hirmenAWB sw. v. I, nur in NMC, Ni:
‚ruhen, ablassen von, aufhören; conquiesce-
re, quiescere‘. — Mhd. hirmen ‚ruhen, rasten‘
(vgl. behirmen ‚sich fügen, gehorchen‘), nhd.
mdartl. schweiz. hirmen ‚(aus-)ruhen‘, bair.
veraltet hirmen ‚ablassen, ruhen‘.
Ahd. Wb. 4, 1134; Splett, Ahd. Wb. 1, 390; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 552; Schützeichel⁶ 168; Graff 4,
1034; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 135 (conquiescere);
Lexer 1, 1303. — Raven 1963—67: 1, 71; Riecke 1996:
665. — Schweiz. Id. 2, 1608; Fischer, Schwäb. Wb. 2,
213; Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 1163.
Das Verb hat nur im Andfrk. und Mndl. Ent-
sprechungen: andfrk. ge-hirmon ‚ruhen; re-
quiescere, cessare‘, mndl. hermen ‚ruhen, ra-
sten‘.
Fick 3 (Germ.)⁴ 79; Quak, Wortkonkordanz zu d. am.-
u. andfrk. Ps. u. Gl. 65; Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u.
Gl. 200; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 377.
Das Wort hat bisher keine befriedigende
Etymologie. Der Vergleich mit lit. kirmýti,
kirmti (Pokorny 582) ist verfehlt, denn die
Bedeutung ‚anfaulen, faul werden‘ ist nur ei-
ne sekundäre Entwicklung der Grundbedeu-
tung ‚voller Würmer, wurmstichig werden‘
(zu kirmìs ‚Wurm‘; vgl. Fraenkel, Lit. et. Wb.
257). Zur möglichen Anknüpfung an ai.
śrmyati ‚wird müde‘ (Fick 3, a. a. O.) s. u.
Die Grundbedeutung des Verbs urgerm.
*χermii̯e/a- ist wohl ‚unterbrechen, eine Pau-
se machen‘; es ist vielleicht eine m-
Erweiterung der idg. Wz. *kerH- ‚hängen‘
(Pokorny 573; LIV² 353), die eigentlich
‚(eine Tätigkeit) hängen lassen‘ bedeutet
(vgl. lat. suspendere ‚aufhängen‘, aber auch
‚einhalten, unterbrechen‘, auch ‚hemmen‘
[s. u.]; suspensus bedeutet u. a. ‚von der Ar-
beit befreit, arbeitsfrei, feiernd‘ [Georges
1913: 2, 2978 f.]). Die Bedeutung ‚sich fü-
gen, gehorchen‘ kann aus ‚anhängen‘ ent-
standen sein (die Bed.entwicklung des
schwäb. Wortes ist dunkel).
Zur Wz. *kerH- gehören lit. kárti ‚hängen,
aufhängen‘ (< *korH-), wohl auch (trotz Po-
korny 934; Vries, Anord. et. Wb. 232 u. a.)
ae. heorr, heorra, aisl. hjarri, hjarra
‚Türangel‘ (vgl. LIV² 353; zur Bedeutung
vgl. ne. hinge, mndl. hengere, hengsel, Ki-
liaan henghe; poln. zawias ‚Türangel‘, alle
zu Verben, die ‚[auf-]hängen‘ bedeuten).
Zu einer Wurzelvariante *kremH- (vgl. Kui-
per 1937: 62; J. Bechert, MSS 20 [1967],
5 ff.; E. P. Hamp, MSS 25 [1969], 57) gehört
wohl (trotz Chantraine, Dict. ét. gr. 581) gr.
κρεμάννυμι, κρίμνημι ‚hänge, hänge auf‘;
auch got. hramjan ‚kreuzigen‘, ae. hremman
‚hemmen, hindern‘, mndl. remmen ‚hemmen‘
(zur Bed. s. o.: lat. suspendere), aisl. hremma
‚packen, greifen‘ (vgl. ne. hang on to ‚sich
klammern an, festhalten‘; aisl. hrammr
‚Klaue‘ ist wohl ein Deverbativum ‚der Pak-
kende‘).
Pokorny stellt diese Verben zu zwei verschiedenen
Wurzeln: zu *(s)kerb(h)-, *(s)kreb(h)-, nasaliert
*(s)kremb- ‚drehen, krümmen usw.‘ (948 f.), was
nicht möglich ist, da -mb- im Got. nie zu -mm- wird
(vgl. got. lamba pl. ‚Lämmer‘, wamba ‚Bauch, Leib‘);
auch zu einer nur im Germ. und Slaw. belegten Wz.
*krom- ‚Gestell aus Latten, hölzerne Umzäunung‘
(623 f., mit fraglichen Bed.verschiebungen). Zusam-
menhang mit der idg. Wz. *(s)kerH- ‚schneiden‘
(Lehmann, Gothic Et. Dict. H-94; Fraenkel, a. a. O.
224 f.) ist aus semantischen Gründen wohl abzuleh-
nen.
Das sehr problematische Verb ai. śrmyati
‚wird müde, müht sich ab‘ hat man versucht,
hierher zu stellen (zuerst Fick 3, a. a. O., da-
nach J. Bechert, a. a. O.; E. P. Hamp, a. a. O.;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 3, 390 f.;
ders., Et. Wb. d. Altindoar. 2, 664), aber das
palatale k̂ scheint dagegen zu sprechen (vgl.
lit. kárti mit Velar), es sei denn, daß eine
Wurzelvariante *k̂rem- angesetzt werden
könnte (vgl. z. B. die Farbwurzel *k̂er- neben
*ker- [Pokorny 573]). Dagegen wäre ein
Vergleich mit dem gleichbedeutenden Verb
ai. klmyati ohne Weiteres möglich (das -l-
geht wohl auf idg. *-r- zurück; vgl. Mayrho-
fer, K. et. Wb. 1, 281 f.; J. Bechert, a. a. O. 8
Anm. 10; Pokornys Ansatz einer Wz. *klem-
ist sicher verfehlt). Vielleicht ist ein urspr.
*krmyati unter dem Einfluß von śmyati
‚wird ruhig, kommt zur Ruhe, hört auf, läßt
nach‘ (Mayrhofer, a. a. O. 3, 325 f.) zu
śrmyati geworden; klmyati könnte dann
eine l-Variante derselben Wz. sein.
Holthausen, Ae. et. Wb. 156. 173; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 6, 1274 f.; Vries, a. a. O. 232. 254; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 830. 844; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 116. 126; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 270;
Lehmann, a. a. O. — Frisk, Gr. et. Wb. 2, 13 f.; Fraen-
kel, a. a. O. 224 f.