firlâ(w)enAWB sw.v. I, bei O: ‚verraten; tra-
dere‘. Belegt ist nur die 3.sg.prät.opt. firla-
ti (zum w-Ausfall vgl. Braune-Reiffenstein
2004: §§ 110 Anm. 1. 363 Anm. 4.d.).
Ahd. Wb. 5, 652; Splett, Ahd. Wb. 1, 517; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 277; Schützeichel⁷ 191; Seebold,
ChWdW9 498; Graff 2, 295. — Raven 1963—67: 1,
101; Riecke 1996: 376; Bailey 1997: 1, 342.
Das ahd. Verb hat nur im Engl. und Got.
Entsprechungen: ae. lǣwan sw.v. I ‚verra-
ten‘, me. be-lēwen ‚verraten, sich betrüge-
risch verhalten‘ und got. lewjan, fra-lewjan
sw.v. I ‚verraten; παραδιδόναι‘: < urgerm.
*-lēu̯ii̯e/a- ‚verraten‘.
Neben dem got. Verb steht ein Subst. lews*
m.? a-St. ‚Gelegenheit, Veranlassung; ἀφορ-
μή‘ (das Genus ist aufgrund der Beleglage
nicht sicher zu bestimmen). Nach Wissmann
1938: 68 handelt es sich hierbei um eine
Rückbildung zum sw. Verb, da das Subst.
isoliert ist, das Verb hingegen Verwandte in
anderen idg. Sprachen hat (s. u.; anders Wil-
manns [1906—30] 1967: § 39, der denomi-
nalen Ursprung des Verbs vermutet). Für ei-
ne denominale Ableitung des Verbs spricht
die Bed. des got. Subst., die mit der Se-
mantik der verwandten außergerm. Verben
(s. u.) gut zu vereinbaren ist.
Fick 3 (Germ.)⁴ 364; Holthausen, Ae. et. Wb. 193;
Bosworth-Toller, AS Dict. 614; Suppl. 603; ME Dict.
s. v. belēwen v.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 330 (s. v.
lew); Lehmann, Gothic Et. Dict. L-37. — Darms 1978:
501 Anm. 219; Casaretto 2004: 61.
Urgerm. *-lēu̯ii̯e/a- ‚verraten‘ (< *‚überlas-
sen, preisgeben‘) ist wohl eine Weiterbil-
dung mit *-ii̯e- aus einem Präs. *leh₁u-
‚nachlassen‘, das auch im Slaw. in tschech.
leviti ‚lindern, mäßigen‘, russ. dial. lýnut’
‚losschießen, loslassen‘, ukrain. livýty ‚nach-
geben, nachlassen‘ < urslaw. *lěviti und
Balt. in apreuß. au-lāut ‚sterben‘, lett. ļaũt
‚zulassen, erlauben‘ (1.sg. ļaũju, prät. ļãvu),
refl. ļaũtiês ‚aufhören, nachgeben, sich ver-
lassen, vertrauen‘, lit. liáuti ‚aufhören‘ (1.sg.
liáujuos, prät. lióviaus), refl. liáutis ‚auf-
hören, ein Ende nehmen, sich beherrschen‘
fortgesetzt ist. Die Akutierung im Lit. ist
durch Verallgemeinerung von antevok. *lēu̯-
< *leh₁u̯- auf Kosten von antekons. *leu̯- <
*leh₁u- bedingt.
Weitere Verwandte, die uridg. *leh₁- ‚nach-
lassen, zulassen‘ zur Grundlage haben, fin-
den sich im Alb. und Heth. So geht die 3.
sg.aor. alb. la ‚ließ‘ auf einen athematischen
Wurzelaor. *lǝ₁t mit analogischer Durchfüh-
rung der Schwundstufe statt *leh₁t zurück
(Klingenschmitt 1982: 150. 153). Die glei-
che Basis zeigt auch zur Prohibitivpart. er-
starrtes heth. lē ‚lass nicht zu!‘ aus einer
2.sg.aor.imper. uridg. *leh₁ (H. Eichner, in
Oettinger 1979: 501). Des Weiteren ist in
heth. 1.sg. laiškimi ‚löse, binde los, befreie‘
ein Iterativ uridg. *loh₁-éi̯e- fortgesetzt (Mel-
chert 1984: 37 f.).
Walde-Pokorny 2, 405; Pokorny 682f.; LIV² 399;
Demiraj, Alb. Et. 239; Orel, Alb. et. dict. 220; Traut-
mann, Balt.-Slav. Wb. 161; Berneker, Slav. et. Wb. 1,
715. 745; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 15, 28; Derk-
sen, Et. dict. of Slav. 275; Vasmer, Russ. et. Wb. 2,
69; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 533; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 362 f.; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 349; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 533; Karulis, Latv.
et. vārd. 1, 552; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 307;
Mažiulis, Apreuß. et. Wb. 1, 117 f.; Toporov, Prusskij
jazyk A-D 154 ff.; L 177; Smoczyński, Lex. d. apreuß.
Verb 36; Kronasser, Etym. d. heth. Spr. 60; Tischler,
Heth. et. Gl. L—M 50 ff.; Kloekhorst, Et. dict. of Hitt.
523; CHD L-N 1. 55 ff.
S. lâzan.