liob
Band V, Spalte 1330
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

liob adj., T, OT, E, H, MF, O, Ol,
G, Prs A, GGB II, MGB, NBo, NCat,
NMC, Nps, Npg, Npw, WH, in zahlreichen
Gl. seit dem frühen 9. Jh., run. seit der 1.
Hälfte des 6. Jh.s (Bügelfibeln von Weimar;
s. u.): lieb, angenehm, freundlich, geliebt,
teuer, genehm, wohlgefällig, genehm, gewo-
gen, (subst.) Liebling, Geliebter, Freund (lio-
bêr, liobo), Freundin (lioba); acceptus, ama-
bilis, amans, amica, amicus, beneplacitus,
blandus, carus, complacitus, cupitus, deside-
rabilis, desideratus, dilectus, dis, dulcis, gra-
tiosus, gratuitus, gratus, melior [liobôro],
miratus, optatus, placabilis, potius [liobôro],
pretiosus, probatus, suadus, votivus
, liob
wesan / sîn lieb, angenehm sein, gefallen;
delectari
, iomanne liobôra wesan jmdm.
gewogen sein; malle
, zi liobêm habên lie-
ben
, liubira wesan lieber wollen; potius
velle
, liobaz zît Zeit des Wohlgefallens, des
Sich-Freuens; tempus beneplaciti
, liobiu
ding Annehmlichkeiten; suavia, in adv.
Verbindung al liobôsten am liebsten Var.:
-eo-, -iu-, -ie-, -u-; -p(-), -pp-. Die Graphie
-p- für /b/ ist besonders in älteren bair.
Quellen die übliche (vgl. Braune-Reiffen-
stein 2004: § 136 Anm. 1). Mit dem Adj.
verwandt sind die im Ablaut zu liob stehen-
den sw.v. I gilouben glauben, irlouben
zugestehen (s. dd.) sowie sw.v. II lobôn
loben (s. d.). Mhd. liep, -b- adj. lieb,
angenehm, erfreulich
, frühnhd., nhd. lieb
adj. geliebt, geschätzt, artig, brav, folgsam,
freundlich, willkommen, angenehm
.

Ahd. Wb. 5, 1025 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 548; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 727; Schützeichel⁷ 203; Starck-Wells
378. XLIV; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 124 f.;
Seebold, ChWdW8 12. 13. 14. 194; ders., ChWdW9
524; Graff 2, 51 ff.; Lexer 1, 1910 f.; Frühnhd. Wb. 9,
1115 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 104 (carus). 182
(dilectus). 344 (malle); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 35
(amans). 37 (amica, amicus). 72 (s. v. beneplacitum).
75 (blandus). 92 (carus). 122 (s. v. complacēre). 198
(dilectus). 294 (gratus). 389 (malle). 398 (melior).
452 (s. v. optare). 518 (pretiosus). 632 (suadus). 697
(s. v. velle); Dt. Wb. 12, 896 ff.; Kluge²¹ 440; Kluge²⁴
s. v. lieb; Pfeifer, Et. Wb.² 798 f.

Das Adj. ist gemeingerm.: as. liof lieb, ge-
liebt, freundlich, erfreulich; dilectus
, mndd.
lēf, līf lieb, wert, angenehm, beliebt, will-
kommen, teuer
, lēf hebben lieb haben, lēf
krīgen lieb gewinnen; andfrk. lief lieb; di-
lectus
(a. 1100), mndl. lief lieb, geliebt, be-
liebt, angenehm
, lief hebben lieb haben,
lief gewinnen lieb gewinnen, nndl. lief
lieb, wert, teuer, freundlich, liebenswürdig;
afries. liāf, liēf (mit awestfries. Vertretung
von /ia/ durch /ie/; vgl. Steller 1928: § 20a)
lieb, beliebt, genehm, angenehm, will-
kommen, verwandt
, liaf hebba lieb haben,
nwestfries. leaf, saterfries. ljoof lieb, ge-
liebt, kostbar, teuer, wert, artig, freundlich,
hübsch
; ae. lēof lieb, teuer, angenehm,
freundlich, begehrenswert, willkommen
, me.
lēf, lief, leof dss., ne. lief lieb, geliebt,
angenehm, teuer
; run.-norw. nom.sg.f. liu-
bu (mit iu für eu vor u der Folgesilbe;
Stein von Opedal, wohl Anfang des 5. Jh.s;
vgl. Krause 1966: Nr. 76), run.-schwed. PN
nom.sg.m. Ski[n]þa-leubaz (Stein von Skär-
kind, um 450; vgl. Krause 1966: Nr. 87),
aisl. ljúfr lieb, wert, freundlich, nisl. lju-
fur, adän. ljuv, nnorw. ljuv herrlich, an-
genehm, lieb, anmutig
(vgl. nnorw. dial.
ljuvleg angenehm, reizend), ält. schwed.
liūver, nschwed. ljuv lieb, geliebt, anmutig,
sanft, freundlich
; got. liufs lieb; ἀγαπητός;
langob. in PN wie Leobardus (< urgerm.
*lea- + *barđa-), Leupchiz (< urgerm.
*lea- + *īsa-), Leoaldo (< urgerm.
*lea- + *alda-) (vgl. Francovich Onesti
2000: 206): < urgerm. *lea- lieb, geliebt.

Fick 3 (Germ.)⁴ 376; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 376 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 244;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 340 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 249;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 765 f.; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. 2, 675f.; ONW s. v. lief²;
VMNW s. v. lief³; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4,
529 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 385; Vries, Ndls.
et. wb. 399; Et. wb. Ndl. Ke-R 224 f.; Boutkan, OFris.
et. dict. 238 f.; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 300;
Richthofen, Afries. Wb. 897; Fryske wb. 12, 148 ff.;
Dijkstra, Friesch Wb. 2, 126; Fort, Saterfries. Wb.
131; Faltings, Et. Wb. d. fries. Adj. 361 ff.; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 199; Bosworth-Toller, AS Dict. 631;
Suppl. 611; ME Dict. s. v. lēf adj., adv.; OED² s. v. lief
adj., adv.; Vries, Anord. et. Wb.² 361; Bjorvand, Våre
arveord² 669 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 748; Fritz-
ner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 548 f.; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 183; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 258; Magnússon, sl. Orðsb. 570; Torp,
Nynorsk et. ordb. 385; NOB s. v. ljuv; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 583; Svenska akad. ordb. s. v. ljuv;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 333; Lehmann, Gothic Et.
Dict. L-49; Bruckner, Spr. d. Langob. 277. Krahe-
Meid 1969: 3, § 68, 3; P. Lendinara, in Bremmer
1990: 291.

Das urspr. Verbaladj. urgerm. *lea- geht
wie aksl. ljubъ angenehm, süß (< urslaw.
*l’ubъ) auf vorurgerm., vorurslaw. *lebho-
zurück, eine Ableitung von der Verbalwz.
uridg. *lebh- gern haben, begehren, ver-
wirren
. In den slaw. Sprachen entsprechen
weiterhin: atschech. l’ub, tschech. lib süß,
angenehm
, slowak. l’ub lieb, angenehm,
slowen. ljb süß, lieb, serbo-kroat. ljb
lieb, geliebt, poln. luby lieb, angenehm,
polab. l’aib oder l’aib lieb, teuer, an-
genehm
, wruss. ljúby, russ., ukrain. ljúbyj
geliebt, teuer, osorb., ndsorb. luby lieb,
geliebt, wert, gemütlich
. Vom Adj. *l’ubъ
abgeleitet ist das gemeinslaw. Verb aksl.,
aruss. ljubiti, russ. ljubít’, ukrain. ljubty,
wruss. ljubí lieben, mögen, aruss. auch in
der Bed. küssen, serbo-kroat., slow. ljúbiti,
tschech. líbiti gern haben, lieben, atschech.
l’úbiti auch küssen, poln. lubi, polab. 3.
sg.präs. l’aib liebt, osorb. lubi, ndsorb.
lubi versprechen, geloben.

Im Balt. sind lit. liūbas lieb, liūbti (Spei-
sen, Getränke) gern haben, gern essen oder
trinken
aus dem Slaw. entlehnt. Das trifft
auch auf lett. ūbêt belieben zu, das ent-
weder direkt oder über das Lit. übernommen
wurde.

Dagegen liegt in lit. liaups Lob(lied) (mit
Intonationswechsel davon abgeleitet liáup-
sinti loben, verherrlichen) wohl eine Ablei-
tung von einem n. s-St. vorurbalt. *lebh-es-
vor, wobei im Lit. die Schwundstufe des
Suffixes verallgemeinert ist (vgl. ai. vat-
sá- m. Kalb, Junges, osset. wæs Kalb <
vorurindoiran. *et-s-ó (zu uridg. *ét-es-
Jahr). Anderer Auffassung ist Smoczyski,
Słow. et. jz. lit. 349, nach dem liaups ein
Postverbale zu liáupsinti ist.

Hierher zu stellen ist auch alb. lumë adj.
selig, glücklich < voruralb. *lubma-, das
auf eine tiefstufige Partizipialbildung uridg.
*lubh-nó- zur Verbalwz. *lebh- zurückgeht
(vgl. Matzinger 2006: 160).

Die verbale Basis zeigt unmittelbar osk. lou-
fir oder (vgl. aksl. ljubo ljubo entweder
oder
) < urit. *loβ-e-r, das möglicher-
weise einen vollstufigen Wz.stativ *lebh-e
+ -r es beliebt fortsetzt (vgl. LIV² 414).

In den anderen idg. Sprachen sind nur se-
kundäre Präsensbildungen nachzuweisen, so
tiefstufiges ved. lúbhyati begehrt heftig, ist
verwirrt
< vorurindoar. *lubh-é/ó- und alat.
lubet, lat. libet (mit u > i zwischen l und
folgendem Labial; vgl. Meiser [1998] 2010:
§ 59, 4) beliebt, gefällt, gelüstet, das wohl
auf eine Stativbildung vorurit. *lubh-eh₁-
e/o- zurückgeht (vgl. Lühr 2000: 25). Die
zu erwartende Hochstufe zeigt das Kaus.-
Iterativ ved. prati-lobháyant- durcheinan-
derbringend, verwirrend
< vorurindoar.
*-lobh-ée/o-.

Außerdem gehört wohl nur inschr. bezeugtes
gall. 2.sg. lubi imper. < urkelt. *lub-e/o-
hierher (nach Matasovi, Et. dict. of Proto-
Celt. 246 aus *lub-o-, doch spricht die En-
dung des Imper. und das Zeugnis der ver-
wandten Sprachen eher für ein *-e/o- Präs.).

Als Ausgangsbed. kann wohl sich im
Zustand seelischer Erregung befinden, die
durch eine starke emotionale Beziehung aus-
gelöst wurde
angenommen werden, die ent-
weder als lieben, gern haben oder irre
sein, verwirrt sein [vor Liebe]
fortgesetzt
wird. Das Nebeneinander beider Bedd. zeigt
npers. āluftan rasen, toll werden [vor Lie-
be], verwirrt sein, niedergeschlagen sein,
verliebt sein
(vgl. G. V. Morgenstierne, NTS
5 [1932], 54).

Hinfällig ist die von Wh. Stokes, ZVSp 40 (1907), 247
vorgeschlagene Verbindung von air. colba mit uridg.
*lebh-/*lubh-, da eine Segmentierung in *co-luba
Liebe, Freundschaft < *ko(m)- + *lebh- nicht auf-
recht zu halten ist. Als Bed. für den m. io-St. col-
ba ist Pfeiler, Säule, Stütze gesichert. Nach Peder-
sen [190913] 1976: 1, 375 Anm. 3 ist air. colba aus
gall. celffaint Baumstumpf, Pfeiler, Stütze, bret. celf
Baumstumpf übernommen. Für air. colba ist viel-
leicht auch eine Entlehnung aus lat. columna f. Säule,
Pfeiler
in Betracht zu ziehen.

Walde-Pokorny 2, 419; Pokorny 684; LIV² 414;
Mayrhofer, KEWA 3, 107 f.; ders., EWAia 2, 483 f.;
Untermann, Wb. d. Osk.-Umbr. 437; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. 1, 793 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.
367; de Vaan, Et. dict. of Lat. 338 f.; Thes. ling. lat. 3,
1737 ff.; 7, 1323 ff.; Demiraj, Alb. Et. 247 f.; Orel,
Alb. et. dict. 234; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 160;
Berneker, Slav. et. Wb. 1, 756 ff.; Trubaëv, t. slov.
slav. jaz. 15, 181 f.; Derksen, Et. dict. of Slav. 281; Et.
slov. jaz. staroslov. 430 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2,
146; Snoj, Slov. et. slov.² 360f.; Vasmer, Russ. et. Wb.
2, 77 f.; Schuster-ewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 863.
864 f.; Olesch, Thes. ling. drav.-polab. 1, 513 f.;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 362. 378; Smoczyski, Słow.
et. jz. lit. 349; Matasovi, Et. dict. of Proto-Celt.
246 f.; Delamarre, Dict. gaul.³ 176 f.; Vendryes, Lex.
ét. de l’irl. anc. C-156 f.; Dict. of Irish C-323 f.; Dict.
of Welsh 1, 543. Jokl 1911: 52 f.; Huld 1984: 88;
Cowgill-Mayrhofer 1986: 1, 2, 101. 173; Derksen
1996: 4. 327; Bakowsky 2000: 2, 67 f. 70.

S. lobôn, gilouben.

Information

Band V, Spalte 1330

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemma:
Referenziert in: