humerâle n. ja-St.?, humerâl n. a-St.,
nur in Gl., vorwiegend im SH: ‚Schulterge-
wand, Schulterüberwurf des Priesters; su-
perhumerale‘ 〈Var.: humasle mit einem an
falscher Stelle gesetzten Kürzel -er-〉. Das
Wort ist aus mlat. humerale ‚Schultertuch
des Priesters‘, auch ‚Kleidungsstück jüdi-
scher Priester‘, entlehnt. Der erste Beleg aus
dem 1. Drittel des 9. Jh.s (Holder 2,602,2,
Bad. LB, Fragment Aug. 147, alem.) zeigt
noch die mlat. Graphie, die sich bis ins Nhd.
erhalten hat. Seit dem 12. Jh. kommen auch
an das ahd. Sprachsystem assimilierte For-
men ohne ausl. -e vor. Eine andere Bildung
ist wohl ahd. humerri n. ja-St. ‚dss.‘ (SH
〈humerare〉 Gl. 3,308,56, Ende des 12. Jh.s)
mit dem lat. Lehnsuffix -ri, das aus mlat.
homorarium (für humerale; s. Du Cange² 4,
262) übernommen wurde. — Mhd. humerâl,
humeler, umbrâl, umbrâle ‚Humeral, Schul-
tertuch bei der Meßkleidung‘, nhd. Humera-
le ‚reichverziertes, unter der Albe getragenes
Schultertuch des katholischen Geistlichen‘.
Ahd. Wb. 4, 1354 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 410; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 568; Schützeichel⁶ 170; Starck-Wells
291; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 433; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 77. 151. 319. 630. 849; Le-
xer 2, 1748; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 567 (superhu-
merale). — LThK 5, 332; Duden 1999: 4, 1650.
In den romanischen Sprachen lebt mlat.
(h)umerale nur in arum. umarar ‚Schulterbe-
deckung‘ weiter. Lat. umerāle n. ‚Militärman-
tel‘, mlat. umerale, humerale (mit unetymolo-
gischem h-) ist von lat. umerus m. ‚Schulter,
Vorderbug [bei Tieren], Gebirgsrücken‘ mit
dem denominalen Suffix -ālis zur Bildung n.
Subst. abgeleitet (vgl. fōcāle ‚Halstuch‘ : f.
faucēs pl. ‚Kehle, Hals, Gurgel‘, cervīcāle,
cervīcal ‚Kopfkissen‘ : cervīx f. ‚Nacken, Ge-
nick, Hals‘; Leumann [1926—28] 1977:
§ 313, 3). Zu lat. umerus m. < *Homeso stellt
sich der umbr. Lok.Sg. m. onse ‚Schulter‘ (<
*Homes-i; vgl. Meiser 1998: § 61, 1). Mfrz.,
nfrz. humérus ‚Oberarm(knochen)‘ setzt das
lat. Wort unmittelbar fort.
Außeritalische Verwandte sind: got. ams* m.
a-St. ‚Schulter; ὦμος‘ (oder amsa* m. n-St.,
nur akk.pl. amsans Lk. 15, 15), aisl. ass m.
‚Bergrücken‘ < urgerm. *amsa-; ai. áṃsa- m.
‚Schulter‘; gr. ὦμος m. ‚Schulter, Achsel mit-
samt dem Oberarm‘ (äol. auch mit kurzem o:
ἐπ-ομμάδιος ‚auf den Schultern‘); arm. ows
‚Schulter‘; toch. A es, B āntse ‚dss.‘. Die ein-
zelsprachlichen Fortsetzer weisen auf einen
urspr. proterodynamischen s-St., der themati-
siert wurde. Im It. wurde sw. *Hom-és- ver-
allgemeinert, in den übrigen Sprachen setzte
sich die st. Stammform durch.
Fick 3 (Germ.)⁴ 16 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 16; Fritz-
ner, Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 77; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 7; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 40 f.;
Lehmann, Gothic Et. Dict. A-139. — Walde-Pokorny 2,
815; Pokorny 778; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 1, 14;
ders., Et. Wb. d. Altindoar. 1, 37; Frisk, Gr. et. Wb. 2,
1148; Chantraine, Dict. ét. gr. 1301; Untermann, Wb. d.
Osk.-Umbr. 798; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 815;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 746; Niermeyer, Med. Lat.
lex.² 2, 1370; Du Cange² 4, 262; Körting, Lat.-rom.
Wb.³ Nr. 4669; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4231;
Wartburg, Frz. et. Wb. 4, 510; Adams, Dict. of Toch. B
43 f. — Casaretto 2004: 62; Olsen 1999: 21.