horo
Volume IV, Column 1150
Symbol XML file TEI Symbol PDF file PDF Citation symbol Citation

horoAWB n. a-St., seit dem 3. Viertel des
8. Jh.s in Gl., bei O, N und im Ph: Erde, Brei,
Schlamm, Morast, Schmutz; caenum, fimus,
limus, lutum, -us, paluster, salsugo, stercus,
testa, uligo
Var.: hora, -e; -ǒ-; dat.sg. ho-
ruue, akk.sg. horuua. Im Nom. und Akk.Sg.
ist -w im absoluten Auslaut zu o vokalisiert
worden. In den obliquen Kasus tritt zwischen
r und w häufig ein Sproßvokal auf, meistens o
(dat.sg. horouue z. B. O) oder a (gen.sg. ho-
rauues z. B. Gl. 1,636,36, 8./9. Jh., alem.),
doch liegt mitunter auch Einfluß des Endsil-
benvokals vor (dat.sg. horeuue N). Mhd. hor
st. n. kotiger Boden, Kot, Schmutz, spätmhd.
auch horb mit b als bilabialer Spirans für w
aus den obliquen Kasus (vgl. Wilmanns 1911:
§ 123), frühnhd. hor n. Kot, Schmutz, nhd.
nur noch mdartl.: els. hor n. veraltet Kot,
Schmutz
, bad., schwäb. hor(b) n. veraltet
Kot, bair. hor, horw, horb n. Kot, meckl.
hor n. Schlamm, Schmutz, Kot, auch in ON
und FlurN (in der Bedeutung Sumpf):
schwäb. horb (am oberen Neckar), horwiesen,
schweiz. horw, tirol. horlach n., steir. hor,
har(b) Kot, Straßenkot, bad. horbächlein,
pfälz. horacker, südhess. horlache f. Teil eines
alten Mainabschnitts, osächs. hor n. Bezeich-
nung für ein nasses Wald- oder Wiesenstück.

Ahd. Wb. 4, 1265 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 402; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 562; Schützeichel⁶ 167; Starck-Wells
285; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 394; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 296 (II); Seebold,
ChWdW8 164; Graff 4, 1000 f.; Lexer 1, 1337 f.; 3,
Nachtr. 246; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 81 (caenum). 376
(limus). 384 (lutum). 627 (stercus); Dt. Wb. 10, 1801.
Braune-Reiffenstein 2004: §§ 32. 69. 203 (Paradigma
von horo) und Anm. 1. 205; Schatz 1927: §§ 288. 317,
1; Wilmanns [190630] 1967: 2, § 183, 3. Schweiz.
Id. 2, 1592 f.; Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. 1, 368;
Ochs, Bad. Wb. 2, 768; Fischer, Schwäb. Wb. 3, 1812 f.;
Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 1157; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 301; Unger-Khull, Steir. Wortschatz 356;
Christmann, Pfälz. Wb. 3, 1175; Maurer-Mulch, Süd-
hess. Wb. 3, 709; Frings-Große, Wb. d. obersächs.
Mdaa. 2, 394; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 3, 807.
Förstemann [190016] 196667: 2, 1, 14171423.

Dem ahd. Wort entsprechen: as. horu, horo
st. n. oder m. Schmutz, Kot (nur im Hel),
mndd. hōr(e) n. Dreck, Unrat, Kot, Mist,
Schlamm, Lehm
; andfrk. horo n. Schmutz,
mndl. hore n. Schlamm, Dreck, Kot; afries.
hore n. Schlamm, Kot, nfries. hor, hār
Dreck, Schlamm und mit gramm. Wechsel
(dazu s. u.) ae. horh Kot, Schmutz, Schleim,
Eiter, Unreinheit
mit Erhalt des auslautenden
-h (vgl. Brunner 1965: § 233; anders W.
Schulze, KS Schulze 1933: 113 Anm. 1: Neu-
bildung in Analogie zu feorh feores, mearh
meares) neben späterem horġ mit umgekehr-
ter Schreibung
ġ für h (vgl. Brunner 1965:
§ 223 Anm. 1), gen.sg. hore(w)es neben selte-
nem hōres mit Ersatzdehnung nach dem
Schwund des -h- zwischen Konsonant und
Vokal (vgl. Brunner 1965: § 218, 1), me.
hōr(e), hori(e), heore dss.; aisl. horr m.
Schmutz, Nasenschleim, nisl. hor dss..

Ahd. horo und die anderen westgerm. Wörter
mit Vokal im Auslaut erweisen eine Vorform
westgerm. *χorwa- (mit Verallgemeinerung
von westgerm. *w aus urgerm. * mit Verlust
von * vor hellem Vokal der obliquen Kasus;
vgl. ahd. gen.sg. horowes < urgerm.
*χuresa) < urgerm. *χura-. Ae. horh und
wohl auch aisl. horr sind dagegen aus west-
germ. *χorχa- mit Schwund des labialen Ele-
ments (vgl. Brunner 1965: § 228 Anm. 3) <
urgerm. *χurχa- entstanden. Die Fortsetzung
der stimmhaften Variante ist für das Aisl. auf
jeden Fall auszuschließen, da dann aisl.
*horgr zu erwarten wäre (vgl. Schaffner 2001:
219).

Bereits E. Sievers (PBB 9 [1884], 232) hatte
wegen des Ae. nämlich Nom.Sg. horh, aber
Gen.Sg. hor(e)wes ein urspr. Paradigma mit
gramm. Wechsel urgerm. *χurχa- : *χura-
angenommen. Doch ist das Nebeneinander
von ae. Nom.Sg. horh < urgerm. *χurχa und
Gen.Sg. hor(e)wes < urgerm. *χuresa
schwer zu erklären, da das Vernersche Gesetz
nicht mehr einzelsprachlich wirkt. Deshalb
schlägt Schaffner 2001: 220 die Annahme von
zwei synonymen Wörtern unterschiedlicher
Stammbildung vor, die sich erst im Lauf der
englischen Sprachgeschichte angenähert ha-
ben: urgerm. *χurχa- > ae. horh und urgerm.
*χura-, das in den obliquen Kasus mit -w-
fortgesetzt ist (zur gesamten Problematik von
ahd. horo usw. vgl. Schaffner 2001: 217221).

Fick 3 (Germ.)⁴ 95; Holthausen, As. Wb. 36; Sehrt, Wb.
z. Hel.² 270 f.; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 193; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 354; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 2, 299 f.; Quak, Wortkonkordanz zu d. am.-
u. andfrk. Ps. u. Gl. 93; Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u.
Gl. 200; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 590; Holthau-
sen, Afries. Wb.² 46; Richthofen, Afries. Wb. 826; Fry-
ske wb. 9, 35; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr.
2, 104; Holthausen, Ae. et. Wb. 170; Bosworth-Toller,
AS Dict. 553; Suppl. 559; ME Dict. s. v.; Vries, Anord.
et. Wb.² 249; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 124.
Holthausen 1921: § 281; Brunner 1965: § 234.

Urgerm. *χurχa- : *χura- ist mit Beibehal-
tung des Akzentwechsels auf vorurgerm.
*kko- : *kkó- rückführbar. Die Tiefstufe
des Germ. könnte aus einem urspr. kollektiven
Plural uridg. *kká-h₂ stammen (Schaffner
2001: 220). Eine andere Ablautstufe setzen ai.
kalká- m. Schmutz, Teig, Paste, Sünde und
air. corc-ach f. Sumpf < uridg. *korko- fort.
Die Verwandtschaft mit ai. kalká- kann aber
nur aufrecht erhalten werden, wenn unetymo-
logisches l für r eingetreten ist; vgl. ai. álam
passend, genug neben áram, babhluá-
bräunlich neben babhruá- (Wackernagel
[18961964] 195787: 1, § 193). Der Ansatz
eines uridg. Labiovelars ergibt sich aus dem
Germ.

Walde-Pokorny 1, 409. 429; Pokorny 573; Mayrhofer,
K. et. Wb. d. Aind. 1, 183; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 2,
210; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-208; Dict. of
Irish C-477. R. Much, ZDA 42 (1898), 169.

Information

Volume IV, Column 1150

Show print version
Citation symbol Citation
Symbol XML file Download (TEI)
Symbol PDF file Download (PDF)

Lemma:
Referenced in: