liodar n. a-St., im T: ‚Rauschen (des
Meeres); sonitus‘.
Ahd. Wb. 5, 1036; Splett, Ahd. Wb. 1, 549; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 728; Schützeichel⁷ 203; Seebold,
ChWdW9 526; Graff 2, 200; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
619 (sonitus).
Ahd. liodar hat nur in ae. hlēođor ‚Geräusch,
Schall, Stimme, Melodie, Gesang, Gehör‘
eine Entsprechung. Da es sich bei ahd. a und
ae. o der Nebentonsilbe jeweils um einen
Sprossvokal handelt (vgl. Krahe-Meid 1969:
1, § 49), ist die von Braune-Reiffenstein
2004: § 197 Anm. 1 (so bereits W. v. Un-
werth, PBB 36 [1911], 6; sich anschließend
Ahd. Wb. 5, 1036) vorgenommene Zuord-
nung von ahd. liodar zur ehemaligen urgerm.
*-iz-/-az-Flexion unzutreffend. Es liegt viel-
mehr eine Ableitung mit dem u. a. Nomina
actionis bildenden Suffix urgerm. *-þra- vor.
Als Vorform ist also westgerm. *χleu̯-þra- n.
‚Geräusch, Hören‘ anzunehmen.
Außerdem ist *χleu̯-þra- in PN und vielleicht
auch in Fluss- und ON fortgesetzt: Hliodro
a. 769, wahrscheinlich BeiN eines Sängers
(vgl. Förstemann [1900—16] 1966—68: 1, 848;
Kaufmann 1968: 188), Hleodro Passau a.
791 (vgl. Schatz 1907: § 79b) und in Hessen
Leodrabach a. 786, Liederbach a. 812, Leo-
derbach a. 839, Liderbach a. 1191, nhd. Lie-
derbach (vgl. Förstemann [1900—16] 1966—
68: 2, 2, 66; Sperber 1970: 100), eigtl. ‚Bach,
der Geräusche verursacht‘, also ein schnell
fließendes, sprudelndes Gewässer (anders
Bach 1952 ff.: 2, 1, § 329 nach A. Götz,
ZONF 3 [1928], 118—120: im VG des Komp.
erscheint die Bez. des weiblichen Lachses
mhd. *lüederin [vgl. schweiz. lideren, liede-
ren f.; Schweiz. Id. 3, 1093]; gegen diese An-
nahme spricht aber altes eo, der Diphthong
üe, der Umlaut zum Diphthong uo ist, kann
nicht auf urgerm. *eu̯ > mhd. ie zurück-
gehen). Die gleiche Basis *χleu̯- liegt auch
dem Nomen actionis got. hliuma m. ‚Gehör;
ἀκοή‘ < urgerm. *χleu̯-man- zugrunde, das
mit der hochstufigen Fortsetzung des Suffi-
xes uridg. *-men-/*-m- abgeleitet ist (Wei-
teres s. liumunt).
Fick 3 (Germ.)⁴ 112; Holthausen, Ae et. Wb. 162 f.;
Bosworth-Toller, AS Dict. 542; Suppl. 551; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 264; Lehmann, Gothic Et. Dict.
H-82. — Krahe-Meid 1969: 3, § 138, 1; Bammesberger
1990: 86.
Westgerm. *χleu̯-þra- < vorurgerm. *k̂léu̯-
tro- hat eine genaue Parallele im Indo-
iran.: ved. śrótra- n. ‚Ohr, Gehör‘ und jav.
-sraoθra- n. ‚Gehör‘ (im adj. Possessiv-
komp. vǝrǝzi.sraoθra- ‚dessen Gehör scharf
ist‘), sraoθra- ‚das Zugehörbringen, Rezita-
tion‘, mpers. apa-sos, npers. af-sōs ‚Verhöh-
nung‘, das apers. *çauça voraussetzt: <
vorurindoiran. *k̂léu̯-tro-.
Walde-Pokorny 1, 494; Pokorny 605. 606; NIL 427;
Mayrhofer, KEWA 3, 372 f.; ders., EWAia 2, 666;
Bartholomae, Airan. Wb.² 1633; Horn, Grdr. d. npers.
Et. Nr. 101 (veraltet); Hübschmann, Pers. Studien Nr.
101 (veraltet).