lâgella
Band V, Spalte 968
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lâgella f. ō-St., seit dem 10. Jh. in Gl.,
daneben lâgel n. a-St./f. ō-St.?, seit dem
12. Jh. in Gl.: Fässchen, Fass, Fass als Flüs-
sigkeitsmaß; amphora, cadus, lagella [= la-
goena], lagoena [vas fictile vel lapideum],
laguncula, metreta
Var.: -e-, -æ-; -ill-, -ila,
-ela. Das Wort ist aus dem Diminutiv mlat.
lagella f. Fässchen entlehnt. Mitzka und
Seebold (Kluge21/25) nehmen (m)lat. lagōna
f. Flasche mit engem Hals und dickem
Bauch
als Basis für das ahd. Wort an, da-
gegen sprechen aber die frühen ahd. lâgella-
Belege. Das Genus von nur im Nom.Sg.
überliefertem lâgel ist nicht sicher zu be-
stimmen: Handelt es sich um ein Fem., ist
Apokope von -a eingetreten. Mhd. lâgele,
lægele sw.f., lâgel, lægel st.f./st.n. Fässchen,
bestimmtes Maß oder Gewicht
, frühnhd.
lagel, lägel m./f./n. Gefäß für Flüssigkeiten,
Hohlmaß, Maßeinheit für Flüssigkeiten und
and. schüttbare Stoffe
, nhd. mdartl. nahezu
flächendeckend verbreitet: schweiz. lāgel n.,
lōgel m./n./f., lägel m. längliches Fass zum
Weintransport, Maßangabe, Weinbütte, Jau-
chenfass, hölzernes Fässchen mit Deckel
und Schnabel zum Trinken
, els. lagel, lo-
gel n. Flüssigkeitsmaß (50 l), bad. lägel,
lägele m./f./n. kleines Fässchen, Transport-
fass, Trinkgefäß, Fischbehälter, Hohlmaß
,
schwäb. lägel f./n. Gefäß für Flüssigkeiten,
vorarlb. lägel f. längliches Fässchen, Fass
zum Transport von Jauche
, bair. lägel n.
Fässchen, tirol. lāgl n. Fässchen für Wein,
Hohlmaß, Bottich der Fischer
, steir. lagel n.
Fässchen, Gewichtsbez. für Stahl, dt.-lothr.
kontrahiert läl f. Fässchen, rhein. legel,
kontrahiert leil m./n./f. Gefäß zur Trauben-
lese, Wassergefäß aus Holz, strohgeflochte-
ner Korb für gekneteten Teig
, pfälz. lagel
f./n., lägel n. Hohlmaß für Flüssigkeiten,
hohes Gefäß mit Tragegurten, kleines Fäss-
chen
, südhess. legel n./m. Gefäß zur Wein-
lese, das ca. 50 l Trauben fasst, Flüssig-
keitsmaß, Holzkanne mit Klappdeckel
,
kurhess. legel n. Fässchen, hess.-nassau. lä-
gel m./n. Kufe zur Weinlese, nassau. lägel,
kontrahiert leel n. Weinbutte, Weinmaß,
thür. lägel n./m. Fässchen, Hohlmaß,
osächs. lägel m./n. kleines Fass, märk. le-
chel n. kleines, hölzernes Fass (beeinflusst
von mndd. lēchel), mittelelb. lǟgel n. klei-
nes Holzfass, ein bisschen, ein wenig
,
schles. lägel n. kleines, hölzernes Fass für
Getränke, Weinkrug
, siebenbürg.-sächs. lä-
gel(n) n. Fass zur Aufbewahrung und Trans-
port von Lebensmitteln und Flüssigkeiten
,
ndsächs. lēgel, lǟgel, lechel m./n. Fässchen
für Alkohol oder Trinkwasser, hölzernes
Gefäß mit Deckel
, lüneb. lech’l n. Kruke
aus Holz oder Ton
, schlesw.-holst., meckl.
lechel, leihel n. hölzernes Fässchen mit
Spundloch, das gefüllt mit Buttermilch oder
Braunbier zu der Feldarbeit mitgenommen
wird
, preuß. lägel m./n. kleine, hölzerne
Tonne für Branntwein oder Leinöl
. Die
mdartl. Formen mit -ō- gehen auf mhd. -ā-
zurück. Das seit dem Frühnhd. belegte m.
Genus ist durch die zahlreichen m. Werk-
zeugbez. auf -el (Hebel, Hobel, Kübel usw.)
verursacht.

Ahd. Wb. 5, 586; Splett, Ahd. Wb. 1, 507; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 700; Schützeichel⁷ 191; Starck-Wells
358; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 446 f.; Graff
2, 156; Lexer 1, 1813 f.; 3, Nachtr. 289; Frühnhd. Wb.
9, 51 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 87 (cadus). 316
(lagena, laguncula); Dt. Wb. 12, 61 f.; Kluge²¹ 418;
Kluge²⁵ s. v. Lägel. Schweiz. Id. 3, 1167 f.; Martin-
Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. 1, 571; Ochs, Bad. Wb. 3,
352; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 921 f.; 6, 2 Nachtr.
2416; Jutz, Vorarlberg. Wb. 2, 206 f.; Schmeller, Bay-
er. Wb.² 1, 1453; Schöpf, Tirol. Id. 359; Schatz, Wb.
d. tirol. Mdaa. 1, 368; Unger-Khull, Steir. Wortschatz
423 f.; Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 1, 327; Mül-
ler, Rhein. Wb. 5, 290 f.; Christmann, Pfälz. Wb. 4,
736 f.; Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau 260 f.;
Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 4, 327; Vilmar, Id. von
Kurhessen 240; Berthold, Hessen-nassau. Volkswb.
2, 11; Spangenberg, Thür. Wb. 4, 27; Frings-Große,
Wb. d. obersächs. Mdaa. 3, 6; Bretschneider, Bran-
denb.-berlin. Wb. 3, 59 f.; Kettmann, Mittelelb. Wb. 2,
798 f.; Mitzka, Schles. Wb. 2, 784; Schullerus, Sieben-
bürg.-sächs. Wb. 6, 10; Jungandreas, Ndsächs. Wb. 8,
126 f.; Kück, Lüneb. Wb. 2, 285; Mensing, Schleswig-
holst. Wb. 3, 423 f.; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 4,
865 f.; Frischbier, Preuß. Wb. 2, 2 f.; Riemann, Preuß.
Wb. 3, 747 f. DRW 8, 283. H. Gradl, ZVSp 19
(1870), 52; Franz 1883: 31 f.; Rohr 1909: 43 f. 120; J.
Jud, ZRPh 38 (1917), 54; Post 1982: 199. 255; Schup-
pener 2002: 380 f.

Das mlat. Lehnwort ist von Oberitalien über
die Ostalpen bis ins Mndd. und Mndl. vor-
gedrungen und erscheint über mndd./mndl.
Vermittlung auch in nordgerm. Sprachen:
mndd. lāge (< *lāgel), lēgen, lēchel(en) f./n.
kleines Fass; frühmndl. laghele m./n. Krug,
Fässchen
(a. 1240), mndl. lagele, legel(e) m./
f./n. Krug, Urne, Ledersack, (Wein-) Fass;
nnordfries. löiel Lägel; spätaisl., nisl. legill
m. Holzgefäß, Flasche, ält. dän. læghæl,
ndän. legel, lejle, nnorw. dial. legel, aschwed.
läghil, nschwed. lägel dss..

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 723; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 612; 6, Nachtr. 198; VMNW
s. v. laghele; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 60 ff.;
Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries. XXXIII; Vries,
Anord. et. Wb.² 350; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 1070;
Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 453; Holthau-
sen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 176; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 631; Magnússon, sl. Orðsb. 551; Ordb.
o. d. danske sprog 12, 594; Torp, Nynorsk et. ordb.
369 f.; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 605; Svenska akad.
ordb. s. v. lägel. Fischer 1909: 61; Alanne 1950: 60.
143; Müller-Frings 196668: 1, 68. 70 f.; 2, 298 f.

In den rom. Sprachen selbst hat das bis ins
Nordgerm. verbreitete Lehnwort kaum Spu-
ren hinterlassen. Lediglich mfrz. lagene f.
Flasche setzt lat. lagēna (daneben auch
lagōna, lagūna, lagoena) fort.

Lat. lagōna wiederum ist aus dem gleichbed.
gr. λάγῡνος m. übernommen. Es handelt sich
um ein altes Kulturwort, das auch in heth.
lahanni- c. Flasche, Krug, meist aus Gold
oder Silber
belegt ist. Das heth. Wort, das
nur in hurr. Festbeschreibungen und Ritua-
len vorkommt, ist über das Akkad. aus dem
Sumer. entlehnt (vgl. akkad. laanu[m],
sumer. DUGLA.A.AN Trinkschale).

Für russ. dial. lágev Fässchen, tschech. lá-
hev Flasche, Bouteille, slowak. dial. l’agva
fassähnliches, hölzernes Gefäß, poln. ła-
giew Holzbecher, łagwica Lägel, osorb.
łahej Flasche, ndsorb. łagwja dss. < ur-
slaw. *lagy, gen.sg. *lagъve, wird dt. Ver-
mittlung angenommen, doch ist die Basis un-
sicher. Mhd. lâgele kommt wegen der Form,
mhd. lâge st.f. Legung, Lage wegen der
Bed. nicht in Frage. Am ehesten ist an bair.
lâgen Fässchen oder mndd. lāge f./n. Lä-
gel
zu denken.

Frisk, Gr. et. Wb. 2, 69; Chantraine, Dict. ét. gr. 611;
Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 820; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. 1, 752; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 338;
Thes. ling. lat. 7, 2, 894 f.; Niermeyer, Med. Lat. lex.²
1, 757; Du Cange² 5, 13; Wartburg, Frz. et. Wb. 5,
131; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 685; Trubaëv, t.
slov. slav. jaz. 14, 16; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 4;
ders., t. slov. russ. jaz. 2, 446; Schuster-ewc, Hist.-
et. Wb. d. Sorb. 758 f.; Kronasser, Etym. d. heth. Spr.
2, 244; Tischler, Heth. et. Gl. L-M 11 f.; CHD L-N 6.
Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 1453; Newerkla 2011: 72.
129 f.

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