
be an Stamm und Mauer
( grunt, reba)
ansetzt; vgl. lat. hedara terrestris, nhd. Erde-
feu, ne. ground ivy. Durch Dissimilations-
schwund des vorderen r entstand dann
gunt(e)reba. Die Formen mit Fugenvokal
sind uneigentliche Komposita (vgl. Gröger
1911: 40 f. 45 und brantestoc,
brant[e]reita). Der erste Bestandteil wurde
dann nicht mehr mit grunt assoziiert, son-
dern mit dem PN Gunter, Gunder und Gunt-,
Gund- in Zss. wie Gunt(e)ram, Gund(e)ram
verbunden: Die Pflanzen in der unmittelba-
ren Nähe der menschlichen Hofstatt ... stellte
sich das Volk als Verkörperungen von See-
lengeistern (Hausgeistern) vor, daher lehnte
das Volk gern solche Pflanzennamen an die
Namen dieser an ...
(Marzell [1938] 1967:
195). Die Formen mit -d- statt -t- (Grunde-
reba usw.) spiegeln wohl die Varianten des
PN wider (s. o. und vgl. Förstemann [1900
16] 196667: 1, 702 ff.) und brauchen nicht
auf gramm. Wechsel in grunt (oder gunt) zu-
rückgeführt werden.

Zunächst wurde nur der erste Bestandteil an
die PN angelehnt, aber im 12. Jh. wurde die
Pflanzenbezeichnung gelegentlich zu gun-
d(e)ram umgebildet, bes. in md. Quellen
(vielleicht von norddt. Varianten wie gund-
raua [s. o.] beeinflußt?). Seit dem 17. Jh.
wurde gundram weiter zu gundermann um-
gebildet, das neben gundelrebe zur heutigen
Bezeichnung geworden ist.

Information

Band IV, Spalte 686

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemmata: