bringan, pringan
Band II, Spalte 338
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bringanAWB, pringanAWB an.v. bringen, herbeibrin-
gen, darbieten, anbieten, führen, vorbringen,
hervorbringen, ferre, af-, in-, of-, proferre,
ducere, ad-, de-, in-, producere
Formen: im
Präs. stark flekt., im Prät. meistens schwach
(brâhta, -tun), bei Otfrid auch stark (brang,
brungun), im Part. Prät. überwiegen schon in
den ältesten Gl. (8./9. Jh.) starke Formen
(brungan), daneben schwache (brâht; zum
Part. Prät. ohne gi- bei Verben mit perfektiver
[punktueller] Bed. vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ §
323 Anm. 1). Mhd., nhd. bringen (mdartl.,
md. u. südbair. brengen sw. v.; part. prät. [ge]-
brungen neben [ge]bracht).

Ahd. Wb. I, 1384 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 104; Schütz-
eichel⁴ 81; Starck-Wells 77; Graff III, 192 ff.; Schade
84; Lexer I, 353 f.; Nachtr. 103; Benecke I, 248 ff.; Dt.
Wb. II, 384; Kluge²¹ 101; Kluge²² 106; Pfeifer, Et.
Wb. 216. Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr.
III, 867; Müller, Rhein. Wb. I, 981 ff.; Christmann,
Pfälz. Wb. I, 1225 ff. (mit Wortkarte); Maurer-Mulch,
Südhess. Wb. I, 1116 ff.

Entsprechende Verben mit starkem Präs. und
(hauptsächlich) schwachem Prät. und Part.
Prät. sind: as. bringan, nur zweimal in der Hs.
C. des Heliand, neben dem üblichen sw. v. bren-
gian, mndd. (östl.) bringen neben (westl.) bren-
gen (vgl. Sarauw, Nddt. Forsch. I, 95; Teuchert,
Sprachreste d. ndl. Siedlungen 309); andfrk. brin-
gon (Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg. 97, Gram. §
109δ), mndl. bring(h)en, breng(h)en (da Um-
laut-e vor Nasalverbindungen sehr oft zu i
wird, kann bring[h]en entweder mit ahd.
bringan identisch oder eine Nebenform von
breng[h]en sein, vgl. Franck, Mndl. Gr. § 57),
nndl. nur brengen sw. v.; afries. bringa neben
brenga, branga, brendza; nwestfries. bringe
(nostfries. brengen); ae. bringan (prät. brōhte,
part. prät. -brōht, in der Poesie auch brungen;
vgl. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 407 Anm. 8) ne-
ben breng(e)an sw. v., me. bringen, brinke(n),
brenge; ne. bring (prät., part.prät brought, vulg.
brung); got. briggan. Dem Nordgerm. fehlt die-
ses Verb von Hause aus; ndän. bringe, nschwed.
bringa sind Entlehnungen aus dem Dt.

Fick III (Germ.)⁴ 279; Seebold, Germ. st. Verben
136 f.; Holthausen, As. Wb. 10; Sehrt, Wb. z. Hel.²
62; Berr, Et. Gl. to Hel. 65; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 349; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I,
424; Verdam, Mndl. handwb. 117; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 92; Vries, Ndls. et. wb. 86; Holthausen,
Afries. Wb.² 11. 12.; Richthofen, Afries. Wb. 664 f.;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 226;
Dijkstra, Friesch Wb. I, 237; Holthausen, Ae. et. Wb.
34. 35; Bosworth-Toller, AS Dict. 123. 126; Suppl.
105. 106; ME Dict. AB, 1174 ff.; OED² II, 554;
Oxf. Dict. of Engl. Et. 118; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
105; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-96; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 102; Hellquist, Svensk et. ordb.³
98.

Dieses im Germ. weitverbreitete Verb hat nur im
Kelt. (und viell. im Tochar.) außergerm. Ver-
wandte: kymr. he-brwng (< Präverb *sem- mit
+ *bhronk-, vgl. Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr.
I § 73 [S. 119]; II § 585 Anm. 3 [S. 301 f.]) brin-
gen, führen
, he-bryngiad Führer, akorn. he-
brenchiat Führer, mkorn. hem-bronk wird
führen
, hem-brynkys, hom-bronkys geführt,
mbret. ham-brouc, nbret. am-brouk führen.
Nach Windekens, Lex. ét. tokh. 99 gehören
hierher auch toch. AB präk- entfernen; an-
ders Windekens, Le tokharien 78; Krause-Tho-
mas, Toch. El.buch I § 46, 2; II, 120. 215: das
toch. Verb bedeute sich zurückhalten, kausativ
abweisen und gehöre mit got. ana-praggan be-
drängen
zur idg. Wz. *brenk- : *bronk- (s. aber
Feist, a. a. O. 43; Lehmann, a. a. O. A-150).

Auch die germ. Stammbildung ist problema-
tisch: wenn die obigen Vergleiche stimmen, muß
germ. *ringan- auf idg. *bhrenkó- zurückge-
hen, mit vollem Wurzelvokal aber Endbeto-
nung. Umstritten ist auch die Herkunft der
schw. Prät.formen, die eine andere Vokalstufe
haben als das Präs. Meistens werden sie für ur-
sprünglich (urgerm.), die schw. Präs.formen (as.
brengian usw.) und die seltenen st. Prät.formen
(ahd. brang, brungun) für sekundär gehalten,
aber so bleibt die Vokalstufe des Prät. uner-
klärt, und es wird die Annahme einer langen
Kette von analog. Bildungen nötig. Dazu wird
das Alter und die hohe Zahl der Belege des ahd.
st. Part. Prät. (brungan) übersehen, sowie Ablei-
tungen, die auf ablautende Formen der Wz. zu-
rückgehen: as. hēm-brung reditus, ahd. ana-
brunganî
Anklage, Vorwurf, avurbrungisal
Wiederholung u. a. (s. d. d.).

Ja, die einfachste Erklärung scheint auch die be-
ste zu sein: urg. gab es ein st. Verb *ringan- :
*rang : *rungun : *rungan- bringen, führen
und ein schw. Verb *rangjan- : *rāhta :
*rāht- (< *ranhtō[m] : *ranht-) bringen,
führen lassen
. Da der Bed.unterschied nicht all-
zu groß war zwischen er brachte das Essen
und er ließ das Essen bringen, fielen die beiden
Verben zusammen, wie bei nhd. hängen (ursprl.
nur kausativ) : hing : gehangen (ursprl. nur in-
trans.). Was das Präs. *ringan- betrifft, so ist
es wohl möglich, daß die ursprl. urg. Form *rī-
han- (< *brinhan- < idg. *bhrénko-) war und
daß die Formen mit -ng- analogisch zu *rang,
*rungun entstanden sind; vgl. got. þreihan
drängen (< *þrinhan-) neben wgerm. analog.
Formen mit -ng-: ahd. dringan, as. thringan, ae.
þringan usw. ( dringan und vgl. O. Wiede-
mann, BB 27 [1902], 232). Es kann sein, daß
der Zusammenfall der beiden Verben schon da-
mals begonnen hat, als das st. Verb noch *rī-
han- : *rang, das schw. Verb *rangjan- :
*rāhta lautete.

Daneben steht allerdings die Auffassung, daß die
schw. Prät.formen von dem Part. Prät. urg. *rāhta-
ausgehen und das Verb sich so zu den e/o- Präsentien
des Typs Präs. got. waurkjan wirken mit schw. Prät.
waurhta stellt (zur Herleitung der schw. Präteritalbil-
dung des Typs aus dem Verbaladj. auf *-tó- s.
R. Lühr, in Das Germ. u. d. Rekonstruktion der idg.
Grundsprache 45; Matzel, Gesammelte Schriften 60.
97). Dagegen hängt nach G. Schmidt, Zfcelt. Ph. 36
(1977), 20 die schw. Präteritalbildung bei bringen
mit der vermuteten Entstehung dieses Verbs aus den
Wurzeln *bher- und *ne- (s. u.) zusammen.

Versuche, die nur im Germ., Kelt. (und Toch-
ar.?) belegte Wz. *bhrenk- weiter zu etymologi-
sieren, sind rein hypothetisch. Von besonderem
Interesse ist die zuerst von K. Brugmann, IF 12
(1901), 150 ff., aufgestellte und seither weitge-
hend akzeptierte Theorie einer Mischung der
Wurzeln *bher- tragen ( beran) und *(e)ne-
erreichen ([**Hne-]; zum umstrittenen An-
satz **H₁ oder **H₂ s. Mayrhofer, Et. Wb. d.
Altindoar. II, 28; ginah), die sich im griech.
Verb für tragen, bringen suppletiv ergänzen
(präs. φέρω, aor. ἤνεγκα, ἤνεγκον, usw.). Eine
ähnliche Wurzelkontamination kommt z. B. im
ahd. Verb wesan vor: 1. sg. präs. bim mit b- aus
der Wz. *bheǝ- und -im < *esmi zur Wz. *es-
( bim).

Möglicherweise liegt jedoch keine Kontamina-
tion zweier verschiedener Wurzeln, sondern le-
diglich eine Wurzelerweiterung auf *-engh- der
Wz. idg. *bher- tragen, bringen (*bhr-engh-)
vor; vgl. urg. *stranga- stark aus *str-ongh-o-
zu *ster- starr, steif sein, strang; s. Lühr,
Expressivität 160 f. (nach G. Klingenschmitt).
Vgl. auch Lehmann, a. a. O. Schon P. Rheden,
Et. Versuche auf d. Gebiet d. idg. Spr. (Brixen,
1896), 7 führte *ringan- auf die Schwundstufe
von *bher- + perfektivierendem [!] Suffix
-enk
zurück.

Nach H. Pedersen, Aspirationen i Irsk (Leipzig, 1897),
194; ders., Zfvgl.Spr. 39 (1906), 354 (nicht mehr Vgl.
Gr., a. a. O.); J. Scheftelowitz, BB 28 (1904), 298 ge-
hört germ. *ringan- zu arm. banam erhebe, idg.
*bherh- ( berg), aber diese Etym. würde die oben
erwähnten kelt. Vergleiche ausscheiden (Klingen-
schmitt, Altarm. Verbum 107 ff.). Verfehlt war E. Zu-
pitzas Versuch (Zfvgl.Spr. 36 [1900], 65), die beiden
Gruppen zu kombinieren.

Abzulehnen sind Erklärungsversuche wie die von
K. F. Johansson, PBB 15 (1891), 227 f.: *ringan- <
*i- (s. d.) + *ringan- (vgl. gr. ῥίμφα schnell
ringi), ursprl. beschleunigen, befördern; C. C. Uh-
lenbeck, PBB 30 (1905), 270 f.: zu aind. bhati
kräftigt, stärkt, vermehrt, fördert (also auch zur Wz.
*bherh-).

Walde-Pokorny II, 204; Pokorny 168; Fick II (Kelt.)⁴
186; Dict. of Welsh 1831 f.; Collitz, Schw. Prät. 37 ff.;
Zupitza, Germ. Gutturale 209; Kluge, Urgerm.³ § 176;
R. Gauthiot, Saussure-Festschrift 117 ff.; R. Blümel,
PBB 51 (1927), 97 ff.; E. Fraenkel, Zfvgl.Spr. 63
(1936), 198.

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