lammila f. ō(n)-St., nur Gl. 3,382,51/52
(Oxford, Jun. 83, 12./13. Jh., mfrk.): ‚Klinge;
lamina‘ 〈Var.: nom.sg. lāmile〉. Das Wort
ist aus lat. lāmella f. ‚Blättchen‘ (s. u.) ent-
lehnt. Bei der Übernahme wurde das Wort an
Ableitungen auf -ila angeglichen, die u. a.
zur Bez. von Werkzeugen dienen. — Mhd.
lamille, lâmel, lemel, lomel st.n./f. ‚Klinge‘,
frühnhd. lamel, lämel f. ‚Klinge, dünne Me-
tallplatte, Skalpell‘, nhd. mdartl. schweiz.
lammelen, lämmelen, lummelen f. ‚Klinge‘,
els. lam(m)el, lummel m./f. ‚Messerklinge,
altes Messer‘, bad. lamel f./n. ‚dss.‘, schwäb.
lamel, lomel f. ‚stumpfe Messerklinge‘ (die
übertragenen Bed. ‚schmächtiges Geschöpf,
dürrer Ochse, träge Person‘ sind von der
Wortsippe um lummelig ‚schlaff‘ beein-
flusst), vorarlb. lummel f. ‚Klinge des Ta-
schenmessers‘, bair. lammel, lämmel, lommel
‚Klinge‘, lothr. lamel n./f. ‚Messerklinge‘,
rhein. lammel, lämmel, lämmer m. ‚Mes-
serklinge, altes, stumpfes Messer‘, pfälz.
lam(m)el f. (m./n.) ‚dss.‘, kurhess. lommel
‚Messerklinge ohne Heft‘, thür. lammel, lum-
mel m./f. ‚Messerklinge ohne Heft, altes,
stumpfes Messer‘, osächs. lummel f. ‚altes,
stumpfes Messer‘, übertr. Schimpfwort für
eine Frau, schles. lamel, lehmel, lomel ‚Klin-
ge‘, siebenbürg.-sächs. lämmel m./f./n. ‚Mes-
serklinge, altes Messer‘; vgl. auch tirol. lam-
men pl. ‚Stücke von ausgearbeiteten Roh-
eisen‘. Die mhd. Formen und ihre Fortsetzer
im Frühnhd. und nhd. Dialekten mit ihrer
Varianz des Wz.vokals -a/ä/o/u- sind dage-
gen eher aus dem Gallorom. übernommen,
da sich die unterschiedlichen Vokale in den
Entlehnungen aus einer lat. Ausgangsbasis
nicht erklären lassen (ein Lautwandel von
lat. -a- zu nhd. mdartl. -u- ist sonst nicht zu
beobachten; freundlicher Hinweis von Laura
Sturm). Besonders im Frz. sind unterschied-
liche Var. le-, li-, lu- belegt. Für märk. lem-
mel f. (n.), mittelelb. lemmel n., westf. läm-
mel, lüneb. lemel, lemm n., schlesw.-holst.,
meckl. lemmel n. ‚Messerklinge, Schneide‘
ist Vermittlung über das Ndl./Ndd. anzu-
nehmen (nach Teuchert 1972: 165 altes ndl.
Siedlerwort). Nhd. standardspr. Lamelle f.
‚schmales, dünnes, streifenförmiges Plätt-
chen, Blättchen unter dem Hut von Blätter-
pilzen, Rippe eines Heizkörpers, Teil der
Jalousie‘ ist eine Neuentlehnung aus frz.
lamelle f. ‚dünnes Plättchen, Hautschuppe,
Blättchen unter dem Hut von Blätterpilzen,
Deckglas [Mikroskopie]‘, das wiederum aus
lat. lāmella stammt.
Ahd. Wb. 5, 600; Splett, Ahd. Wb. 1, 514;
Schützeichel⁷ 191; Starck-Wells 359; Schützeichel,
Glossenwortschatz 5, 454; Bergmann-Stricker, Kata-
log Nr. 726; Lexer 1, 1816; 3, Nachtr. 290; Frühnhd.
