lunga
Band V, Spalte 1511
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lunga f. ōn-St., Gl. in Neapel, IV G 68
(9./10. Jh.) und in weiteren Gl.: Lunge; pul-
mo, molliz [lingua ignota, Hildeg.]
Var.:
-c. Mhd. lunge sw.f. Lunge, frühnhd.
lunge f. Lunge, aus der lungen reden aus
dem hohlen Bauch reden
, die lunge wä-
schen tüchtig saufen, nhd. Lunge f. Kör-
perorgan, das beim Menschen und den Luft
atmenden Wirbeltieren der Atmung dient
.

Ahd. Wb. 5, 1408 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 572; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 744; Schützeichel⁷ 209; Starck-Wells
389; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 190 f.; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 713; Graff 2, 231; Lexer
1, 1983; Frühnhd. Wb. 9, 1476 ff.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 472 (pulmo); Dt. Wb. 12, 1303 f.; Kluge²¹
449 f.; Kluge²⁵ s. v. Lunge; Pfeifer, Et. Wb.² 817.
HDA 5, 14551459; Riecke 2004: 2, 174176.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. lunga sw.f. Lunge; pulmo in Gl. 4,207,
66, (Trier, Hs. 61) ist nach Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 877 mfrk., mndd. lunge f.
Lunge; frühmndl. longhe f., mndl. longe f.,
nndl. long Lunge; aisl. lunga n., pl. lungu
Lunge, nisl., fär. lunga, adän. lungæ, ndän.
lunge, nnorw. lunge, aschwed., nschwed. lun-
ga Lunge: < urgerm. *lunōn-/(*lunan-).

Im Fries. und Ags. sind nur Ableitungen mit
dem Fortsetzer des Suff. urgerm. *-inō-/
*-unō- belegt (s. lungun): afries. lungen,
lungene, longene f., nwestfries. long, longe,
saterfries. lunge, nnordfries. lüngen; ae. lun-
gen, me. lnge, longen, long, ne. lung Lun-
ge
.

Fick 3 (Germ.)⁴ 360; Tiefenbach, As. Handwb. 252;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 872; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 749; VMNW s. v. longhe; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 752 ff.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 396; Suppl. 103; Vries, Ndls. et. wb. 410;
Et. wb. Ndl. Ke-R 255; Boutkan, OFris. et. dict. 247;
Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 314; Richthofen,
Afries. Wb. 913; Fryske wb. 13, 14; Dijkstra, Friesch
Wb. 2, 133; Fort, Saterfries. Wb. 132; Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. XXXIII; Holthausen, Ae.
et. Wb. 207; Bosworth-Toller, AS Dict. 648; Suppl.
622; ME Dict. s. v. lnge n.; OED² s. v. lung n.; Vries,
Anord. et. Wb.² 268 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
751 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 571;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 186; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 663; Magnússon, sl. Orðsb. 584;
Nielsen, Dansk et. ordb. 268 f.; Ordb. o. d. danske
sprog 13, 96 ff.; Bjorvand, Våre arveord² 685; Torp,
Nynorsk et. ordb. 395 f.; NOB s. v. lunge; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 596; Svenska akad. ordb. s. v. lunga.
Wilmanns [190630] 1967: 2, § 242; Krahe-Meid
1969: 3, § 101, 2; Seebold 1981: 294296.

Urgerm. *lunōn-/(*lunan-) geht vielleicht
auf einen amphikinetischen n-St. uridg. nom.
*h₁léngh-on (-ōn), gen. *h₁lgh-n-és zur
Wz. uridg. *h₁lengh- sich mühelos bewe-
gen
zurück, wobei die Schwundstufe der
sw. Kasus verallgemeinert worden ist. Alter-
nativ kann aber auch ein sekundär zum n-St.
umgebautes Wz.nomen *h₁léngh-s, gen.
*h₁lgh-és angenommen werden. Die von
der Etym. nahegelegte Bed. die sich mü-
helos Bewegende
> die Leichte (vgl. dazu
die Bed.entwicklung von gr. ἐλαφρός leicht,
behend, schnell, gering
, das etymologisch
ahd. lungar [s. d.] < urgerm. *lunra- ent-
spricht) ist aus dem Umgang mit Tierlungen
zu erklären: Beim Waschen der Eingeweide
geschlachteter Tiere ist die Lunge die Inne-
rei, die aufgrund der immer noch darin ein-
geschlossenen Luft(blasen) oben schwimmt;
vgl. dazu als semantische Parallelen ne.
lights Tierlunge zu light leicht, port. leves
Lunge zu leve leicht etc.

Eine genaue Entsprechung der germ. Bil-
dungen in den anderen idg. Sprachen gibt es
nicht. Hinsichtlich der Bed. steht das Pl.tan-
tum aarm. lankՙ -acՙ, -ō Brust nahe: Es
setzt wohl einen Nom.Du. fort, der zu einem
u-St. uridg. *h₁lgh-u- (> gr. ἐλαχύς leicht)
gehören kann: uridg. *h₁lgh--ih₁. Dessen
Endung führte zu *-a, was Palatalisierung
des wz.ausl. Tektals verursachte. Diese Form
wurde dann als Nom.Akk.Pl.n. reinterpre-
tiert (Olsen 1999: 65 f.). Auch eine Du.form
zu einem Wz.nomen ist möglich, die eben-
falls als Nom.Akk.Pl.n. reinterpretiert wor-
den sein müsste: uridg. *h₁lgh-ih₁ + *-eh₂;
zum selben Ergebnis führt eine Ableitung
uridg. *h₁lgh-eh₂- (Martirosyan, Et. dict.
of Arm. 304. 714). Die Bed. des aarm. Wor-
tes dürfte urspr. ebenfalls die Leichte > Lun-
ge
gewesen sein; wegen der beiden Lungen-
flügel ist der Ansatz eines alten Du. wahr-
scheinlich. Sekundär wurde das Wort dann
auf die die Lunge bedeckende Brust bezogen.

Dieselbe semantische Entwicklung wie ahd.
lunga und aarm. lan zeigt auch eine russ.
Sippe, die oft direkt mit dieser Gruppe
verknüpft wird; vgl. russ. lëgkoje n. Lunge
zu russ. lëgkij leicht, aksl. lьgъkъ dss. (<
urslaw. *liguka- als sekundäre Neubildung
einer Schwundstufe urslaw. *lig- für *g- ne-
ben der Vollstufe *leg-) etc. (vgl. u. a. Ber-
neker, Slav. et. Wb. 1, 753 f.; Vasmer, Russ.
et. Wb. 2, 24 f.; ders., t. slov. russ. jaz. 2,
473 f. etc.). Diese slaw. Sippe weist ebenso
wie etwa urkelt. *legu-, lagu- klein > air.
kompar. laugu, laigiu kleiner, mkymr. llaw
klein, traurig auf eine Wz. uridg. *(h₁)leg(h)-
(vgl. Schrijver 1995: 302305; Matasovi,
Et. dict. of Proto-Celt. 236 f.; de Vaan, Et.
dict. of Lat. 336 etc.). Beide Wz. sind syn-
chron uridg. jedoch besser zu trennen.

Aufgrund der sehr nahen Bed. der beiden Wz. kann
nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei uridg.
*h₁lengh- um eine sehr frühe sekundäre Neubildung
mit aus einem Nasalpräsens (?) verschleppten Nasal
zu uridg. *(h₁)leg(h)- handelt (vgl. dazu mit weiterer
Lit. NIL 244 Anm. 1).

Walde-Pokorny 2, 426; Pokorny 660 f.; LIV² 247 f.;
NIL 243 f.; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 484 f.; Chantraine,
Dict. ét. gr. 333 f.; Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 403 (ἐλα-
χύς); de Vaan, Et. dict. of Lat. 336 (levis); Hübsch-
mann, Arm. Gr. 451; Martirosyan, Et. dict. of Arm.
304. 308. 714; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 753 f.; Et. slov.
jaz. staroslov. 447 f.; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 24 f.;
ders., t. slov. russ. jaz. 2, 473 f.; Matasovi, Et. dict.
of Proto-Celt. 236 f. Olsen 1999: 65 f. 763. 773. 811.

S. lîht(i), lungar, lungun.

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