lîh
Band V, Spalte 1263
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

lîh f. i-St./n. a-St., im Abr und wei-
teren Gl., im I, T, bei O, in NMC, Nps und
Npw: Körper, Leib, Fleisch, leibliche Ge-
stalt, Leichnam, Überzug des Schildes; ca-
ro, corpus, funus, tergum
, in fleiskes lîchî
menschgeworden; incarnatus, zi lîh im
Innern des Leibes; intus
Var.: -i-; -hh-,
-chc. Die Formen nach der f. i-Dekl. über-
wiegen bei weitem. Sichere Belege für einen
n. a-St. liefert der Dat.Sg. lihhe bei I und
licha in Gl. 1,452,19 (Göttweig, StiftsB 46/
103 und Clm. 22201, beide 12. Jh.). Mhd.
lîch st.f. Leib, Körper, Körperoberfläche,
Leibesgestalt, Aussehen, Leiche, Leichenbe-
gängnis
, ze lîbe unt ouch ze lîch für den
Leib und seine Gestalt
, frühnhd. leiche f.,
vereinzelt m. Körper eines Verstorbenen,
Beerdigung, Leichenbegängnis
, nhd. Leiche
f. toter menschlicher (oder tierischer) Kör-
per, Leichnam
, mdartl. auch Leichenbe-
gängnis, Begräbnis
.

Ahd. Wb. 5, 934 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 539; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 722; Schützeichel⁷ 200; Starck-
Wells 374; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 79;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 246. 681; Seebold,
ChWdW8 191 f.; ders., ChWdW9 517; Graff 2, 103 f.;
Lexer 1, 1896 f.; 3, Nachtr. 298; Frühnhd. Wb. 9,
765 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 252 (funus); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 92 (caro). 325 (incarnatus); Dt.
Wb. 12, 612 ff.; Kluge²¹ 432; Kluge²⁵ s. v. Leiche;
Pfeifer, Et. Wb.² 784.

Das Wort ist gemeingerm. Ursprungs. Es
entsprechen: as. līk n. a-St. Körper, Leich-
nam, Gestalt
(Hel, Gen), mndd. līk, liek n.,
selten m. Leiche, der für das Begräbnis vor-
bereitete Leichnam
; frühmndl. lijc n. Lei-
che, Leichnam, Begräbnis
(a. 1240), mndl.
lijc, like n. dss., nndl. lijk Leiche, Leich-
nam
; afries. līk n. Leiche, līke f. Leib,
nwestfries. lyk Leiche, toter Körper, sater-
fries. lieke dss., nnordfries. lik dss.; ae. līc
n. lebender Körper, Leiche, me. līch, liche,
like dss., ne. obsolet lich Leiche, auch in
lich-owl Schleiereule (deren Ruf angeblich
den nahen Tod eines Angehörigen ankün-
digt); aisl. lík n. Körper, Gestalt, Aussehen,
Leichnam
, nisl., fär. lík, adän. lyk, ndän. lig
lebendiger Körper, toter Körper, nnorw.
(bm., nn.) lik toter Körper, aschwed. līk
Gestalt, Aussehen, Leiche, nschwed. lik
Leiche; got. leik n. a-St. Körper, σῶμα;
Fleisch, σάρξ; Leib, Leichnam, πτῶμα
: <
urgerm. *līkan- n. Gestalt, Körper.

Das Wort ist eine Substantivierung des als
HG in gilîh (s. d.) begegnenden Adj. urgerm.
*līka-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 366; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 382; Tiefenbach, As. Handwb. 242; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 338; Berr, Et. Gl. to Hel. 246 f.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 819 (līk¹); Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 691 f.; VMNW s.v. lijc; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 621 ff.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 388 (lijk²); Suppl. 101 (lijk²); Vries, Ndls. et.
wb. 401; Et. wb. Ndl. Ke-R 230 (lijk¹); Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 303; Richthofen, Afries. Wb.
901; Fryske wb. 12, 288 f. (lyk¹); Dijkstra, Friesch
Wb. 2, 121; Fort, Saterfries. Wb. 130; Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. XXXIII; Holthausen, Ae.
et. Wb. 200; Bosworth-Toller, AS Dict. 636; ME Dict.
s. v. līch n.; OED² s. v. lich n.; Vries, Anord. et. Wb.²
356 (lík¹); Jóhannesson, Isl. et. Wb. 733f.; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 519 (lík¹); Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 181 (līk¹); Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 642 (lig¹); Magnússon, sl. Orðsb. 562
(lík¹); Nielsen, Dansk et. ordb. 261; Ordb. o. d.
danske sprog 12, 791 ff. (lig¹); Bjorvand, Våre arve-
ord² 659 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 378 f.; NOB s.v.
lik¹; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 573 (lik¹); Svenska
akad. ordb. s.v. lik subst.¹; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
327 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. L-30.

Urgerm. *līkan- geht auf vorurgerm. *le(H)g-
o- (oder *liHg-o-) zurück. Da das Germ. hin-
sichtlich der vormaligen Existenz eines La-
ryngals in dieser Position keine Rückschlüs-
se zulässt, muss auch die genaue Vorform
des germ. Worts unsicher bleiben, wenn-
gleich vollstufiges uridg. *le(H)g-o- die
wahrscheinlichere Var. ist. Anschluss findet
das Wort nur im Balt., wo Ableitungen zur
Wz. *le(H)g-/*liHg- in allen balt. Sprachen
belegt sind. Aufgrund der dort anzutreffen-
den Formen mit Fortsetzungen eines (meist
akutierten) urbalt. *ī kommen hier zwei Lö-
sungen in Frage: Akzeptiert man das
Wintersche Gesetz (Dehnung von Kurzvokal
zu Langvokal vor Media im Balt.), sind die
balt. Wörter auf uridg. *lig- zurückzuführen,
die Wz. selbst ist somit als uridg. *leg-
anzusetzen. Akzeptiert man dieses Lautge-
setz nicht, ist entsprechend uridg. *liHg-
bzw. *leHg- zu rekonstruieren. Im Balt. sind
zu der genannten Wz. u. a. belegt: lit. adj. l-
gus (Akz.-Kl. 1; daneben auch lygùs [Akz.-
Kl. 3]) gleich, gleichartig, konjunkt. lg(u)
gleichsam, gleich wie (< vorurbalt. *li[H]g-
ú-), lgti gleich kommen, vergleichen kön-
nen, dingen
, lett. līgt [lĩgt] dingen, über-
einkommen
, līdzīgs [lĩdzîgs] ähnlich, lī-
dz(i) [lĩdz(i)] (zu-)gleich, mit, bis, apreuß.
līgint(on) richten, denominal zu apreuß. lī-
gan Gericht, Urteil, adv. polīgu(n) gleich.
Für die zugrunde liegende Wurzel ist am
ehesten eine Grundbed. gleich(en), ähnlich
(sein)
anzunehmen. Davon ausgehend kam
es einerseits im Germ. zur Bed.entwicklung
was einem (Menschen) gleicht > Gestalt
> Körper, andererseits im Apreuß. zur
Bed.entwicklung was einem gleicht > was
einem zusteht
> Urteil (> Gericht).

Walde-Pokorny 2, 398 f.; Pokorny 667; Fraenkel, Lit.
et. Wb. 370 f.; Smoczyski, Słow. et. jz. lit. 355;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 477 ff. 481.
483; Karulis, Latv. et. vārd. 1, 519. 520 f. 533 f.;
Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 370 (līgint, lijgan).
404; Maiulis, Apreuß. et. Wb. 3, 58 f. 59 f. 316 f.;
Toporov, Prusskij jazyk L-231 ff. 240 ff.; Smoczyski,
Lex. d. apreuß. Verb. 223 f. Lühr 2000: 135; Ca-
saretto 2004: 83 f.

S. gilîh.

Information

Band V, Spalte 1263

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemma:
Referenziert in: