gihugtAWB, -huctAWB, -huhtAWB f. i-St., in Gl. und
liter. Werken seit dem 8. Jh.: ‚Gedächtnis,
Erinnerung, Andenken; memoria, memoria-
le, monumentum, tabula cordis, titulus‘. —
Mhd. gehugt, -huht ‚dss.‘, nhd. mdartl.
(schweiz.) gehugd (Schweiz. Id. 2, 108 f.).
Ahd. Wb. 4, 1333 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 408 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 402; Schützeichel⁶ 169; Starck-Wells
249. 816; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 424 f.;
Lexer 1, 794 (der aber gehugt zu gehügede S. 793
stellt).
Germ. Entsprechungen sind: as. gihugd, -huft
(„umgekehrte Schreibung“ für -huht; vgl.
Kleczkowski 1923: § 24, 9; Holthausen
1921: § 196) ‚Gedächtnis, Verstand‘; ae. ge-
hygd ‚Gedanke‘ (neben [ge-]hyht ‚Hoffnung,
Vertrauen, Erwartung‘; s. u.); got. gahugds
‚Gesinnung, διάνοια; Gewissen, συνείδησις‘.
Holthausen, As. Wb. 37; ders., Ae. et. Wb. 183 (hygd);
Bosworth-Toller, AS Dict. 404; Suppl. 349; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 184; Lehmann, Gothic Et. Dict. G-21.
Das Wort besteht aus der germ. Wz. *χu- in
huggen (s. d.) mit *a-Präfix und dem germ.
Suffix *-đi- (< idg. *-ti-), das Verbalabstrak-
ta bildet (vgl. Wilmanns [1906—30] 1967: 2,
§ 254 ff.). Die urgerm. Form *aχuđi- ist
aber unregelmäßig, denn idg. *-gt- wird
sonst zu *-kt- assimiliert, das im Germ. dann
zu *-χt- wird (vgl. Krahe-Meid 1969: 1, § 88
und → maht). Diese problematische Form ist
öfters erörtert worden, manchmal in Verbin-
dung mit dem noch strittigeren Problem des
Ursprungs des germ. schwachen Prät. (vgl.
bes. Collitz 1912: 13 f. 74 ff. 105 f. 109 ff.).
Versuche, germ. *-χuđi- durch Bartholo-
maes Gesetz (idg. *ght- > *gdh-; vgl. Kluge
1879: 121; ders., PBB 9 [1884], 153; Krahe-
Meid 1969: 1, § 90; anders 3, § 123 [S. 154];
s. u.) oder durch eine Verbindung von Bar-
tholomaes Gesetz mit einer germ. Variante
von Graßmanns Gesetz (Collitz 1912: 109 f.:
„Indog. Wurzeln mit anlautender und auslau-
tender Aspirata ... geben im Germanischen
beim Antritt eines t-Suffixes die Aspiration
im Auslaute ganz auf, während sonst ... die
Aspiration von der auslautenden Aspirata auf
das t des antretenden Suffixes übergeht“) zu
erklären, sind verfehlt, da im Germ. nur die-
ses einzige Wort *-đ- hat, während mehre-
re, auch solche, die nach Collitz *-đ- haben
sollten, *-χt- aufweisen (vgl. J. Sverdrup,
NTS 2 [1929], 17 ff.). Selbst dieses Wort hat
Varianten mit *-χt- (ahd. gihuht, ae.
[ge]hyht, das trotz des Bed.unterschiedes
fast sicher hierher gehört; vgl. A. Bammes-
berger, Lg 45 [1969], 533 Anm. 6).
Die germ. Form, die keine außergerm. Ver-
gleiche hat, ist also offenbar nicht durch ir-
gendein Lautgesetz entstanden, sondern ist
eine germ. Neubildung, indem das immer
noch produktive Suffix *-đi- mit der germ.
Verbalwz. *χu- verbunden wurde (W. H.
Bennett, Lg 42 [1966], 733 ff.; dann auch
Krahe-Meid 1969: 3, §§ 123. 154; zu solchen
im Germ. aus ererbten idg. Bestandteilen
konstruierten Wörtern vgl. A. L. Lloyd, HSK
21, 2 [2005]: 1287 f.). Neben dieser Form
*χuđi- ist gelegentlich unter dem Einfluß
von ererbten Wörtern, die den vorurgerm.
Lautwandel *-gt- > *-χt- durchgemacht hat-
ten (z. B. *maχti- zu *magan-, *traχti zu
*tragan- usw.) eine analogische Form
*-χuχti- entstanden. Im Ae. hat offenbar eine
Trennung der beiden Formen stattgefunden,
indem die analogische Form *-χuχti- nur in
der neuen Bed. ‚Hoffnung, Vertrauen, Er-
wartung‘, die keine Beziehung mehr zum
Verb (ge-)hycgan hatte, gebraucht wurde,
während *-χugti- nur in der Bed. ‚Gedanke‘
vorkommt.
Dagegen hält A. Bammesberger, Lg 45
(1969), 532 f.; ders. 1979: 85 ff. germ.
*χuχti- für die ursprüngliche Form, die dann
auf analogischem Wege zu *χuđi- wurde.
Schon Th. Frings, ADA 40 (1921), 21 hat ei-
ne nicht überzeugende Analogie *muniz :
*mundiz (got. muns, gamunds) = *χuiz : x
(got. hugs, gahugds) vorgeschlagen (von
Bennett und Bammesberger abgelehnt), aber
Bammesberger schlägt einen anderen Weg
ein. Er nimmt an, daß das germ. Verb
*χujan urspr. ein germ. ēn-Verb *χuēn mit
Prät. *χu-đē und Part.Prät. *χu-đa-z gewe-
sen sei (vgl. ae. hogde, ahd. hogta; ein ahd.,
nur im Prät. belegtes Verb *hogên ist nicht,
wie im Ahd. Wb. 4, 1174, anzusetzen). Er
stellt zwei Analogieformeln auf: erstens
kontrastiert er die Formen des Verbs
*ujan- : prät. *uχ-tē : part.prät. *uχ-ta-z
: ti-Abstraktum *uχ-ti- = prät. *χu-đē :
part.prät. *χu-đa-z : ti-Abstraktum *χu-đi-;
zweitens vergleicht er dieselbe Form des se-
mantisch nahestehenden Verbs *(ga-)munan
‚meinen, glauben, sich erinnern‘ : *mun-dē :
*mun-da-z : *mun-di-. In beiden Verben hat
das ti-Abstraktum denselben Wurzelvokal
und dieselben Konsonanten wie das Prät.
und das Part.Prät.
Diese scharfsinnige Analyse geht aber von
zwei unsicheren Prämissen aus: (1) Obgleich
Bammesberger keine entsprechende uridg.
ti-Ableitung finden kann (Lg 45 [1969], 533
lehnt er den Ansatz einer uridg. Form *kugh-
ti- ab), scheint er zu glauben, daß jedes
germ. Abstraktum dieser Art schon vorur-
germ. gebildet werden mußte, als das Suffix
noch mit *t anlautete („Da das ti-Abstraktum
zur urg. Wurzel *hug-, deren Herkunft hier
offen gelassen werden kann, als *-huh-ti- zu
erwarten wäre, muß urg. *-hug-di- auf ana-
logischem Wege entstanden sein.“; Bam-
mesberger 1979: 86). Wenn die Ableitung
erst im Germ. entstanden ist, wie Bennett
glaubt, handelt es sich um kein *-ti-Suffix,
sondern um ein germ. *-đi-Suffix. — (2) Es
ist keineswegs sicher, daß die Formen des
Prät. und Part.Prät. der ēn-Verben ohne Bin-
devokal urgermanisch sind (vgl. Krahe-Meid
1969: 2, § 89; Prokosch [1939] 1966: 203 f.);
wenn sie erst später durch Synkope oder
Analogie entstanden sind, können sie got.
gahugds nicht erklären; wenn sie dagegen alt
sind, warum lautet das Part.Prät. nicht
*χuχta- wie got. mahts zu magan? (weder
*χuđaz noch *χuχtaz kommt übrigens im
Westgerm. vor). Die Form der ti-Ableitung
soll durch ähnlich lautende unerklärte For-
men des Prät. und Part.Prät. erklärt werden!
Analogie zu den zu *munan gehörigen For-
men kann zwar eine Rolle gespielt haben,
aber eher dadurch, daß sie dem Einfluß von
Wörtern wie *maχti- und *traχti- entgegen-
wirkte und die urspr. Form. *(ga-)huđi-
förderte.
S. auch hugt.