lêo
Volume V, Column 1182
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lêo m. wa-St., im Abr (1,206,15. 262,7
[Kb, Ra]), in der Sam (1,13,4) und weiteren
Gl., im M: Grabhügel, Grabmal, Gedenk-
stein, Hügel, Haufen, Wall, Damm; acervus,
agger, mausoleum, titulus, tumulus
(zu legir
fazî, -a Grabstätte; coemeterium, das wohl
nicht hierher gehört, s. fazzî) Var.: hl-;
-aeo, -ee-, -ew-. Der Dat.Pl. leirum mit
Suffix -ir- als Pluralmarker in Gl. 1,380,30
(Rb) ist wohl sekundär nach den n. s-St. ge-
bildet (zur Stammklasse s. u.; Schatz 1907:
§ 99; Braune-Reiffenstein 2004: § 204 Anm.
4; zum w-Ausfall vgl. dies. 2004: § 110
Anm. 1). Mhd. lê, -wes st.m. Hügel, früh-
nhd. le m. Hügel, Erdaufwurf [als Grenz-
zeichen]
, nhd. nur noch in ON und FlurN
sowie in der Schweiz als Appellativum lēw
m. (kleiner) Hügel, Anhöhe (vgl. Schweiz.
Id. 3, 1544; Bischoff 1979: 817; R. Lühr, in
Beekes 1992: 275 f.).

Ahd. Wb. 5, 819 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 527; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 716; Schützeichel⁷ 198; Starck-
Wells 370. 825; Schützeichel, Glossenwortschatz 6,
49; Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 253. 296 (II).
298 (I). 895; Seebold, ChWdW8 188; ders., ChWdW9
506; Graff 4, 1093; Lexer 1, 1845; Frühnhd. Wb. 9,
1098 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 17 (agger). 586
(titulus). Bach 1952 ff.: 2, § 288.

Germ. Entsprechungen sind: as. hlēu* m./n.
wa-St. Grab (nur dat.sg. hleuue im Hel),
mndd. lē selten in ON und FlurN (vgl. Bi-
schoff 1979: 57); andfrk. lēo in Topony-
men (a. 980), (frühmndl. lewe in ON wie
Levves, Sint Peters Leeuw und PN wie van
lewe Van Leeuw; vgl. Bischoff 1979: 7 f.;
Udolph 1994: 865 f.), mndl. lee m. Hügel
im ON Heiligerlee; ae. hlǣw, hlāw m. (selten
und spät auch n.) Hügel, Grabhügel, Höh-
le
; run. (norw.) hlaiwa Grabhügel (Stein
von Bø, um 500; vgl. Krause 1966: 181 f.);
got. hlaiw n. wa-St. Grab; μνημεῖον, τάφος:
< urgerm. *χla-a- Abhang, Hügel.

Wegen ahd. leirum (s. o.), des umgelaute-
ten ae. hlǣw (doch daneben hlāw ohne Um-
laut) und des got. Pluraletantum hlaiwasnos
f. ō-St. Gräber; μνημεῖα, μνήματα (mit
Spirantendissimilation.; vgl. Braune-Heider-
manns 2004: § 79 Anm. 4) neben hlaiw hat
man mitunter einen urgerm. *-iz-/-az-St.
*χlaiz- angenommen (vgl. W. v. Unwerth,
PBB 36 [1910], 21; Campbell [1959] 1997:
§ 636; Schubert 1968: 38). Wie aber Casaret-
to (2004: 161. 376) darlegt, sprechen dagegen
mehrere Gründe: Zum einen ist es die run. Evi-
denz eines wa-St., die Wz.struktur von got.
hlaiw usw., die zusammen mit dem außer-
germ. Anschluss gegen eine Segmentierung
*χla-az- (das got. *hlaiwis ergeben hätte)
sprechen (s. u.). Zum anderen weist die Wort-
bildung von got. hlaiwasnos nicht zwingend
auf eine Ableitung mit Suff. *-nō- von einem
alten *-iz-/-az-St., auch eine Sekundärbildung
auf *-(a)snō- mit urspr. kollektiver Bed. zu
hlaiw (vgl. got. filu-sna* f. ō-St. Übermaß,
Menge
: filu adj. viel) ist möglich.

Für finn. laiva, estn. laev, liv. lǭja Schiff, Boot hat
man Entlehnung aus urgerm. *flaa-, urnord. *flauja,
das in aisl. fley n. Schiff, (kleine) Fähre fortgesetzt
ist, oder urgerm. *χlaa-, urnord. *hlaiwa Grab er-
wogen. Aufgrund der übereinstimmenden Bed. ist
unter Annahme einer Metathese, die durch weitere
Fälle gestützt werden kann (vgl. Kylstra, Lehnwörter
2, 160) eine Übernahme aus urgerm. *flaa- wahr-
scheinlicher.

Eine Bed.entwicklung von Grab zu Schiff wäre
höchstens im Zusammenhang mit den im 6. Jh. n.
Chr. in Skandinavien aufkommenden Schiffsbestat-
tungen denkbar. An der finn. Küste sind Boote in
Brandgräbern im 7. und 8. Jh. nachgewiesen. Ritter
(1993: 180) nimmt so einen semantischen Wandel
von ins Grab legen > ins Schiff legen (das als Grab
diente)
und die Herauslösung von *χlaa- in der
Bed. Schiff an.

Fick 3 (Germ.)⁴ 112; Tiefenbach, As. Handwb. 170;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 261; Berr, Et. Gl. to Hel. 195;
ONW s. v. lēo; VMNW s. v. lewe²; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 4, 250; Holthausen, Ae. et. Wb. 162; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 540; Suppl. 548; Vries, Anord.
et. Wb.² 234; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 261; Leh-
mann, Gothic Et. Dict. H-73; Kylstra, Lehnwörter 2,
159 f. Krause 1968: § 108, 4; Krahe-Meid 1969: 3,
§§ 77, 4. 96; Darms 1978: 227; Bammesberger 1990:
69; Ritter 1993: 116118. 210; Neri 2003: 208 f.

Aus urgerm. *χlaa- Grab, Grabhöhle, Hü-
gel
(bzw. got. hlaiw) wurde aksl. chlě
Stall (davon abgeleitet chlěvina Behau-
sung, Gebäude
mit Suffix -ina- zur de-
nom. Ableitung von Kollektiva; vgl. Biel-
feldt 1961: § 149, 3) übernommen (so schon
R. Meringer, IF 16 [1904], 117 f.). Die Bed.-
entwicklung zu Stall erklärt sich daraus,
dass urspr. Höhlen für die Unterbringung des
Viehs dienten. Das Lehnwort erscheint in
den anderen slaw. Sprachen als russ. chlév,
ukrain. chliv, bulg. chlěv, serbo-kroat. hlȉjev,
slowen. hlév, tschech. chlév, slowak. chliev
Stall, poln. chlew (Vieh-)Stall, osorb.
chlěw, ndsorb. klěw (Schweine-)Stall.

Der von einigen Autoren (z.B. Mladenov 1909: 129 f.;
Schuster-ewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 385; Machek
1997: 199) vertretene slaw. Urspr. des Wortes ist we-
nig überzeugend. Schuster-ewc begründet seine Auf-
fassung u. a. damit, dass für die Slawen als einem
Ackerbauervolk kein Grund für eine Entlehnung der
Bez. für den Stall bestanden habe.

Urgerm. *χlaa- < vorurgerm. *loo-
stimmt genau zu lat. clīvus m. Hügel, Berg-
weg, Anberg
< vorurit. *loo- (mit lautge-
setzlicher Entwicklung von uridg. *-o- > lat.
-ī- zwischen l und folgendem Labial; vgl.
Meiser [1998] 2010: § 63, 3), das im Ablaut
zur Wz. uridg. *le- sich anlehnen steht
(zu den verbalen Fortsetzern der Wurzel s. li-
nên
). Der Ansatz mit palatalem * erfolgt auf-
grund des Indoiran. und Balt. (z.B. ai. 3. sg.
präs.med. ráyate < uridg. *eto, lett. 1.sg.
präs. sleju lehne an, stütze < uridg. *oh₂).

Wegen der Bed. der slaw. Entlehnung nehmen Sten-
der-Petersen [1927] 1974: 237 ff. und R. Meringer, IF
16 (1904), 117 ff. für das urgerm. Wort eine Grund-
bed. (hölzernes) Totenhaus, Hütte an und stellen es
zur Wz. *el- warm, kalt (Pokorny 551) (vgl. ae.
hlēo[w] Obdach, Decke, Schutz [mit -ēo wohl < *-ěw
wie in cnēo]). Wie aber schon C. C. Uhlenbeck, PBB
30 (1905), 291 gezeigt hat, ist diese Verbindung
abzulehnen. Das germ. Wort müsste dann von lat.
clīvus getrennt werden, wofür es keine germ. Evi-
denz gibt; nicht besser Trier 1951: 54: zur Wz. *el-
bergen, verhüllen.

Walde-Pokorny 1, 490 f.; Pokorny 600f.; LIV² 332 f.;
Mayrhofer, KEWA 3, 388 f.; ders., EWAia 2, 665;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 236; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 127 f. (s. v. clī-); de Vaan, Et. dict. of
Lat. 122; Thes. ling. lat. 3, 1356 ff.; Berneker, Slav.
et. Wb. 1, 389 f.; Trubaëv, t. slov. slav. jaz. 8, 30 f.;
Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 1, 197; Snoj, Slov. et. slov.²
206; Vasmer, Russ. et. Wb. 3, 245 f.; ders., t. slov.
russ. jaz. 4, 243; Schuster-ewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb.
384 f.; Olesch, Thes. ling. drav.-polab. 114 f.; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 939 f.; Karulis,
Latv. et. vārd. 2, 225 f. Kiparsky 1934: 176f.; Krau-
se 1968: § 41, 2; Newerkla 2011: 101 f.

S. linên.

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