hornungAWB m. a-St., in Gl. seit etwa 1175
(3,406,15) und in EV: ‚Februar; Februarius‘
〈Var.: -unc, -vnc, -vng〉. In späterer Zeit hat
sich außer hornung keine weitere der bei Ein-
hard aufgeführten ahd. Monatsbezeichnungen
als offizieller Terminus (z. B. witumânôd
‚September‘, eigtl. ‚Holzmonat‘, her-
bistmânôd ‚November‘, eigtl. ‚Herbstmonat‘)
erhalten. Als Patronymikon ist das Subst. seit
dem 8. Jh., als FamN seit dem 13. Jh. überlie-
fert (benannt nach dem Monat, in dem die be-
treffende Person geboren wurde). — Mhd. hor-
nunc st. m. (gen.sg. -ges) ‚Februar‘, ält. nhd.
hornung m. ‚dss.‘, nhd. mdartl. schweiz.,
schwäb. horning, schles. hornung, meckl.
hörning (vgl. auch hörningshääkt m. ‚Hecht,
der im Februar laicht‘), preuß. höri(n)g m.,
veraltet (vorwiegend in alten Bauernregeln)
els., schwäb., vorarlb., bad., lothr., pfälz.,
rhein., südhess., brandenb., thür., osächs.,
ndsächs. hornung ‚dss.‘ (alles m.).
Ahd. Wb. 4, 1263 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 402; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 562; Schützeichel⁶ 166; Starck-Wells
285. XLIII; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 391;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 857; Graff 4, 1038;
Lexer 1, 1342; Dt. Wb. 1821 (s. v. horn m.). 1832; Klu-
ge²¹ 317; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 557. — Schweiz.
Id. 2, 1628; Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. 1, 375;
Ochs, Bad. Wb. 2, 774; Fischer, Schwäb. Wb. 3, 1824 f.;
Jutz, Vorarlberg. Wb. 1, 1446; Schmeller, Bayer. Wb.²
1, 1165; Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 249; Müller,
Rhein. Wb. 3, 837; Christmann, Pfälz. Wb. 3, 1184;
Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 3, 728; Spangenberg,
Thür. Wb. 3, 230; Frings-Große, Wb. d. obersächs.
Mdaa. 2, 399; Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb. 2,
720; Mitzka, Schles. Wb. 1, 563; Jungandreas, Ndsächs.
Wb. 6, 580; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 3, 811 f.;
Frischbier, Preuß. Wb. 1, 285. — Förstemann [1900—16]
1966—67: 1, 867; Socin [1903] 1966: 146. 185. 219.
421; Bach 1952 ff.: 1, 1, § 255, 7. — HDA 2, 1274 f.
1277; W. Preusler, IF 54 (1936), 181 f.
Als Monatsbezeichnung kommt das Wort nur
noch in mndd. hōrninc m. ‚Februar‘ vor. In
anderer Bedeutung, aber gleicher Lautgestalt
entsprechen im Nordseegerm. und Anord.:
mndd. hōrninc, hōrinc m. (wohl in Anlehnung
an hōr ‚Hure‘ aus hōrninc umgebildet; Muns-
ke 1964: 91) ‚außereheliches Kind‘; mndl.
horninc (horning) m. ‚außereheliches Kind‘;
afries. horni(n)g m. ‚Bastard‘; ae. in den
Komp. hornung-sunu m. ‚Bastard‘, hornung-
brōþor m. ‚Bastardbruder‘; aisl. hornungr m.
‚Kebssohn‘, nisl. hornungur ‚dss.‘: < urgerm.
*χurnunga-/-inga-, eine Ableitung mit dem
Suffix *-inga-/-unga- von *χurnan- (→ horn)
in der Bedeutung ‚Ecke, Spitze, Winkel‘.
Demnach wäre aisl. hornungr usw. ‚außerehe-
licher Sohn‘ als patronymische Bildung wohl
der ‚aus dem Winkel Stammende, der im
Winkel Gezeugte‘ (so schon C. C. Uhlenbeck,
ZVSp 40 [1907], 555; vgl. auch aisl. hrísungr
m. ‚unehelicher Sohn‘, eigtl. ‚der im Gebüsch
gezeugte‘ : hrís n. ‚Gesträuch, Gestrüpp,
Wald‘), der rechtlich nicht dem ehelichen
Kind gleichgestellt war (Amira-Eckardt 1967:
79 f.). Was den Monatsnamen betrifft, so ver-
treten Kluge²¹ a. a. O., Pfeifer, a. a. O., Munske
1964: 98 u. a. (zuerst bei G. Birlinger, ZDW 1
[1900], 360 f.) die Auffassung, daß das Mo-
ment des ‚Benachteiligtseins‘ des unehelichen
Kindes auf den Monat ‚Februar‘ übertragen
wurde, da dieser wegen seiner geringen An-
zahl an Tagen gleichfalls ‚benachteiligt, zu
kurz‘ gekommen sei. Diese gängige Herlei-
tung ist jedoch fragwürdig: die Anzahl der
Tage als Benennungsmotiv kommt kaum in
Frage, weil die Monatsnamen (vgl. win-
tarmânôd, herbistmânôd) urspr. weniger zur
Bezeichnung der römisch-christlichen Kalen-
dermonate dienten, sondern eher jahreszeitli-
che Einheiten von der ungefähren Größe eines
Monats benannten (vgl. W. König, FS Berg-
mann 1997: 433).
Außer dieser Herleitung gibt es noch eine
Vielzahl von Vorschlägen für die Benen-
nungsmotive des Monatsnamens:
Auf Höfler 1908: 54 geht die Auffassung zu-
rück, daß mit ahd. hornung der Zeitraum be-
zeichnet wurde, in der Festgebäcke in Horn-
oder Mondsichelform gebacken wurden. Des
weiteren sollen im Februar die Trinkhörner
besonders häufig in Gebrauch gewesen sein
(vgl. mdartl. horntage), wonach schließlich
der Monat benannt worden sei (Widlak 1908:
12. 30 f.). Dagegen geht von Witterungser-
scheinungen des Winters die Erklärung aus,
daß der hornung nach den heulenden und bla-
senden Stürmen der kalten Jahreszeit benannt
sei (bildlich wird der Wind oft als männliches
Wesen dargestellt, das auf Hörnern bläst).
Und nach Weinhold 1869: 46 war die Winter-
kälte für die Namengebung ausschlaggebend,
die mit der Härte des Horns verglichen wurde
(mhd. herte alsam ein horn ‚hart wie Horn‘).
Nach H. Hirt, PBB 24 (1897), 232 (so auch
noch Hirt 1921: 206) u. a. gehört ahd. hornung
zu aisl. hjarn n. ‚gefrorener Schnee, Harsch-
schnee‘ < urgerm. *χerzna-, doch ist diese
Verbindung schon wegen der Tiefstufe der
Monatsbezeichnung nicht möglich. Ableitun-
gen mit dem Suffix *-inga/unga- weisen die
gleiche Ablautstufe wie ihre Basis auf (vgl.
aisl. hildingr ‚Krieger, Fürst‘ : hildr ‚Kampf‘).
Eine Ableitung von ahd. horo ‚Schmutz, Kot‘
(Februar als Schmutzmonat) ist von der Wort-
bildung her nicht möglich, da dann das -n- in
hornung unerklärt bliebe (zuerst bei Grimm
[1880] 1970: 64).
J. Knobloch (ZVSp 88 [1974], 122—125; wie-
der aufgegriffen in Sprachw 20 [1995], 473
und Mu 106 [1996], 18) vermutet in ahd. hor-
nung eine Lehnübersetzung aus dem Lat. Der
mēnsis februārius als letzter Monat des römi-
schen Kalenders war der Monat der Reini-
gungszeremonien, die spätlat. spurcālia ge-
nannt wurden (entlehnt in mdartl. rhein. veral-
tet spürkel m. ‚Februar‘; Müller, Rhein. Wb. 8,
470—472). Aus spätlat. mēnsis spurcālium
schließt er auf ein nicht belegtes *mēnsis
spurcus, das in lautlicher Hinsicht lat. spurius
‚unehelich‘, subst. ‚uneheliches Kind‘, nahe-
stehe. Das rekonstruierte *mēnsis spurius in
der Bedeutung ‚Bastard‘ wäre dann als hor-
nung übersetzt worden. Abgesehen von den
hypothetischen Annahmen innerhalb des Lat.
hätte diese Herleitung zur Voraussetzung, daß
die Bedeutung ‚Bastard‘ unmittelbar auf den
Monatsnamen übertragen wurde (s. o.).
Am naheliegendsten ist die Benennung von
hornung als Monat, in dem die im Februar ab-
geworfenen Geweihe der Hirsche eingesam-
melt wurden — eine Deutung, die bis ins
17. Jh. zurückreicht (auch bei Schade 1882: 1,
418 und Kluge²⁴; ausführlich dazu W. König,
a. a. O. 429—443). Die Abwurfstangen waren
im Frühmittelalter ein wertvoller Rohstoff zur
Herstellung von Geräten und Dingen des täg-
lichen Bedarfs (z. B. Kämme, Knöpfe). hor-
nung hätte dann zunächst den Vorgang des
Geweihabwurfs bezeichnet, der dann auf den
Zeitraum des Einsammelns des Gehörns über-
tragen wurde (zur Wortbildung vgl. ahd. offar
n. a-St. ‚Opfer, Dienst‘ : offarunga m. a-St.
‚Opfer‘, eigtl. ‚Handlung des Opferns‘; vgl.
auch nhd. Haut : Häutung). Das m. Genus von
hornung kann dabei von m. mânôd ‚Monat‘
bezogen sein (vgl. die Hss. von EV, die neben
hornung auch hornungmânôd aufweisen).
Auch andere ahd. volkssprachliche Monatsbe-
zeichnungen sind nach wirtschaftlichen Tätig-
keiten benannt: winnimânôd ‚Mai‘, eigtl.
‚Monat, in dem das Vieh auf die Weide ge-
führt wird‘ : winni ‚Weide‘; brâhmânôd ‚Ju-
ni‘, eigtl. ‚Monat, in dem das Brachfeld ge-
pflügt wird‘ : brâcha ‚Brache‘; hewimânôd
‚Juli‘, eigtl. ‚Monat, in dem Heu gemacht
wird‘ : hewi ‚Heu‘ usw.
Mhd. horn ‚Januar‘ als der im Vergleich längere Monat
könnte aus mhd. hornunc ‚Februar‘ rückgebildet sein,
da das Suffix *-unga- mitunter eine diminuierende
Funktion hat (vgl. aisl. piltungr m. ‚Knabe‘, kuslungr m.
‚Kalb‘). Dafür sprechen die jüngeren mdartl. Bezeich-
nungen ‚kleiner Horn‘ für Februar und ‚großer Horn‘
für Januar, die als Lehnübersetzung in das benachbarte
Slaw. übernommen wurden: osorb. mały róžk ‚kleiner
Horn = Februar‘, wulki róžk ‚großer Horn = Januar‘.
Auch bei anderen slaw. Monatsnamen tritt eine Gegen-
überstellung von ‚groß‘ und ‚klein‘ auf (vgl. z. B. serbo-
kroat. veliki traven ‚Mai‘ : mali traven ‚April‘, slowen.
velikomešnjak ‚August‘ : malomešnjak ‚September‘).
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 360; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 303; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
3, 603; Holthausen, Afries. Wb.² 46; Richthofen, Afries.
Wb. 827; Holthausen, Ae. et. Wb. 170; Bosworth-Toller,
AS Dict. 553; Suppl. 559 f.; Suppl. 2, 42; Vries, Anord.
et. Wb.² 249; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 257; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 44 f.; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 124. — E. Hofmann, ZVSp 59 (1931),
135—139; Schumacher 1937: 67—71; M. Vasmer, ZSlPh
19 (1947), 449; Krahe-Meid 1969: 3, § 150a; H. Jeske,
SNPh 55 (1983), 34. 37 f. — Walde-Pokorny 1, 409; Po-
korny 574; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 881.
1705.