jakuno, jako
Band V, Spalte 261
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jakunoAWB, jakoAWB m. n-St., im Abr (1,194,
15 [Pa, Kb, Ra]): Diakon; diaconus Var.:
iaguno, lachono; Iacho, i.caho . lachono
(Pa) ist Verschreibung von jakuno, die Kurz-
form jako liegt ausschließlich in Verschrei-
bungen vor: Iacho (Pa) und i.caho (Kb).
Das Wort ist aus dem Lat. entlehnt. Auf-
grund der Anl.veränderung *d- > j- ist ei-
ne sprechsprachliche Entlehnung aus nord-
italien. *(d)āgo(no) wahrscheinlich (s. u.),
die von Anfang an in Konkurrenz zur schrift-
sprachlichen Übernahme des mlat. Worts
diaconus stand; diese erscheint in ahd. dia-
kan m. a-St. im T (Ahd. Wb. 2, 426; Splett,
Ahd. Wb. 1, 134) und ahd. diaconentuom
(s. d.) sowie in den mhd. und nhd. Fortset-
zern des Wortes. Dabei zeigt mhd. dîâken
die zu erwartende Endsilbenabschwächung,
während in nhd. Diakon der Vollvokal in der
Endsilbe nach lat.-gr. Vorbild wieder ein-
geführt wurde.

Rückschlüsse auf die Lautgestalt der ahd.
Form(en) lassen die Entlehnungen in das
Tschech. und Slowak. zu: Aus dem Ahd.
jakuno oder eher iaguno entlehnt sind
atschech. jáhen mit Var. jáhan, ntschech.
jáhen Diakon, slowak. jáhen; dazu das
seltene Fem. tschech. jáhenka weiblicher
Diakon
. Der Übergang *g > tschech. h er-
folgte spätestens im 13. Jh. (Newerkla 2011:
45). Das tschech. Wort erfordert eine Vor-
form mit -g- (eine ahd. Vorform mit -ch-
[-χ-] scheidet aus, da dieses immer als
atschech. -ch- erscheint [Newerkla 2011: 52.
54]). Sofern keine direkte Entlehnung des
tschech. Worts aus dem norditalien. Sprach-
areal stattgefunden hat, muss ihm ein ahd.
Wort zugrunde liegen. Für dieses gibt es
zwei Entstehungsmöglichkeiten: 1) Ahd.
iaguno ist nur graphische Variation von
iacuno. Das ahd. Wort ist dann vor der zwei-
ten Lautverschiebung aus einer rom. Form
*(d)āgo(no) entlehnt worden und wurde mit
-g- ins Westslaw. übernommen. 2) Beide
ahd. Formen sind sprachwirklich, iaguno
ist eine jüngere, von einem Schreiber mit
Kenntnissen des Rom. nach seinem Kennt-
nisstand (falsch) abgeschriebene Form. Die-
se jüngere Form wurde vor dem 12. Jh. ins
Tschech. entlehnt. Problematisch sind die
Schreibungen lacho (mit l für i) und lacho-
no (Gl. 1,194,16 [Pa]), da <ch> in der Regel
für den stimmlosen velaren Reibelaut ver-
wendet wird. Ahd. /jācho(no)/ ist eine aus
rom. */āko(no)-/ verschobene Form, in der
noch nicht die eigentlich zu erwartende rom.
Lenisierung von /k/ zu /g/ eingetreten ist;
es handelt sich wohl um die Übernahme
der schriftsprachlichen Form. Mhd. dîâken
st.m. Diakon, Pfarrhelfer, Pfleger, nhd.
Diakon m. Pfarrhelfer, kirchlicher Bediens-
teter, Geistlicher, Armen- und Kranken-
pfleger
.

Ahd. Wb. 4, 1780; Splett, Ahd. Wb. 1, 134; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 640; Schützeichel⁷ 168; Starck-Wells
823. 850; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 104;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 253. 747; Seebold,
ChWdW8 172; Graff 1, 594; Lexer 1, 422; 3, Nachtr.
120; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 179 (diaconus); Dt.
Wb. 2, 1055; Dt. Wb.² 6, 849 f.; Kluge²¹ 130; Kluge²⁵
s.v. Diakon; Pfeifer, Et. Wb.² 221 f. Schatz 1927:
§§ 215. 293; Splett 1976: 170 f. 271. Waag 1931:
47 f.; DRW 2, 794. Newerkla 2011: 94. 179.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. dīaken; frühmndl., mndl. diaken un-
ter dem Priester stehender Kirchenfunk-
tionär
, nndl. diaken, selten auch diacon;
afries. diacon, diākon, nwestfries. diaken,
dyaken; ae. dīacon, dēacon, me. dēken Dia-
kon, Vorleser in der Kirche, Levit
, ne. dea-
con Diakon; aisl. djákn, djáken(i) m., nisl.
djákn, djákni, diakon, ndän. degn Küster,
Kirchendiener
, nnorw. (nn.) dekn, (bm., nn.)
diakon, nschwed. dial. dekn, nschwed. djäk-
ne Diakon, Gymnasiast, diakon Diakon,
ält. schwed. auch diak dss.; got. diakaúnus
m. u-St. Diakon.

In den einzelnen germ. Sprachen wurde das
Wort unabhängig voneinander entlehnt, wo-
bei in den nordgerm. Sprachen ebenso wie
im Dt. neben einer älteren oft auch noch ei-
ne jüngere Entlehnung nach lat.-gr. Vorbild
stattgefunden hat. Im Engl. richten sich die
ae. Formen nach der lat. Vorlage, während
die me. Form eine vulgäre oder sprech-
sprachliche Übernahme des Wortes ist. Die
ne. Form ist in ihrer Schreibung wieder vom
Lat. beeinflusst.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 1, 422; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 1, 513; VMNW s.v. diaken; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 2, 145; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 115; Suppl. 33; Vries, Ndls. et. wb. 114; Et.
wb. Ndl. A-E 563; Boutkan, OFris. et. dict. 72; Hof-
mann-Popkema, Afries. Wb. 100; Richthofen, Afries.
Wb. 686; Fryske wb. 4, 3; Dijkstra, Friesch Wb. 1,
270; Bosworth-Toller, AS Dict. 203; Suppl. 151; ME
Dict. s. v. dēken; OED² s. v. deacon n.¹; Vries, Anord.
et. Wb.² 77; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 970 f.; Mag-
nússon, sl. Orðsb. 116; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog 1, 247; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 37;
Nielsen, Dansk et. ordb. 87; Ordb. o. d. danske sprog
3, 709; Torp, Nynorsk et. ordb. 60; NOB s.vv. (nn.)
dekn, (bm., nn.) daikon; Hellquist, Svensk et. ordb.³
146; Svenska akad. ordb. s.vv. diak, diakon, djäk-
ne; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 118; Lehmann, Gothic
Et. Dict. D-17.

Das Wort stellt eine Entlehnung aus kir-
chenlat. diāconus dar, das selbst wiederum
aus gr. δικονος m. Diener, Bote (bereits
bei Herodot in der Form ion. διήκονος)
übernommen ist. Daneben begegnet die we-
sentlich jüngere, erst in Papyri belegte Bil-
dung gr. δικων, -νος m. dss., daraus ent-
lehnt lat. diācō(n), -ōnis m. Im Mlat. zeigt
sich bei diesem Wort eine gemischte De-
klination nach der lat. 2. und 3. Klasse. Die
Entwicklung des Anl. lat. diV- > iV- /jV-/ ist
vereinzelt bereits in der Kaiserzeit bezeugt;
auch ahd. jako (s. o.) erfordert eine Form
mlat. *(d)iāc/gus bzw. rom. *(d)jāgo mit be-
reits erfolgter rom. Lenisierung -k- > -g-, wie
sie letztlich auch von südfrz. diago Junge,
venezian., bergam., bresc. zago tölpelhaft
höfliches Benehmen
fortgesetzt wird. Zum
Bed.wandel vgl. etwa nhd. Knabe neben
Knappe.

