hût f. i-St., seit dem letzten Viertel des
8. Jh.s, in Gl., PG, Ph, bei O, N, Npg: ‚Haut,
Fell, Trieb [am Weinstock], Schale [vom
Gerstenkorn]; byrsa, corium, cutis, exuviae,
melos, pellis, spolium, tegimentum, tergum,
tergus‘ 〈Var.: -uu-, -u-, -uh-, -uo-, -iu-, -ui-;
-ht, -tt-〉. Der Akk.Pl. auf -a anstelle von -i
(Gl. 1,332,43—46 [12. Jh., bair., alem.]) ist aus
der f. ō-Deklination übernommen (Schatz
1907: § 110d). Wie híute (gen.dat.sg.,
nom.akk.pl.), híuto (gen.pl.) und híuten
(dat.pl.) zeigen, ist bei N regelmäßig Umlaut
des û eingetreten (Braune-Reiffenstein 2004:
§§ 42. 218 Anm. 1), mitunter kommt für iu
auch ui vor (Braune-Reiffenstein 2004: § 42
Anm. 1). — Mhd. hût st. f. ‚Haut, Fell‘, auch in
Wendungen: sîne hût geben, die hût wagen
‚das Leben im Kampf wagen‘ und der Zwil-
lingsformel hût und hâr, die urspr. zur Be-
zeichnung eines Strafmaßes verwendet wurde,
bei dem der Betroffene gestäupt und gescho-
ren wurde, heute in mit Haut und Haar ‚völ-
lig, ganz und gar‘, einer alten Rechtsformel in
den germ. Sprachen (s. u.), als Schimpfwort
(besonders auf Frauen bezogen): ein bœse hût,
nhd. Haut ‚umhüllende Schicht, Schale‘, in
zahlreichen Wendungen wie nicht aus seiner
Haut können ‚sich nicht anders verhalten kön-
nen‘, nur die nackte Haut retten ‚bei einem
Unglück alles verlieren bis auf das Leben‘,
etwas geht unter die Haut ‚etwas geht nahe‘.
Ahd. Wb. 4, 1431 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 418; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 575; Schützeichel⁶ 172; Starck-Wells
296. 822; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 476 f.;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 138. 486. 600 (II).
1015; Seebold, ChWdW8 167; Graff 4, 806 f.; Lexer 1,
1408 f.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 154 (corium). 167
(cutis). 399 (melos ‚dahshût‘). 473 (pellis). 625 (spo-
lium); Dt. Wb. 10, 701 ff.; Kluge²¹ 295; Kluge²⁴ s. v.;
Pfeifer, Et. Wb.² 517. — Grimm [1899] 1992: 2, 287;
LM 4, 1976; Röhrich 2004: 1, 680 ff.
Ahd. hût hat in weiteren westgerm. Sprachen
und im Nordgerm. Entsprechungen: as. hūd
‚Haut, Hülle, Rinde‘, mndd. hūt ‚Haut, Fell‘;
mndl. huut, nndl. huid ‚Haut, Fell‘; afries.
hēd(e), hūd ‚Haut‘, nfries. hūd ‚Haut, Fell,
Balg‘; ae. hȳd ‚Haut, Fell‘ (mit i-Umlaut von
ū; Brunner 1965: § 103), me. hǖde ‚Haut,
Fell‘, ne. hide ‚Haut, Fell‘, ‚Unverschämtheit‘
(bei elliptischem Gebrauch von thick hide
‚dicke Haut‘); aisl. húð f. ‚Haut [des Groß-
viehs]‘, nisl., fär. húð, nnorw. hud, aschwed.
hūþ, nschwed., ndän. hud ‚Haut, Fell‘. Die
germ. Wörter setzen einen urspr. suffixbeton-
ten f. -ti-St. urgerm. *χūđi- fort.
West- und nordgerm. ist die auf einen alten Rechts-
brauch zurückgehende Zwillingsformel mhd. hût und
hâr (s. o.), mndl. te hude ende hare ‚Leibesstrafe‘, huut
ende haer ‚die ganze Persönlichkeit eines Menschen‘,
nndl. huid en haar ‚völlig, ganz und gar‘, me. hǖde and
hēou ‚Haut und Haar‘ (eigtl. ‚Haut und Farbe, Gestalt‘),
ne. (in) hide and hair ‚völlig, ganz und gar‘ (gegenteili-
ges neither hide nor hair ‚überhaupt nichts‘), dän.,
norw. hud og haar ‚mit Haut und Haar‘.
Fick 3 (Germ.)⁴ 92; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 312 (s. v. [-]hūma); Holthausen, As. Wb. 37;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 195; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 401 f.; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 344; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 771 f.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 266; Suppl. 73; Vries, Ndls.
et. wb. 271; Et. wb. Ndl. F-Ka 473 f.; Holthausen,
Afries. Wb.² 40; Richthofen, Afries. Wb. 802; Fryske
wb. 9, 117 ff.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr.
1, 111; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 541; Holthausen, Ae. et.
Wb. 183; Bosworth-Toller, AS Dict. 578; Suppl. 584;
ME Dict. s. v.; OED² s. v. hide n.¹; Vries, Anord. et.
Wb.² 264; Bjorvand, Våre arveord 400 f.; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 818; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2,
76; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 131; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 425; Nielsen, Dansk et. ordb. 188;
Ordb. o. d. danske sprog 8, 566 ff.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 224; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 366; Svenska
akad. ordb. s. v. — Kluge 1926: § 123 Anm. 1; Krahe-
Meid 1969: 3, § 123, 3. — P. van Wely, Nph 1 (1916),
145 und Anm. 3.
Ahd. hût usw. < urgerm. *χūđi- und seine au-
ßergerm. Verwandten sind Fortsetzer eines
urspr. proterodynamischen ti-St. st. Kasus
*(s)kéu̯H-ti-, sw. Kasus *(s)kuH-téi̯-/instr.sg.
*(s)ku(H)-ti̯éh₁, wobei einzelsprachlich je-
weils unterschiedliche Stammformen verall-
gemeinert wurden. Urgerm. *χūđi- und toch.
A kāc ‚Haut‘ < urtoch. *kwāc gehen auf vor-
urgerm., vorurtoch. *(s)kuH-téi̯- zurück (vgl.
J. Hilmarsson, ZVSp 98 [1985], 162 f.).
In den balt. Sprachen ist ein *-to-/-tah₂-
Abstraktum mit hochstufiger Wz. fortgesetzt:
lit. kiáutas ‚Schale, Gehäuse, Hülle, Hülse‘,
apreuß. keuto f. ‚Haut‘ führen über urbalt.
*kēu̯tas, kēu̯tā auf vorurbalt. *(s)kéu̯H-to-/
tah₂-.
Das Part.Prät.Pass. uridg. *skuH-tó- ‚gedeckt‘
hat wohl in gr. σκῦτος n. ‚die zubereitete Haut,
Leder, Lederriemen‘ eine Kontinuante. Dabei
muß bei der Substantivierung ein Akzent-
wechsel *(s)kúH-to- ‚Gedecktsein‘ eingetreten
sein (freundlicher Hinweis von S. Neri). Die
gleiche Vorform ist wohl auch für mkymr. es-
kit, esgit, nkymr. esgid, korn. esgid ‚Schuh‘ <
urkelt. *ped-skūt- anzunehmen. In gr. ἐγ-
κυτί(ς) ‚bis auf den Leib, die Haut‘ könnte der
Laryngal Schwund im Kompositum erfahren
haben.
In kurzvokalischem lat. cutis f. ‚Haut, Vor-
haut, Leder, Oberfläche, Hülle‘, lit. kutỹs
‚Beutel um den Leib, Geldkatze‘ und gr. κύτος
n. ‚Rundung, Wölbung, Gefäß, Rumpf, Leib‘
dürfte vorurit., vorurbalt., vorurgr. *(s)ku(H)-
ti̯eh₁- verallgemeinert sein.
Ein ähnliches Paradigma nimmt Peters (in
Bammesberger 1988: 378) an: Er erwägt für
‚Haut‘ ein urspr. ablautendes Paradigma
*ku̯éh₃-ti-/*kuh₃-téi̯-s/*ku(h₃)-ti̯-éh₁ (anders
Schrijver 1991: 239 f. 351. 353. 531).
Schon vor dem Aufkommen der Laryngaltheorie war
ein Zusammenhang der oben behandelten Wörter gese-
hen worden, doch konnte die unterschiedliche Quantität
des Wurzelvokals nicht erklärt werden.
Walde-Pokorny 2, 549; Pokorny 952; Frisk, Gr. et. Wb.
2, 57. 744 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 603. 1025; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 320; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 161; Thes. ling. lat. 4, 1578 ff.; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 132; Fraenkel, Lit. et. Wb. 248 (s. v. kẽvalas).
323; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 357; Dict. of
Welsh 1, 635 (s. v. cwd¹). — Th. Siebs, ZVSp 37 (1901),
282; Persson 1912: 181. 183.
S. skiura.