lîsteraAWB f. ō(n)-St., seit dem 11./12. Jh.
in Gl.: ‚Singdrossel; sepicecula‘ (turdus mu-
sicus) 〈Var.: -tir-, -tr-〉. — Mhd. lîster ‚ein
Vogel‘ (Ansatz mit -î- wegen der Fortsetzer
mit Diphthong), frühnhd. leister ‚Singdros-
sel‘ oder ‚Specht‘, nhd. mdartl. rhein. leister
f. ‚Singdrossel‘, auch ‚Misteldrossel‘, westf.
līster m. ‚Singdrossel‘, ndsächs. līster; vgl.
luxem. leister ‚Elster‘.
Ahd. Wb. 5, 1178; Splett, Ahd. Wb. 1, 1224; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 730; Schützeichel⁷ 204; Starck-Wells
380. XLIV. 825; Schützeichel, Glossenwortschatz 6,
121; Graff 2, 293; Lexer 1, 1937 (Ansatz lister);
Frühnhd. Wb. 9, 928 f. (leister³); Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 527 (sepicecula). — Suolahti [1909] 2000:
68. 195. — Müller, Rhein. Wb. 5, 377 f.; LLU 1, 266;
Woeste, Wb. d. westf. Mda. 162; Jungandreas,
Ndsächs. Wb. 8, 2, 247.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndl. lijstere, li(j)stre f., nndl. lijster ‚Sing-
vogel aus der Familie der Turdidae‘; nwest-
fries. lyster, klyster: < urgerm. *lχstrō- oder
*lei̯(χ)strō- (vgl. agalstra, vielleicht mit
Suff. *-istrijō-; Meid 1969: 3, § 140).
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 642; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 389; Suppl. 101; Vries, Ndls. et. wb. 402;
Et. wb. Ndl. Ke-R 233; Fryske wb. 12, 333 f.; Dijkstra,
Friesch Wb. 2, 64. 124.
Die weitere Etymologie ist ungeklärt. Bis-
her wurden zwei Vorschläge unterbreitet, die
beide nicht überzeugen können:
1. Nach allgemeiner Auffassung handelt es
sich bei dem Wort um eine Ableitung von
der Wz. uridg. *lei̯(ĝ)- ‚springen‘ (vgl. npers.
ā-līz- ‚springen‘ < uridg. *léi̯(ĝ)-e/o-; got.
laikan ‚hüpfen, springen‘ und Verwandte <
uridg. *lé-loi̯(ĝ)/li(ĝ)-; s. leih ‚Gesang‘) und
setzt somit uridg. *lei̯(ĝ)-streh₂- (> *lei[k̂]-
streh₂- > urgerm. *lei̯χstrō-) fort. Jedoch ist
das ‚Hüpfen‘ sicher nicht das charakteris-
tische Merkmal der Singdrossel. Man müsste
daher, wenn man diese Verbindung aufrecht-
erhalten will, von einer Bed. ‚singen‘ aus-
gehen, wie sie auch in leih (s. d.) vorliegt,
dort jedoch sekundär zu sein scheint.
2. Nach Petersson 1923: 4 ist das Wort da-
gegen mit gr. λιγύς ‚hell-, lauttönend, hell-
klingend, -schwirrend‘ (neben λιγυρός) zu
verbinden. Das würde zwar semantisch pas-
sen, aber das gr. Wort selbst ist ebenfalls oh-
ne weitere Etymologie.
Vielleicht ist nicht ganz auszuschließen, dass
ein vormaliges Wort entweder durch Formen
von agalstra ‚Elster‘ (s. d.), wie agaleistra,
beeinflusst worden ist oder ahd. lîstera gar
eine Kürzung dieses Wortes darstellt (zu
einer solchen Kürzung vgl. luxem. [ugs.]
leister ‚Elster‘ [s. o.]).
Walde-Pokorny 2, 399; Pokorny 667 f.; LIV² 405;
Cheung, Et. dict. of Iran. verb 311; Horn, Grdr. d.
npers. Et. 11; Frisk, Gr. et. Wb. 2, 121 f.; Chantraine,
Dict. ét. gr. 639 f.; Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 861.