Wb. 9, 73; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 80 (bractea).
316 (lamina); Kluge²¹ 420; Kluge²⁵ s. v. Lamelle;
Pfeifer, Et. Wb.² 761. — Müller-Frings 1966—68: 1,
162f.; 2, 299 f. — Schweiz. Id. 3, 1266; Martin-Lien-
hart, Wb. d. els. Mdaa. 1, 586; Ochs, Bad. Wb. 3, 356;
Fischer, Schwäb. Wb. 4, 937; 6, 2 Nachtr. 2419; Jutz,
Vorarlberg. Wb. 2, 311 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² 1,
1470; Schöpf, Tirol. Id. 363; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 1, 370; Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 1,
327; Müller, Rhein. Wb. 5, 69; Christmann, Pfälz. Wb.
4, 745; Vilmar, Id. von Kurhessen 252; Spangenberg,
Thür. Wb. 4, 364; Frings-Große, Wb. d. obersächs.
Mdaa. 3, 115 (Lummel¹); Bretschneider, Brandenb.-
berlin. Wb. 3, 94; Kettmann, Mittelelb. Wb. 2, 839;
Mitzka, Schles. Wb. 2, 785. 801. 818; Schullerus,
Siebenbürg.-sächs. Wb. 6, 15; Woeste, Wb. d. westf.
Mda. 156; Kück, Lüneb. Wb. 2, 287; Mensing, Schles-
wig-holst. Wb. 3, 451; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb.
4, 897. — Teuchert 1972: 62. 69 f. 101 f.
Mndd. lemmelen n. ‚Degenklinge, Messer-
blatt‘ ist aus afrz. lemele ‚Klinge‘ entlehnt.
Das trifft auch für mndl. lemmele, limmale,
lemmel, lemle, lempele, lemmer (mit Dissi-
milation von -l > -r wegen des anl. l-),
lemmet f./n. ‚Metallplättchen, Messerklinge‘
zu. Will man für mndl. lemmene, lemmen
nicht auch eine Vorform *lemmele anneh-
men, in der der Liquid -l- an vorhergehendes
-mm- assimiliert wurde, könnte mlat. lam-
mina die Ausgangsbasis sein, das mit i-Um-
laut zu mndl. lemmen(e) führt.
Nndl. lamelle ist wie nhd. Lamelle aus
gleichbed. frz. lamelle entlehnt.
Nwestfries. limmet, limmes, lems, sater-
fries. lämt ‚Messerklinge, Messerschärfe‘
sind wahrscheinlich aus nndl. lemmet ‚Klin-
ge‘ übernommen.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 779; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 662; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 4, 362 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 378; Vries,
Ndls. et. wb. 391; Et. wb. Ndl. Ke-R 174. 205 (lem-
met¹); Fryske wb. 12, 311; Dijkstra, Friesch Wb. 2,
123; Fort, Saterfries. Wb. 129. — Teuchert 1972: 438.
In den rom. Sprachen ist lat. lāmella noch
fortgesetzt als italien. mella ‚Radiermesser,
Kratzeisen‘ (mit dissimilatorischem Schwund
von la-, das als Artikel aufgefasst wurde),
norditalien. in der Bed. ‚kurzer, breiter De-
gen des Harlekins‘.
Lat. lāmella f. (mit Assimilation von -nl- >
-nn- < *lām-en-[e]lo-) ist eine Diminutiv-
bildung zu lat. lām(i)na f. ‚dünnes Stück Me-
tall, Blatt, Blech‘ (vgl. Leumann [1926—28]
1977: 306, 1).
Walde-Pokorny 2, 385. 643; Pokorny 1019; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 755 f.; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 339; de Vaan, Et. dict. of Lat. 325; Thes. ling.
lat. 7, 2, 901; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 5404;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4866; Wartburg, Frz.
et. Wb. 5, 134—138.
S. lanna.