Die Kurzform mlat. *(d)iāc/gus oder rom. *(d)jāgo
ohne Lenisierung liegt auch kroat. đȃk Schüler zu-
grunde. Dieses steht neben schriftsprachlich beein-
flusstem älterem kroat. dijak. Daneben wurde zur
Bez. des Kirchenamts die n-haltige Form als kroat.
đȁkon entlehnt. Ebenfalls auf rom. *dkon° beruht
die ausgehend von Aquileia als dem kirchlichen
Zentrum in Istrien und Dalmatien verbreitete Form
kroat. dial. (akav.) ȁkan, gen. ȁkna dss.. Die
längere Form wird auch in der Bed. Diakon in den
rom. Sprachen fortgesetzt; vgl. italien. diacono, sard.
giáganu, frz. diacre, prov. diague, katal. diaca, span.
diácono, aport. diagoo; siz. yákuna Klosterschü-
lerin
; bergam. zagan verwachsen.

Die Kurzformen in der Slavia orthodoxa stammen
wohl durchweg aus mgr./ngr. διάκος m. Unklar ist, ob
diese gr. Form auch ins Mlat. entlehnt wurde oder ob
dort eine unabhängige Kürzung bzw. eine morpho-
logische Umgestaltung von diācō(n) > *diacus statt-
fand. Das Wort begegnet als Entlehnung entweder aus
der längeren oder der kürzeren gr. oder lat. Form
durchgängig in den slaw. Sprachen; vgl. etwa aksl.
dijakonъ, ksl. di(j)akъ, russ.-ksl. di(j)akonъ, dьjakonъ
neben di(j)akъ, russ. (veralt.) d’jakъ Kirchendiener,
Sekretär, Vorsänger
, d’jaok Küster, Kirchendie-
ner
, ukrain., bulg. djak Kirchensänger, slowen.
diják Student, diákon Diakon (letzteres vielleicht
über das Dt.); ung. deák Schüler, Student, das La-
teinische
, alt Schreiber, Sekretär, diák lateinisch,
Lateiner, Student
ist Entlehnung aus einer südslaw.
Sprache, rum. diag dss. wiederum aus dem Ung.;
poln. djakon, älter dziakon Diakon.

Darüber hinaus zeigen auch das Tschech. und Slowak.
Fortsetzer der Kurzform wohl über rom. Vermittlung
(tschech. ák Schüler, slowak. iak dss. < *dāk-),
während ält. osorb. diak Schreiber direkt aus dem
Lat. übernommen ist.

Ebenfalls aus dem Kirchenlat. entlehnt sind
air. dechon m., mir. deochain, deochán
Diakon und kymr. diacon, diagon Dia-
kon
. Hier könnte die Form mit -g- einer äl-
teren Schicht angehören, da das Wort noch
die kymr. Lenierung der mittleren Tenuis
zeigt; doch ist auch die Entlehnung einer
rom. Form möglich.

Walde-Pokorny 1, 398 f.; Pokorny 564; Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 384 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 276 f.; Beekes,
Et. dict. of Gr. 1, 328; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.
171; Thes. ling. lat. 5, 1, 943 f.; Niermeyer, Med. Lat.
lex.² 1, 432; Du Cange² 3, 95. 97; Körting, Lat.-rom.
Wb.³ Nr. 2943; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 2623;
Wartburg, Frz. et. Wb. 3, 66; Berneker, Slav. et. Wb.
1, 198 f.; Et. slov. jaz. staroslov. 132; Bezlaj, Etim.
slov. slov. jez. 1, 101; Snoj, Slov. etim. slov.² 108 f.;
Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 386; ders., t. slov. russ. jaz.
1, 560; Schuster-ewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 151;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. D-32; Dict. of Irish D-
195 f.; Dict. of Welsh 944. Stotz 19962004: 1,
522 f.; 3, 235; Gluhak 1993: 217.

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