ladôn sw.v. II, im Abr und weiteren
Gl., B, GB, T, MF, O, Prs B, NBo, NMC,
Nps, Npg, Npw, WH: ‚laden, einladen, zu
Gast bitten, berufen, herbeirufen, auffordern,
veranlassen; accire, advocare, arcessere,
convocare, corrogare, deprecari, devocare,
evocare, flagitare, invitare, invocare, offer-
re, poscere, provocare, vocare‘ 〈Var.: -th-,
-dh-〉. In späten Quellen (N, WH und in Gl.
des 12. und 13. Jh.s) treten vereinzelt For-
men nach der III. sw. Kl. auf (vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: § 369 Anm. 2). — Mhd.
laden sw.v. ‚auffordern, berufen, einladen,
jmdn. dingen‘ (prät. ladete, synkopiertes lat-
te, lâte, part.prät. geladet, gelat, gelât). Unter
dem Einfluss des nicht verwandten homo-
phonen st.v. laden ‚laden, aufladen‘ (s. la-
dan) begegnen daneben auch Formen nach
der st. Flexion (bereits seit Luther überwiegt
das st. Prät. und Part.Prät.), frühnhd. laden
‚einladen, zum Kommen auffordern, vorla-
den, jmdn. herausfordern‘, nhd. laden st.v.
‚zum Kommen auffordern, zu Gast bitten‘.
Ahd. Wb. 5, 577 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 506; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 699; Schützeichel⁷ 191; Starck-Wells
357; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 442 f.; See-
bold, ChWdW8 184; ders., ChWdW9 491; Graff 2,
164; Lexer 1, 1811; Frühnhd. Wb. 9, 37 ff.; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 8 (accire). 307 (invitare); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 8 (accire). 19 (advocare). 152
(convocare). 155 (corrogare). 191 (devocare). 267
(flagitare). 354 (invocare). 501 (poscere). 717 (vo-
care); Dt. Wb. 12, 45 ff.; Kluge²¹ 418; Kluge²⁵ s. v.
laden; Pfeifer, Et. Wb.² 757. — DRW 8, 255 ff. — Raven
1963—67: 2, 84.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. lathon (inf. ladoian, lathian) sw.v. ‚ein-
laden, berufen‘, mndd. lāden sw.v. ‚einladen,
zu Gast bitten, vorladen, auffordern, einbe-
rufen, zitieren, beschwören‘ (prät. lādede,
lādde, part.prät. [ge-]lādet, daneben st.prät.
lōt, lōden), in Wendungen wie van gōde
gelāden ‚als Jünger berufen‘, bī dēme halse
lāden ‚unter Androhung der Todesstrafe vor-
laden‘; andfrk. lathon ‚rufen, einladen, auf-
fordern‘ (a. 1100), mndl. laden sw.v. ‚ein-
laden, zitieren, herbeirufen, herausfordern,
locken‘ (st.prät. loet, part.prät. geladen),
nndl. veraltet laden ‚aufrufen, vorladen,
einladen, herausfordern‘; afries. lathia, ladia
(mit Wandel von /-þ-/ > -d- im jüngeren
Afries.), laia (mit Schwächung von /-þ-/ > j)
sw.v. ‚einladen, vorladen‘, saterfries. lede
‚laden‘; ae. laþian sw.v. ‚einladen, auffor-
dern‘, me. lāthen ‚einladen, vorladen, auf-
fordern‘; aisl., nisl. laða sw.v., nnorw. lada
‚einladen, bitten‘; got. laþon sw.v. II ‚ein-
laden; καλεῖν‘: < urgerm. *laþōi̯e/a- sw.v. II
‚einladen‘.
Nach Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 323 u. a. ist
das sw. Verb ein Denominativ zu urgerm.
*laþō- f. ‚Einladung‘, das in run. laþu ‚Ein-
ladung, Zitation‘ (nur auf Brakteaten, z.B.
Brakteat von Fünen, ca. 475; vgl. Düwel
2008: 54), aisl. lǫð f. ‚Einladung‘, ae. -la-
þu f. ‚Einladung‘ (z.B. frēond-laþu ‚freund-
liche Einladung‘), mhd. lat st.f. ‚Einladung‘
fortgesetzt ist. Da aber das Verb urgerm.
*laþōi̯e/a- im Unterschied zum Nomen ge-
meingerm. ist, ist in *laþō- eher eine post-
verbale Bildung zu sehen (vgl. Wissmann
1938: 36 f.; Lühr 2000: 22).
Als Ableitungsbasis für das sw. Verb bie-
tet sich ein Subst. urgerm. *laþa- ‚Wille‘
an, das aber nur in got. laþa-leiko adv.
‚gern; ἥδιστα‘ fortgesetzt ist (vgl. waíra-
leiko ‚männlich‘ mit subst. Basis; nach Lühr
2000: 22: urgerm. *laþa- ‚willig‘; anders R.
Meringer, IF 16 [1904], 116; Wissmann
1938: 37: got. laþa-° < urgerm. *laþō-).
Demnach wäre als Ausgangsbedeutung für
*laþōi̯e/a- ‚jmdn. willkommen heißen‘ ⇒
‚einladen‘ ⇒ ‚herbeirufen‘ ⇒ ‚auffordern‘
anzunehmen.
Eine andere, weniger wahrscheinliche Mög-
lichkeit ist die Verbindung mit der Wurzel
uridg. *leh₁- ‚nachlassen, (zu-)lassen‘ (vgl.
LIV² 399). In diesem Fall wäre die Grund-
bed. von urgerm. *laþōi̯e/a- ‚jmdn. vor-
lassen‘ (s. u.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 359; Tiefenbach, As. Handwb. 233;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 318; Berr, Et. Gl. to Hel. 231;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 721; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 611; ONW s. v. lathon; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 33 f.; Vries, Ndls. et. wb.
381; Boutkan, OFris. et. dict. 229; Hofmann-Popke-
ma, Afries. Wb. 290; Richthofen, Afries. Wb. 885;
Fort, Saterfries. Wb. 129; Holthausen, Ae. et. Wb.
196; Bosworth-Toller, AS Dict. 623; Suppl. 608; ME
Dict. s. v. lāthen v.; Vries, Anord. et. Wb.² 343. 373;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 731; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 2, 391; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 172; Magnússon, Ísl. Orðsb. 540; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 323; Lehmann, Gothic Et. Dict. L-16.
— Wissmann 1938: 36 f.; Schubert 1968: 82; RGA² 28,
472.
Die Vorform von urgerm. *laþa- vorurgerm.
*lǝ́₁-to- (< *lǝ₁-tó-) zeigt Substantivierungs-
akzent. Von derselben Wz. stammt vielleicht
air. air-le f. ‚Behandlung, Handhabung, Vor-
schrift‘. Matasović (Et. dict. of Proto-Celt.
235) führt das Wort auf urkelt. *φare-la-yā-
< vorurkelt. *-h₁-i̯ah₂- zurück und hält eine
Verbindung mit der Sippe von uridg. *leh₁-
‚nachlassen‘ (s. o.) für möglich (nach de Ber-
nardo Stempel 1999: 574 ist das Subst. je-
doch eine retrograde Bildung zum Adj. air-
lam ‚bereit, gewillt, geschickt‘).
Eine weitere Anschlussmöglichkeit ist gr.
dor. λέω, λῶ ‚will, wünsche‘, kret. opt.
ΛEIOI, konj. ΛEIONTI, falls diese Verben
auf vorurgr. *léh₁i̯-e/o- oder *h₁-i̯é/ó- ‚wol-
len‘ beruhen (so Rasmussen 1989: 66 und
Kösling 1998: 245 f.; eher ablehnend R. S. P.
Beekes, IF 93 [1988], 35. 37). Wahrschein-
licher ist aber, dass die gr. Wörter zur Wort-
sippe um uridg. *u̯elh₁- ‚wählen, auswählen‘
(s. wellen, wollen) gehören und auf ein *i̯e/o-
Präs. vorurgr. *u̯h₁-i̯e/o- zurückgehen.
Kaum hierher zu stellen ist mhd. luoder n. ‚Lock-
speise‘ < urgerm. *lōþra-, da Ableitungen mit dem
Suffix uridg. *-tro- sonst nicht o-stufig sind. Auch
eine Segmentierung *lōþ-ra- widerrät, denn ro-
Ableitungen werden unmittelbar von der Wz. gebil-
det; vgl. Rasmussen 1989: 67.
Lautlich schwierig ist eine Verbindung von ahd. la-
dôn usw. mit heth. halzai-/ii̯a- ‚rufen, nennen‘, die
von Juret 1942: 20 und wieder von J. Puhvel, in Win-
ter 1965: 88 angenommen wird: Wz. *Aél-t-, *Al-ét-.
Bei einer Vorform *h₂alt- müsste man für das Germ.
eine unbegründbare Metathese zu *lǝ₂t- postulieren.
Walde-Pokorny 2, 394; Pokorny 665; LIV² 677 f.;
Frisk, Gr. et. Wb. 2, 150; Chantraine, Dict. ét. gr. 653;
Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 882; Matasović, Et. dict. of
Proto-Celt. 235; Hessens Ir. Lex. 1, 34; Vendryes,
Lex. ét. de l’irl. anc. A-46 f.; Dict. of Irish A-224 (s. v.
airle¹). — Rasmussen 1989: 66f.; Harðarson 1993: 84.
S. ladan.