*lenc
Band V, Spalte 1172
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*lenc adj., nur als substantivierter f.
ōn-St., im Abr (1,202,28 [Kb, Ra]): die
Linke, linke Hand; laeva
Var.: nom.sg.
lenka. Mhd. lenc, linc adj. link, linkisch,
unwissend
(mit Hebung von e > i vor
folgendem Nasal + Kons.), frühnhd. link
adj. links, falsch, verdächtig, hinterhältig,
verräterisch
, (nicht) link im backen sein
(nicht) schlagfertig sein, nhd. link adj. (nur
in attributiver Verwendung) auf der Seite
befindlich, wo das Herz des Menschen ist,
innen befindlich [von Stoffen, Wäschestü-
cken o. ä.]
, übertr. ungeschickt, unbehol-
fen
, mit links ohne besondere Anstren-
gung
, jmdn. links liegen lassen jmdn. be-
wusst übersehen
, mit dem linken Bein zu-
erst aufgestanden sein frühmorgens schlecht
gelaunt sein
.

Ahd. Wb. 5, 811; Splett, Ahd. Wb. 1, 526; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 715; Schützeichel⁷ 197; Starck-Wells
369; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 45; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 253. 298 (I); Seebold,
ChWdW8 188; Graff 2, 231; Lexer 1, 1924; Frühnhd.
Wb. 9, 1254 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 325 (leua);
Dt. Wb. 12, 1044 ff.; Kluge²¹ 442; Kluge²⁵ s. v. link;
Pfeifer, Et. Wb.² 804. Paul 2007: § L 7. Höfler
1899: 372; W. Sanders, FS Splett 1998: 243254;
Riecke 2004: 2, 164. Röhrich 2003: 2, 968.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. link; andfrk. slink links, mndl. lincs,
lincksch adv. links, slinc adj. link, nndl.
link adj. schlecht, gefährlich, links adv.
links, slinks adj., adv. arglistig: < urgerm.
*(s)lenka- Die urspr. Bedeutung war wohl
ungeschickt.

Von dem Adj. urgerm. *lenka- ist das Verb
nschwed. linka hinken, (sekundär?) ablau-
tend dazu auch nschwed. lanka ein wenig
hinken
, lunka trotten, ebenso wie dän. lin-
ke, lanke, abgeleitet.

Daneben existieren Formen mit anl. s-mobi-
le wie etwa mndl. slinc, slincs, nndl. slinks
link(s), schwed. slinka schlottern.

Fick 3 (Germ.)⁴ 111; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 827; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
701; ONW s. v. slink; VMNW s. v. slinc; Verwijs-Ver-
dam, Mndl. wb. 4, 661 f.; 7, 1283 f.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 390 f. 618; Suppl. 102. 152; Vries, Ndls. et.
wb. 403 f. 650; Et. wb. Ndl. Ke-R 239 (link², links); S-
Z 178 f. (s. vv. slinken, slinks); Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 664; Nielsen, Dansk et. ordb. 255 (lanke²).
263; Ordb. o. d. danske sprog 12, 393 f. (lanke²). 984;
Torp, Nynorsk et. ordb. 396 (lunka¹); NOB s. vv. (nn.)
linka, (nn.) lunka; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 577.
596; Svenska akad. ordb. s. vv. lanka v., linka, lunka
v.¹, slinka.

