armuoti
Volume I, Column 338
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armuoti n. ja-St., armuotî f. īn-St. Elend,
Not, Unglück, Mangel; Mittellosigkeit, Armut;
Niedrigkeit, Unwert; miseria, paupertas, aer-
umna, inopia, penuria, egestas
. Übergang von n.
ja-St. zu den f. īn-St. ist nicht ungewöhnlich (s.
Braune, Ahd. Gr.¹³ § 201 Anm. 1. 231 Anm. 1;
Schatz, Ahd. Gr. § 375), und wenn auch die Zu-
gehörigkeit der ahd. Belege im einzelnen Falle
oft nicht zu entscheiden ist, so reichen doch
eindeutige Belege für beide bis ins 9. Jh. zurück,
vgl. Ahd. Wb. I, 656. Var.: aram-; -oti, -odi
(12./13. Jh. auch -oth, -ut). Mhd. begegnen
noch armuote st. n. sowie armuot st. f. (vgl.
vrouwe Armuot Hartmanns Erec 1579), letzte-
res zuweilen als m. Im Nhd. hat sich Armut f.
durchgesetzt, obwohl mdartl., besonders im
Mitteldt., auch noch das Neutr. verwendet
wird.

Ahd. Wb. I, 655 ff.; Schützeichel³ 11; Starck-Wells
34; Graff I, 422 f.; Schade 24; Lexer I, 95; Benecke I,
58; Dt. Wb. I, 561 f.; Kluge²¹ 31.

Dem ahd. armuoti entsprechen as. *armōdi n.
(s. u.), mndd. armōde n. f., armōt m. f.; andfrk.
armuodi (Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg. 68, 21),
mndl. armoede, armoet, auch aerm-, erm- f., n.,
m., nndl. armoede f.; afries. steht dafür ērmo-
dichēd, auch ērmichēd; im Engl. gilt eine Bil-
dung auf *-iþō, ae. earmðu (= ahd. armida, s.
d.), mit Umlaut i(e)rmð(u); die skand. Formen
sind alle aus dem Mndd. entlehnt, so schon
spätanord. armœða f. Mühe, Beschwerde,
volksetym. an anord. mœða Mühe angeglichen
sowie nnorw. ndän. armod f., nschwed. armod
n. < mndd. armod.

Holthausen, As. Wb. 4; Sehrt, Wb. z. Hel.² 35; Berr,
Et. Gl. to Hel. 35 f.; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
I, 1, 123; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 128; Verdam,
Mndl. handwb. 45; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 21;
Vries, Ndls. et. wb. 20; Holthausen, Afries. Wb. 21;
Richthofen, Afries. Wb. 713; Holthausen, Ae. et. Wb.
186; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 941; Fischer, Lehnw. d.
Awestnord. 27; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 6;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 32 f.; Ordb. o. d.
danske sprog I, 838; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 32;
Svenska akad. ordb. A2235 ff.

Wie aus dieser Übersicht erhellt, ist ahd. ar-
muoti eine Ableit. von arm² (s. d.) mit Hilfe des
ahd. Suffixes -ôti/-ôdi, in dem man wohl eine
ja-Erweiterung des meist an Verbalstämme an-
gefügten Suffixes -ôt/-ôd (s. d.) zu sehen hat;
übrigens stehen Bildungen mit und ohne ja-Er-
weiterung gelegentlich ohne Bed.unterschied
nebeneinander, etwa firwehsalôti/wehslôth vicis-
situdo
, ubarfangalôt(i) excessus, s. Wilmanns,
Dt. Gr. II, § 261, 5 Anm. 262; Bahder, Verbalab-
strakta 108 f.

Im Falle von ahd. armuoti wurde die weitere
Entwicklung jedoch mehrfach durch die
volksetym. Anlehnung an ahd. -muot- gestört.
Nur so ist die Diphthongierung des nichthaupt-
tonigen -ô- (schon bei Otfrid -ua-) zu verste-
hen, während das -ô- sich sonst bis ins Mhd.
erhält (s. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 38 Anm. 2); dazu
kommen gelegentliche Schreibungen mit -mm-,
auch dies schon bei Otfrid (und in Notkers adj.
Ableit. arm-muotige; vgl. auch as. armmodio
gen. pl. Heliand [Monac.] 3363, neben aramuo-
dio [Cott.]); so erklärt sich auch das im Ahd.
vorherrschende Fem. des Wortes (im Anschluß
an Zss. mit -muotî f., s. Grimm, Dt. Gr.a II,
244).

In den Mdaa. von heute interessiert einerseits das
vereinzelte hartnäckige Weiterleben des Mask. (zu-
weilen auch Neutr.), andererseits vielfach konkreti-
sierte Bedeutungen wie ärmlicher Besitz oder arme
Leute
, vgl. Schweiz. Id. I, 457 (vereinzelt n.); Fischer,
Schwäb. Wb. I, 323 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 144;
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 346;
Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 342; Dähnert, Platt-
Dt. Wb. 16; Jungandreas, Ndsächs. Wb. I, 493.

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