haltan
Band IV, Spalte 785
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haltan red. v. I (prät. hialt, hialtum,
part.prät. gihaltan), seit dem 8. Jh. in Gl.,
APs, B, BB, FP, GB, I, LB, MF, MH, bei N,
Npg, O, in OT, T, TC, WH: festhalten, be-
halten, aufbewahren, erhalten, bewahren,
bewachen, beobachten, im Auge behalten,
einhalten, befolgen, beachten, (be-)schützen,
behüten, (er-)retten, erlösen; alere, asserva-
re, celebrare (= bluostar haltan), condere,
conservare, custodire, Iesus (= haltanto), ob-
servare, pascere, praesidium (= gihaltan),
reponere, salvare, salvator (= der haltanti
truhtîn, haltanto), salve (= halt), salvus (=
gihaltan), servare, sustinere, tuēri
. Die
Formen der 2./3.Sg.Ind.Präs. zeigen im Obd.
wegen der Verbindung l + Konsonant keinen
i-Umlaut (obd. haltis, haltit : frk. heltis, hel-
tit; vgl. Braune-Reiffenstein 2004: § 27); zu
-ia- im Prät. der red. Verben vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: § 36. Mhd. halten st. v.
(red. v. I) hüten, weiden, halten, bewahren,
erhalten, sich benehmen, betragen, anhalten,
stillhalten
, nhd. halten festhalten, bewah-
ren
.

Ahd. Wb. 4, 646 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 347 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 511; Schützeichel⁶ 147; Starck-Wells
251. 849; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 139 f.;
Seebold, ChWdW8 152 f.; Graff 4, 896; Lexer 1,
1160 f.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 97 (celebrare). 128
(condere). 138 (conservare). 166 f. (custodire). 312
(Iesus). 441 (observare). 467 (pascere). 568 (repo-
nere). 586 (salvare, salvator, salvus) 607 (servare);
Dt. Wb. 10, 275 ff.; Kluge²¹ 285; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer,
Et. Wb.² 501 f. Schatz 1927: § 453a; Braune-
Reiffenstein 2004: § 350.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. haldan (held, h[i]eldun, gihaldan) hal-
ten, besitzen, festhalten, hüten, pflegen, be-
wahren, feiern
(Holthausen 1921: § 447;
Galleé 1993: § 398 und Anm. 1. 3. 4), mndd.
hōlden, hlden (hēlt, hēlden, [ge-]hōlden,
-hlden) hüten, bewachen, schützen, halten,
beschäftigen, einhalten, befolgen, beobach-
ten, ausführen, abhalten, veranstalten, durch-
führen, halten, achten auf, sich halten an,
einstehen, bürgen, (an-)halten, stehen blei-
ben, zielen
(Lübben 1882: § 48; zum Über-
gang von a > o vor ld vgl. ebd. § 11); mndl.
houden, holden, halden (helt/hi[e]lt, hel-
den/hi[e]lden, ghehouden/-o/ald-; Franck
[1910] 1971: § 147 ff.; Bree 1987: 217), nndl.
houden (hield, hielden, gehouden) hüten,
bewachen, schützen, achten auf, sorgen für,
halten, beschäftigen, einhalten, befolgen, be-
obachten, ausführen
(zur Entwicklung von
ol + d/t > ou vgl. Meer 1927: 66); afries.
halda (helt/hīlt, helden/hīlden, halden) hal-
ten, beobachten, handhaben, einhalten, Ge-
richt halten, behaupten, gewinnen, erlangen,
instand halten, aufbewahren, behalten, ver-
heimlichen, beherbergen, aufnehmen, aufhal-
ten, verhindern
(Helten 1890: § 274; Steller
1928: § 97), nfries. hālde festhalten, zu-
rückhalten, tragen, abhalten, mieten, neh-
men, kaufen, behalten, achten auf, besitzen
;
ae. healdan (hēold, hēoldon, healden) hal-
ten, enthalten, fassen, besitzen, bewohnen,
zurückhalten, bewahren, verteidigen, unter-
halten, beobachten, Sorge tragen, feiern,
aushalten, gehen, sich benehmen
(Brunner
1965: § 396, 1 und Anm. 1), me. hōlden, ne.
hold (fest-)halten, tragen, aushalten, zu-
rückhalten, abhalten, aufhalten, zügeln, fest-
nehmen, beibehalten, behaupten, besitzen,
enthalten, betrachten als, standhalten, blei-
ben
; aisl. halda (helt/hélt/hell, heldo, hal-
denn) (be-)halten, hüten, sichern, bereit hal-
ten, wachen, sich wenden, sich beschäftigen,
unversehrt bleiben
(Noreen [1923] 1970:
§ 504), nisl., fär. halda, ndän. holde, nnorw.
halda, aschwed. holda, holla (hiolt/hiølt,
hioldo/hiøldo, haldin/hallin; Noreen 1904:
§ 543 Anm. 5), nschwed. hålla halten, ab-
halten, einhalten, anhalten
(aus dem Nord-
germ. entlehnt in finn. hallita beherrschen,
regieren, verwalten, besitzen
); got. haldan
(haldans) hüten, weiden (Streitberg 1920:
§ 211, 3; Kieckers 1928: § 149, 10; Braune-
Heidermanns 2004: § 179 Anm. 1): < urgerm.
*χalđe/a-.

Die aschwed. Form holla wird häufig (vgl. etwa No-
reen 1904: § 340, 2a; Lühr 2000: 103) auf eine Vor-
form urgerm. *χalþe/a- (mit grammatischem Wechsel
zu urgerm. *χalđe/a-) zurückgeführt (zur Lautent-
wicklung vgl. Noreen 1904: § 236). Jedoch können
die Formen mit -ll- auch aschwed. dialektal oder se-
kundär sein (vgl. Noreen 1904: § 340, 2; skeptisch
auch Seebold, Germ. st. Verben 249).

Wegen aschwed. holla sieht Lühr 2000: 103 das Adj.
urgerm. *χalđa- festhaltend (vgl. dazu Heider-
manns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 273 f.) als Grund-
lage für die germ. Verben an. Dabei sei mit analogi-
scher Herstellung des grammatischen Wechsels im
Germ.
(Lühr 2000: 103) zu rechnen. Jedoch ist der
von ihr gegebene Vergleich urgerm. *alþa- : *alđa-
alt ( alt) nicht heranzuziehen, da hier bereits das
Adj. den grammatischen Wechsel zeigt (zudem wird
der grammatische Wechsel im Germ. eher beseitigt
als sekundär eingeführt), zum anderen bliebe die Ein-
ordnung der verbalen Ableitung als red. Verb ohne
Parallelen. Das Adj. ist vielmehr das Verbaladj. zu
*χalđe/a-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 84; Seebold, Germ. st. Verben 248 f.;
Holthausen, As. Wb. 30; Sehrt, Wb. z. Hel.² 215 f.;
Berr, Et. Gl. to Hel. 171; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 337 ff.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
286 f.; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 623 ff.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 264 f.; Suppl. 73; Vries, Ndls. et.
wb. 270; Et. wb. Ndl. F-Ka 470; Holthausen, Afries.
Wb.² 37; Richthofen, Afries. Wb. 790 ff.; Fryske wb.
8, 93 ff.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2,
99; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 488 f.; Holthausen, Ae. et.
Wb. 151; Bosworth-Toller, AS Dict. 517 f.; Suppl.
517 ff.; Suppl. 2, 40; ME Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries,
Anord. et. Wb.² 204; Bjorvand, Våre arveord 393 f.;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 246 f.; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 1, 692 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 104; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 415 f.;
Nielsen, Dansk et. ordb. 186; Ordb. o. d. danske
sprog 8, 364 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 195; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 380; Svenska akad. ordb. s. v.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 239 f.; Lehmann, Gothic
Et. Dict. H-27; Kylstra, Lehnwörter 1, 72.

Urgerm. *χalđe/a- stammt (mit sekundärem
-a-; s. u.) aus vorurgerm. *kél-dhe/o-, einem
terminativen dhe-Präs. zur Verbalwz. uridg.
*kel- antreiben (mit Bedeutungsentwick-
lung ans Ziel [= Weide] treiben wei-
den
). Das im Präs. nicht lautgesetzliche ur-
germ. *-a- ist aus einem noch vorurgerm.
hinzugebildeten Perf. *(ke-)kóldh- bezogen
(vgl. zu diesem Vorgang Meid 1971: 77).

Die Verbalwurzel uridg. *kel- antreiben
liegt noch vor in: uridg. Präs. (wohl urspr.
Konjunktiv will antreiben) *kél-/kl- > gr.
κέλομαι treibe an, fordere auf (lakon.
3.sg.präs. κέντο < *κέλτο [zum Lautlichen
vgl. Schwyzer, Gr. Gramm.² 1, 213] ist in-
folge dial. Synkope aus κέλετο hervorgegan-
gen; vgl. Szemerényi 1964: 188 f.; anders
Schwyzer, Gr. Gramm.² 1, 678 f.; Frisk, Gr.
et. Wb. 1, 817: primäre athematische Form;
jedoch ist ein akrodynamisches Wurzelpräs.
*kl-/kél- im Paradigma sonst nicht belegt);
uridg. Präs. *kél-e/o- > gr. -κέλλω in ὀκέλλω
lande (ein Schiff), strande; uridg. Aor.
*kl/k-s- > toch. B keltsa ertrug (mit ana-
logischer Entpalatalisierung < *elsa < *kl-
s-), gr. hom. ἐκέλσαμεν wir landeten (ein
Schiff)
, gr. ion., att. ὤκειλα landete (ein
Schiff)
; uridg. Desider. *kél/k-s- > gr. (fut.)
κέλσω werde (ein Schiff) landen (falls nicht
eine kunstsprachliche Form nach dem Aor.
κέλσαι vorliegt [LIV² 348 Anm. 10]), toch. B
(präs. II med.) kaltär treibt Vieh (präs.
VIIIB) kaläm erträgt (< *kǝlǝ́- < *k-s-
é-), toch. A (part. med.) kläsmām ertragend
(< *kǝlǝ́- < *k-s-é-; das Verb könnte jedoch
auch eine Neubildung zum s-Aor. sein [vgl.
LIV² 349 Anm. 12]).

Nicht sicher ist der Ansatz eines uridg. Itera-
tivs *kol-ée/o-, da die möglichen Fortsetzer
ai. kāláya- wegtreiben, verfolgen und gr.
(Hesych.) κολεῖν ἐλθεῖν auch anders erklär-
bar sind (die ai. Form könnte auch zur Wur-
zel uridg. *kerH- ausstreuen, schütten oder
uridg. *[s]kel[H]- hacken, spalten gehören,
während die gr. Form möglicherweise ein
präs. Deverbativ mit o zu κέλομαι ist
[Schwyzer, Gr. Gramm.² 1, 747 Anm. 1]).

Der Ansatz der Wurzel als *kel-, nicht etwa
**kelH- wird durch gr. κλόνος Getriebe,
(Kampf-)Getümmel
< vorurgr. *kl-ono- be-
stätigt.

Nicht sicher ist, ob alb. qell bringe, trage, halte je-
manden auf
hierher (Orel, Alb. et. dict. 355 f. mit äl-
terer Literatur) oder zu uridg. *kelh₁- eine Drehung
machen, sich umdrehen
(Huld 1984: 106 f. 145 ff.) zu
stellen ist.

Da für das Germ. eine Lautung *χalþe/a- nicht not-
wendigerweise angenommen zu werden braucht, ist
auch die Analyse des Verbs als red. Präs. *ké-kolt-/
-kt-, einer Wurzelerweiterung mit *-t- zu *kel- (See-
bold, Germ. st. Verben 248 f.), nicht notwendig. Die
Funktion des Formans *-t- bliebe dazu unklar (vgl.
LIV² 348 f.).

Für das Germ. ist als ursprüngliche Bedeu-
tung weiden, hüten, schützen, bewachen
anzunehmen, wie sie noch in den meisten
agerm. Sprachen belegt ist. Ausgehend von
der Bedeutung des Part.Prät.Pass. bewacht
hat sich die Bedeutung des Verbs dann über
mit Bewachung zu tun haben zu bewah-
ren, behalten, halten
entwickelt.

Aus semantischen Gründen ist der hier gegebenen
Etymologie der Vorzug zu geben vor der Verbindung
mit uridg. *kelh₁- eine Drehung machen, sich um-
drehen
, wobei als Grundbedeutung sich fürsorglich
um jemanden/etwas herum bewegen
anzunehmen
wäre (Lühr 2000: 103); jedoch läßt sich aus lat. colere
bebauen, (be-)wohnen, versorgen, pflegen, verehren
wohl nur eine Grundbedeutung herumgehend besor-
gen
erschließen (vgl. Rix 1994: 21 f.).

Walde-Pokorny 1, 422 f.; Pokorny 548; LIV² 348 f.;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 1, 179; ders., Et. Wb. d.
Altindoar. 1, 311; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 817 f.; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 513; Demiraj, Alb. Et. 338 f.; Orel,
Alb. et. dict. 355 f.; Adams, Dict. of Toch. B 169 f.
174. W. P. Lehmann, Lg 18 (1942), 129; Windekens
1976: 199 ff.; E. P. Hamp, IF 84 (1979), 255 ff.; Hil-
marsson 1996: 68.

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