Urgerm. *(s)lenka- geht auf vorurgerm./ur-
idg.(?) *(s)lengo- zurück. Die Verknüpfung
mit außergerm. Wortmaterial ist schwierig.
Angeschlossen wurden nachved.-ai. laga-
adj. lahm, m. Lahmheit, lat. languēre
matt sein, gr. λαγγάζω lasse nach, er-
schlaffe
, gr. λαγαρός matt (z.B. Kluge²¹
442). Das lat. und das gr. Lexem können zur
Wz. uridg. *sle()- erschlaffen gehören und
auf uridg. *s-né-()-/*s-n-()- bzw. *s()-ró-
zurückgehen, für das lat. Wort ist auch eine
Rückführung auf eine n-Infigierung *sh₂-
n(é)-g- einer Wz. uridg. *sleh₂g-/*sh₂g- vor-
geschlagen worden. Zugehörig ist dann wei-
ter lat. laxus weit, locker < *s()-só-. We-
der die lat. noch die gr. Wortsippe lassen
jedoch eine eindeutige Bestimmung der ur-
spr. zugrunde liegenden Wz. zu. Weitere An-
schlüsse zu diesen Wz. sind ggf. ahd. lachan
Laken, Decke, slah schlaff, Nomina, die
entweder auf uridg. (*[s]leh₂g-/)*(s)h₂g-
oder uridg. *slo()- > urgerm. *(s)lak- zu-
rückgehen.

Die ai. und die germ. Etyma können jedoch
nur dann zu diesen Wz. gestellt werden,
wenn dort Formen ohne *s- fortgesetzt wur-
den und zudem der Nasal aus einem urspr. n-
Infix-Präs. ins Adj. verschleppt worden ist.
Folglich müsste es sich bei diesen Wz. um
Wz. mit s-mobile handeln oder die Wz. zu-
mindest im Germ. und Ai. als solche re-
interpretiert worden und das *s- sekundär
nach einem Nebeneinander von s-haltigen
und s-losen Formen getilgt worden sein.
Zudem wäre in diese sekundär s-losen Wz.
auch noch ggf. eine neue Vollstufe einge-
führt worden. Eine Verbindung mit den ai.
Wörtern erfordert also Zusatzannahmen.

Die Etym. von ai. laga- gilt trotz verschie-
dener Erklärungsversuche weiter als unge-
klärt (Mayrhofer, EWAia 3, 434 f.).

Schwierig ist auch die traditionelle Verknüp-
fung der Sippe um gr. λαγαρός mit toch. A
slākkär, toch. B slakkare* (< uridg. *sh₂g-
ró-?), da anstelle der bisher angenommenen
Bed. traurig für die toch. Lexeme nach der
toch.-skt. Bilingue mit toch. B slakkare* nun
die Bed. eilend, sich schnell bewegend, zitt-
rig
gilt (vgl. Adams, Dict. of Toch. B 723).

Ein weiterer Anschluss an die germ. Lexe-
me ist vielleicht im Balt vorhanden; vgl. lit.
lingti schwanken, wanken, lingúoti, lun-
gúoti schaukeln, wiegen, langóti dss., lett.
odzīt [uôdzît], ogāt [uôgât] dss.. Diese
Verben können als sekundär nasalinfigierte
und teilweise sekundär mit neuen Ablautstu-
fen versehene Formen auch zu einer Wz. ur-
idg. *sle()- gestellt werden, lassen aber auch
andere Erklärungen zu, etwa als sekundär na-
salisierte Formen einer Wz. uridg. *(s)leg-
(so z.B. implizit Fraenkel, Lit. et. Wb. 330 f.).

Walde-Pokorny 1, 498 f.; Pokorny 603. 959 f.; LIV²
565; Mayrhofer, KEWA 3, 85 f.; ders., EWAia 3,
434 f.; Frisk, Gr. et. Wb. 2, 68 f.; Chantraine, Dict. ét.
gr. 611; Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 820; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. 1, 758 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 340 (langeō). 348 (laxus); de Vaan, Et. dict. of
Lat. 325 (langeō). 331 (laxus); Fraenkel, Lit. et. Wb.
330 f.; Smoczyski, Słow. et. jz. lit. 356 f.; Mühlen-
bach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 546 (odzīt, ogāt); Ka-
rulis, Latv. et. vārd. 1, 554 (s. v. odzīt); Adams, Dict.
of Toch. B 723. Southern 1999: 79. 239.

S. lachan, slah.

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