lotar adj., im Abr (1,70,17 [Pa, Kb])
und Gl. 1,299,8 (wohl 12. Jh., alem.): ‚nich-
tig, unnütz; cassus‘, lotariu sprâcha ‚nichti-
ge Rede; nenia, vanitas‘. — Mhd. loter, lotter
adj. ‚locker, leichtsinnig, leichtfertig‘ (mit
Geminate -tt-, da Dehnung des Kurzvok.
-o- unterblieben ist), frühnhd. lotter adj. ‚lo-
cker, nicht gespannt [von Tuch, Seilen o. ä.],
bröckelnd‘, nhd. mdartl. els., bad., schwäb.,
bair., pfälz., hess.-nassau., hess., thür., schles.,
siebenbürg.-sächs. lotter ‚locker, lose‘, rhein.
lotter, lodder ‚dss.‘, lothr. lodder ‚dss.‘, nhd.
hochspr. Lotter- nur in Komp. (vgl. Lotter-
bett, Lotterleben).
Ahd. Wb. 5, 1302; Splett, Ahd. Wb. 1, 564; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 738; Schützeichel⁷ 207; Starck-Wells
385; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 161 f.; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 253. 747. 863; Seebold,
ChWdW8 198; Graff 2, 204; Lexer 1, 1962; Frühnhd.
Wb. 9, 1416; Dt. Wb. 12, 1210; Kluge²¹ 447 (Lotter-);
Kluge²⁵ s. v. lottern; Pfeifer, Et. Wb.² 814 (s. v. lot-
tern). — Paul 2007: § L 71. — Martin-Lienhart, Wb.
d. els. Mdaa. 1, 625; Ochs, Bad. Wb. 3, 492; Fi-
scher, Schwäb. Wb. 4, 1307; Schmeller, Bayer. Wb.²
1, 1540; Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 1, 342;
Müller, Rhein. Wb. 5, 519 f. 564; Christmann, Pfälz.
Wb. 4, 1040; Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau
267; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 4, 400 f.; Vilmar,
Id. von Kurhessen 254; Berthold, Hessen-nassau.
Volkswb. 2, 172; Spangenberg, Thür. Wb. 4, 334;
Mitzka, Schles. Wb. 2, 822; Schullerus, Siebenbürg.-
sächs. Wb. 6, 183.
Das ahd. Adj. hat lediglich in mndl., me. lod-
der ‚leichtsinnig, ungebunden, wollüstig‘ ei-
ne Entsprechung und führt auf urgerm. *lu-
đra- ‚nichtig, unnütz‘ zurück.
Daneben steht eine nah verwandte Bildung
mit Dehnstufe und i̯a-Suffix urgerm. *lū-
þrii̯a- ‚verwahrlost‘, die in ae. lȳþre, me.
lither(e), ne. lither ‚böse, schlecht, gemein‘
begegnet.
Die beiden Bildungen sind wohl mit ahd.
ldara, lodara ‚Windel‘ (s. d.) zusammenzu-
bringen, wozu auch noch ahd. lodo ‚Um-
hang‘ (s. d.) zu stellen ist. In diesem Fall
müsste ein semantischer Wandel von ‚schlaff
herabhängend‘ (s. u.) über ‚locker‘ und ‚un-
gebunden‘ zu ‚leichtsinnig‘ eingetreten sein.
Fick 3 (Germ.)⁴ 374 f.; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 386 f.; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4,
697 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 652; Suppl. 625;
ME Dict. s. vv. lither(e) adj., loddere n.¹; OED² s. vv.
lither adj. and adv., †ˈlodder adj. — Wesche 1940: 64.
Urgerm. *luđra- hat keine sicheren Ver-
gleichsmöglichkeiten. In der Regel wird das
Wort auf vorurgerm. *(s)lut-ró- zurückge-
führt, eine Adj.ableitung von einer Wurzel
vorurgerm. *(s)leu̯t- ‚schlaff herabhängen‘.
Diese liegt vielleicht auch in russ. lytát’ ‚sich
herumtreiben, umherschlenzen‘ und bulg.
lútam se ‚schweife umher‘, slowen., serb.,
kroat. lútati ‚schlendern‘ vor.
Dagegen ist mir. lot ‚Hure‘ wohl ein Lehn-
wort aus dem Germ. (vgl. aisl. lodda ‚Frau‘,
lydda ‚faules Weib‘).
Semantisch wenig wahrscheinlich ist (trotz
der Bed. von aisl. loðinn ‚zottig‘) die u. a.
von Et. wb. Ndl. Ke-R 270 vorgeschlagene
Anbindung an die unter liuti ‚Leute‘ (s. d.)
behandelte Wortsippe.
Walde-Pokorny 2, 708 ff.; Pokorny 962 f.; Trubačëv,
Ėt. slov. slav. jaz. 16, 211 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez.
2, 157; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 76; ders., Ėt. slov. russ.
jaz. 2, 542; Fick 2 (Kelt.)⁴ 257; Dict. of Irish L-214.
S. lodo.