hera
Band IV, Spalte 961
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hera adv., zuerst um 800: hierher, an
diesen Ort, an diese Stelle, hierher, auf die
Erde, in, auf diese Welt; adhuc, hic, huc
.
Temporale Bedeutung hat hera in fona hera
bei N: bis hierher, bis zu diesem Zeitpunkt
Var.: -rr-; -æ-; her, er in hinthander; fast
ausschließlich alem. hara z. B. N. hara ist
wie im Mndl. nach dara (s. u.) gebildet. In
Verbindung mit anderen Adverbien sind be-
legt: hera baz weiter, in Richtung hierher,
näher (heran)
, hera furi herfür; in medium,
hera in her-, hinein, hera nâh zu einem
späteren Zeitpunkt, hiernach, im folgenden
,
hera nidar hernieder auf die Erde, nach un-
ten
, hera ubari herüber, hera ûf herauf, in
die Höhe
, hera ûz heraus, hera zuo
hierher, an diese Stelle, hierauf, da-
nn/dannân/ennân hera von einem Zeit-
punkt der Vergangenheit ab bis zum jetzi-
gen; usque nunc
, hier hera hierher, hera
unta dara, hin unt her hierhin und dahin;
mit Präp. (und Adv.) unz/unzan/unzint hera
bis hierher, bis jetzt, bis zu diesem
(Zeit-)Punkt reichend; hactenus, hucusque,
usque huc
, sîd dannân hera seitdem. Als
Präp. erscheint: hera widar gegenüber. he-
ra-
adverbielles Kompositionsglied in Ver-
bindung mit Verben (z. B. hera queman
(ad-)venire, hera nidar irbeizen hernieder-
steigen
; vgl. auch hera funs bereit herzu-
kommen
). Die Unterscheidung zwischen
hera als selbständigem Adv. und Teil eines
Verbalkompositums ist wie bei hina (s. d.)
schwierig. Mhd. here, her, vor allem alem.
har adv. her, hierher, bisher, bis jetzt, mit
Verben z. B. her varn, her komen, her rîten,
nhd. her, her-, dial. alem. har, här, md. er-
in erab, erauf, eraus, erum, erunter. Im Ge-
gensatz zu hin bezeichnet her die Richtung
auf den Standpunkt des Sprechers, auf zeitli-
che Verhältnisse übertragen einen aus der
Vergangenheit bis in die Gegenwart des
Sprechers reichenden Zeitraum.

Ahd. Wb. 4, 957 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 381; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 535 f.; Schützeichel⁶ 157; Starck-Wells
269; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 279 f.; See-
bold, ChWdW8 160; Graff 4, 694 f.; Lexer 1, 1251; 3,
Nachtr. 236; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 299 (hactenus).
307 (huc). 398 (ad medium). 689 (usque huc); Dt. Wb.
10, 999 ff.; Kluge²¹ 304; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.²
532. Behaghel 1928: 300 f.; Henzen 1969: 279293.

Ahd. hera entsprechen: mndd. hēr, hēre adv.
her, heran, herzu, in Richtung auf den
Standort zu
, auch temporal in van ōldinges
seit alters, lange jār her seit langen
Jahren
; mndl. hēre, selten her, häufig hare
hierher, hier (mit -a- unter Einfluß von dare;
vgl. mndl. hare ende dare hier und da (s. o.
zu ahd. hara), nndl. her her (her- in nndl.
herinneren sich erinnern usw. mit Be-
deutungswandel von zurück, wiederum zu
wieder oder eher aus er- < frz. re- mit hy-
perkorrektem h-); nfries. her her, von wo
weg, zurück
, her- wieder-, zurück-. Als
Imper. fungiert got. sg. hiri, pl. hirjiþ, dual
hirjats hierher.

Das got. Wort bietet viele Probleme: die Be-
wahrung von -i- vor r, die zugrunde liegende
Wz. und das auslautende -i. Möglicherweise
ist eine Vorform *hir (< *χir oder *χer), eine
Ableitung von dem nahdeiktischen Pronomi-
nalstamm uridg. *i-/*e- + *r (s. u.), mit ei-
ner deiktischen Partikel *ī (vgl. gr. οὑτοσ-
dieser) versehen (R. Loewe, PBB 41
[1916], 295 ff. als Alternative) oder als Im-
per. auf *ī bzw. auf altem, bei kurzsilbigen
Stämmen zu erwartenden *i neu gestaltet
worden (G. Schmidt 1962: 72 f.). Als Inter-
jektion unterlag dieses Wort besonderen Be-
dingungen, nämlich Kürzung eines mögli-
chen auslautenden *ī und Ausbleiben der
Brechung (dagegen führt F. Cercignani, JIES
12 [1984], 315344 -i- auf Analogie nach
hidre hierher zurück). Got. hiri ist jeden-
falls als Imper. verstanden worden, was die
Neubildungen des Pl. hirjiþ und Duals hir-
jats hervorrief (Streitberg 1920: 70).

Anders z. B. R. M. S. Heffner, JEGP 28 (1929), 343
359: got. hiri < *hidar mit Schwund von -da-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 63; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 1, 279; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 348 f.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 246 f.; Suppl. 69 f.; Vries, Ndls. et.
wb. 251 f.; Et. wb. Ndl. F-Ka 416 f.; Fryske wb. 8, 290;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 74; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 257 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict.
H-66. G. Schmidt 1962: 70 f. 76 f.

Die Vorform von ahd. hera ist wie von ahd.
wara wohin, dara dorthin (s. d.) gebildet.
Es handelt sich um eine Ableitung mit dem
lokativischen Element *r + Instr.-Endung *-ē
von dem für das Germ. allgemein als *χi-
dieser angesetzten nahdeiktischen Prono-
minalstamm (zu *r s. dâr). In diesem Fall
müßte in der westgerm. Fortsetzung von
*χirē a-Umlaut eingetreten sein. Weil aber
dieser Umlaut bei dem Fortsetzer von ur-
germ. *χinē unterblieben ist, könnte im
Germ. auch die Ablautvariante *χe- vorhan-
den gewesen sein, wie sie z. B. in lat. ce- in
cedo gib her < *e-doh₃ auftritt ( hina).

L. A. Connolly (ZVSp 97 [1984], 272) nimmt für den a-
Umlaut in ahd. hera usw. an, daß dieser durch den Kon-
takt von *i mit einem Laryngal entstanden sei; zustim-
mend B. Prósper, HS 108 (1995), 81. Diese Auffassung
ist jedoch unhaltbar.

Walde-Pokorny 1, 453; Pokorny 609.

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