hût
Volume IV, Column 1296
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hût f. i-St., seit dem letzten Viertel des
8. Jh.s, in Gl., PG, Ph, bei O, N, Npg: Haut,
Fell, Trieb [am Weinstock], Schale [vom
Gerstenkorn]; byrsa, corium, cutis, exuviae,
melos, pellis, spolium, tegimentum, tergum,
tergus
Var.: -uu-, -u-, -uh-, -uo-, -iu-, -ui-;
-ht, -tt-. Der Akk.Pl. auf -a anstelle von -i
(Gl. 1,332,4346 [12. Jh., bair., alem.]) ist aus
der f. ō-Deklination übernommen (Schatz
1907: § 110d). Wie híute (gen.dat.sg.,
nom.akk.pl.), híuto (gen.pl.) und híuten
(dat.pl.) zeigen, ist bei N regelmäßig Umlaut
des û eingetreten (Braune-Reiffenstein 2004:
§§ 42. 218 Anm. 1), mitunter kommt für iu
auch ui vor (Braune-Reiffenstein 2004: § 42
Anm. 1). Mhd. hût st. f. Haut, Fell, auch in
Wendungen: sîne hût geben, die hût wagen
das Leben im Kampf wagen und der Zwil-
lingsformel hût und hâr, die urspr. zur Be-
zeichnung eines Strafmaßes verwendet wurde,
bei dem der Betroffene gestäupt und gescho-
ren wurde, heute in mit Haut und Haar völ-
lig, ganz und gar
, einer alten Rechtsformel in
den germ. Sprachen (s. u.), als Schimpfwort
(besonders auf Frauen bezogen): ein bœse hût,
nhd. Haut umhüllende Schicht, Schale, in
zahlreichen Wendungen wie nicht aus seiner
Haut können sich nicht anders verhalten kön-
nen
, nur die nackte Haut retten bei einem
Unglück alles verlieren bis auf das Leben
,
etwas geht unter die Haut etwas geht nahe.

Ahd. Wb. 4, 1431 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 418; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 575; Schützeichel⁶ 172; Starck-Wells
296. 822; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 476 f.;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 138. 486. 600 (II).
1015; Seebold, ChWdW8 167; Graff 4, 806 f.; Lexer 1,
1408 f.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 154 (corium). 167
(cutis). 399 (melos dahshût). 473 (pellis). 625 (spo-
lium); Dt. Wb. 10, 701 ff.; Kluge²¹ 295; Kluge²⁴ s. v.;
Pfeifer, Et. Wb.² 517. Grimm [1899] 1992: 2, 287;
LM 4, 1976; Röhrich 2004: 1, 680 ff.

Ahd. hût hat in weiteren westgerm. Sprachen
und im Nordgerm. Entsprechungen: as. hūd
Haut, Hülle, Rinde, mndd. hūt Haut, Fell;
mndl. huut, nndl. huid Haut, Fell; afries.
hēd(e), hūd Haut, nfries. hūd Haut, Fell,
Balg
; ae. hd Haut, Fell (mit i-Umlaut von
ū; Brunner 1965: § 103), me. hǖde Haut,
Fell
, ne. hide Haut, Fell, Unverschämtheit
(bei elliptischem Gebrauch von thick hide
dicke Haut); aisl. ð f. Haut [des Groß-
viehs]
, nisl., fär. ð, nnorw. hud, aschwed.
hūþ, nschwed., ndän. hud Haut, Fell. Die
germ. Wörter setzen einen urspr. suffixbeton-
ten f. -ti-St. urgerm. *χūđi- fort.

West- und nordgerm. ist die auf einen alten Rechts-
brauch zurückgehende Zwillingsformel mhd. hût und
hâr (s. o.), mndl. te hude ende hare Leibesstrafe, huut
ende haer die ganze Persönlichkeit eines Menschen,
nndl. huid en haar völlig, ganz und gar, me. hǖde and
hēou Haut und Haar (eigtl. Haut und Farbe, Gestalt),
ne. (in) hide and hair völlig, ganz und gar (gegenteili-
ges neither hide nor hair überhaupt nichts), dän.,
norw. hud og haar mit Haut und Haar.

Fick 3 (Germ.)⁴ 92; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 312 (s. v. [-]hūma); Holthausen, As. Wb. 37;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 195; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 401 f.; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 344; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 771 f.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 266; Suppl. 73; Vries, Ndls.
et. wb. 271; Et. wb. Ndl. F-Ka 473 f.; Holthausen,
Afries. Wb.² 40; Richthofen, Afries. Wb. 802; Fryske
wb. 9, 117 ff.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr.
1, 111; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 541; Holthausen, Ae. et.
Wb. 183; Bosworth-Toller, AS Dict. 578; Suppl. 584;
ME Dict. s. v.; OED² s. v. hide n.¹; Vries, Anord. et.
Wb.² 264; Bjorvand, Våre arveord 400 f.; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 818; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2,
76; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 131; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 425; Nielsen, Dansk et. ordb. 188;
Ordb. o. d. danske sprog 8, 566 ff.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 224; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 366; Svenska
akad. ordb. s. v. Kluge 1926: § 123 Anm. 1; Krahe-
Meid 1969: 3, § 123, 3. P. van Wely, Nph 1 (1916),
145 und Anm. 3.

Ahd. hût usw. < urgerm. *χūđi- und seine au-
ßergerm. Verwandten sind Fortsetzer eines
urspr. proterodynamischen ti-St. st. Kasus
*(s)kéH-ti-, sw. Kasus *(s)kuH-té-/instr.sg.
*(s)ku(H)-téh₁, wobei einzelsprachlich je-
weils unterschiedliche Stammformen verall-
gemeinert wurden. Urgerm. *χūđi- und toch.
A kāc Haut < urtoch. *kwāc gehen auf vor-
urgerm., vorurtoch. *(s)kuH-té- zurück (vgl.
J. Hilmarsson, ZVSp 98 [1985], 162 f.).

In den balt. Sprachen ist ein *-to-/-tah₂-
Abstraktum mit hochstufiger Wz. fortgesetzt:
lit. kiáutas Schale, Gehäuse, Hülle, Hülse,
apreuß. keuto f. Haut führen über urbalt.
*kētas, kētā auf vorurbalt. *(s)kéH-to-/
tah₂-.

Das Part.Prät.Pass. uridg. *skuH-tó- gedeckt
hat wohl in gr. σκῦτος n. die zubereitete Haut,
Leder, Lederriemen
eine Kontinuante. Dabei
muß bei der Substantivierung ein Akzent-
wechsel *(s)kúH-to- Gedecktsein eingetreten
sein (freundlicher Hinweis von S. Neri). Die
gleiche Vorform ist wohl auch für mkymr. es-
kit, esgit, nkymr. esgid, korn. esgid Schuh <
urkelt. *ped-skūt- anzunehmen. In gr. ἐγ-
κυτί(ς) bis auf den Leib, die Haut könnte der
Laryngal Schwund im Kompositum erfahren
haben.

In kurzvokalischem lat. cutis f. Haut, Vor-
haut, Leder, Oberfläche, Hülle
, lit. kuts
Beutel um den Leib, Geldkatze und gr. κύτος
n. Rundung, Wölbung, Gefäß, Rumpf, Leib
dürfte vorurit., vorurbalt., vorurgr. *(s)ku(H)-
teh₁- verallgemeinert sein.

Ein ähnliches Paradigma nimmt Peters (in
Bammesberger 1988: 378) an: Er erwägt für
Haut ein urspr. ablautendes Paradigma
*kéh₃-ti-/*kuh₃--s/*ku(h₃)-t-éh₁ (anders
Schrijver 1991: 239 f. 351. 353. 531).

Schon vor dem Aufkommen der Laryngaltheorie war
ein Zusammenhang der oben behandelten Wörter gese-
hen worden, doch konnte die unterschiedliche Quantität
des Wurzelvokals nicht erklärt werden.

Walde-Pokorny 2, 549; Pokorny 952; Frisk, Gr. et. Wb.
2, 57. 744 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 603. 1025; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 320; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 161; Thes. ling. lat. 4, 1578 ff.; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 132; Fraenkel, Lit. et. Wb. 248 (s. v. kvalas).
323; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 357; Dict. of
Welsh 1, 635 (s. v. cwd¹). Th. Siebs, ZVSp 37 (1901),
282; Persson 1912: 181. 183.

S. skiura.

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