krieg m. a-St., in Gl. 2,320,43 (2. Vier-
tel des 9. Jh.s, alem.) nom.sg. kreg . perti-
naciae und Gl. 2,322,21 (4 Hss.) kreg . per-
tinaciae: ‚Starrsinn, Hartnäckigkeit; pertina-
cia‘ (dazu einen Neufund krieg . gwerra [für
guerra] [14. Jh., alem.]). — Mhd. kriec (-g-)
st.m. ‚Anstrengung, Streben, Widerstreben,
Widerstand, Anfechtung, Streit, Kampf,
Krieg‘, nhd. Krieg m. ‚mit Waffengewalt
ausgetragener Konflikt zwischen Staaten,
Völkern, größere militärische Auseinander-
setzung, die sich über einen längeren Zeit-
raum erstreckt‘.
Ahd. Wb. 5, 407; Splett, Ahd. Wb. 1, 485; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 680; Schützeichel⁷ 183; Starck-Wells
347; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 340; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 138c. 298 (II); Seebold,
ChWdW9 480; Graff 4, 589; Lexer 1, 1726 f.; 3,
Nachtr. 282; Dt. Wb. 11, 2212 ff.; Kluge²¹ 405f.; Klu-
ge²⁵ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 734. — DRW 7, 1520 ff.
In den anderen germ. Sprachen entspre-
chen: mndd. krīch ‚Streit, Zank, Zwist,
Hader‘; mndl. crijch ‚Anstrengung, Streit‘,
nndl. krijg ‚Krieg‘; nwestfries. kriich ‚Krieg,
Anstrengung, Streit‘ < urgerm. *krei̯a-. Die
ahd. Lautform weist auf späturgerm. *ē², die
anderen Formen auf späturgerm. *ī. Der
Unterschied im Vokalismus ergibt sich aus
der Stellung von *ē² aus dem Diphthong *ei̯
vor tiefem Vokal (vgl. dazu Ramat 1981:
23 f.), ebenso wie bei ahd. stiega ‚Treppe‘
(s. d.).
Das Subst. ist vermutlich von einem (im
Ahd. nicht fortgesetzten) st.v. urgerm. *krei̯-
e/a- ‚sich anstrengen, streben‘ abgeleitet. In
den meisten germ. Sprachen ist das st. Verb
jedoch nicht leicht abzugrenzen von einem
aus urgerm. *krei̯a- hervorgegangenem sw.
Verb mit der Bed. ‚Krieg führen‘. Möglich
ist auch, dass das st. Verb teils zu einem sw.
Verb geworden ist: mhd. krîgen st.v. ‚sich
anstrengen, streben, ringen, trachten, bekom-
men, erhalten‘, sw.v. ‚andringen, widerstre-
ben, kämpfen, streiten‘, nhd. kriegen sw.v.
‚Krieg führen, bekommen, erhalten‘; mndd.
krīgen st.v. ‚bekommen, erhalten‘, sw.v.
‚streiten, Krieg führen‘; mndl. crīgen st.v.
‚sich anstrengen, streben, ringen, hingehen,
ziehen, streiten, kämpfen, bekommen, er-
werben‘, nndl. krijgen st.v. ‚bekommen‘,
sw.v. ‚Krieg führen‘; afries. krīg(i)a sw.v.
‚erhalten, bekommen, gewinnen, kommen in,
ergreifen, erwischen, erobern‘, nwestfries.
krije ‚bekommen‘, kriigje ‚Krieg führen‘,
saterfries. kriege ‚kriegen, bekommen‘.
Nhd. kriegen (und Verwandte) in der Bed.
‚bekommen‘ ist aus der Präfixbildung mit er-
(vgl. mhd. erkrîgen ‚erlangen, erwerben‘) bei
Verlust des Präfixes entstanden (semantisch
zu vergleichen ist nhd. erstreben).
Dazu stellen sich die ahd. Bildungen ein-
kriegilîh ‚beharrlich, hartnäckig, ausdauernd‘
(s. d.) und widarkriegilîn ‚halsstarrig‘ (s. d.).
Wegen der Bed. ist die Zugehörigkeit von
afries. halskrīga f. ‚Halsversteifung‘ frag-
lich.
Fick 3 (Germ.)⁴ 53; Seebold, Germ. st. Verben
306; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 670 f.;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 567 ff.; VMNW s. vv.
crighen, crijch; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3,
2097 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 349 f.; Vries,
Ndls. et. wb. 362; Et. wb. Ndl. Ke-R 131; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 201. 282; Richthofen, Afries.
Wb. 794. 879; Fryske wb. 11, 315 f. 319 ff.; Dijkstra,
Friesch Wb. 2, 94; Fort, Saterfries. Wb. 125. — Lexer
1, 1729 f. 1732; 3, Nachtr. 282. — Noreen 1894: 32.
Die weitere Herkunft ist unsicher. Wenn die
semantische Analyse von E. Aumann (PBB
61 [1937], 257—259) zutrifft und die Grund-
bed. der Wortsippe ‚wenden, kehren‘ ist,
kann das st. Verb urgerm. *krei̯a- zur Ver-
balwz. uridg. *ger- ‚drehen, winden‘ gestellt
werden. Als Vorform ergäbe sich *gr-ei̯- (zu
diesem Typus vgl. uridg. *dhegu̯h- ‚mit Feuer
behandeln, verbrennen‘ : *dhgu̯h-ei̯- ‚hin-
schwinden, zugrunde gehen‘), die sekundär
um ein Element *-k- erweitert wurde.
Sowohl semantisch wie auch lautlich wenig
wahrscheinlich ist die Zusammenstellung mit
gr. βρῖθος m. ‚Wucht, Gewicht, Last‘, das
letztendlich auf uridg. *gu̯rih₁- ‚mit Schwere‘
zurückgeht (vgl. dazu NIL 108 mit Literatur;
noch unsicherer ist die Zugehörigkeit von
lett. grīns ‚finster, mürrisch‘ und air. brīg
‚Kraft, Macht, Wert‘).
Semantisch ausgeschlossen ist eine Ver-
knüpfung mit ai. úpa jrayati ‚erstreckt sich‘
(dazu auch ai. jráyas- ‚Strecke, Erstreckung‘,
jav. zraiiah-, apers. drayah- ‚Meer‘), heth.
karai-tt-/kari-tt- ‚Flut‘ < uridg. *ĝrei̯- ‚sich
erstrecken‘.
Die Vielfältigkeit der Sippe schließt ein Sub-
stratwort (so vorgeschlagen von Vries, Ndls.
et. wb. 362) aus.
Walde-Pokorny 1, 685 f.; Pokorny 477; LIV² 170;
Mayrhofer, KEWA 1, 449 f.; ders., EWAia 1, 606 f.;
Bartholomae, Airan. Wb.² 1701 f.; Horn, Grdr. d.
npers. Et. 125; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 267 f.; Chantraine,
Dict. ét. gr. 196; Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 239;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 1, 657; Fick 2
(Kelt.)⁴ 185; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 77 f.;
Hessens Ir. Lex. 1, 109; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. B-90; Kavanagh-Wodtko, Lex. OIr. Gl. 156 f.;
Dict. of Irish B-188 f.