honagAWB, honigAWB n. a-St., im Abr und in
weiteren Gl., B, GB, BR, im I, T, OT, WH
und bei N: ‚Honig; mel, nectar, labor apium‘
〈Var.: -ǒ-, -ou-; -ak-; -ach, -ec, -ik, -ich,
-igh, -og; -ang, -enc, -inc, -egge〉. Nur ganz
vereinzelt kommt die Graphie 〈ou〉 für /o/
vor (Braune-Reiffenstein 2004: § 32 Anm. 7).
Die spätahd. nasalierten Varianten (Notker,
je 1 Beleg im SH A und Clm. 13002 [2.
Hälfte des 12. Jh.s, bair.) sind wohl durch
das ahd. Suffix -ing-/-ung- beeinflußt, unter-
stützend wirkten dabei Doppelformen wie
z. B. regelgerechtes ahd. cuning neben cunig
‚König‘ mit Verlust des velaren Nasals we-
gen des vorausgehenden /n/ (vgl. Schatz
1927: § 128; Braune-Reiffenstein 2004: § 128
Anm. 2). — Mhd. honec, honic st. n., vereinzelt
auch m. ‚Honig‘, nhd. Honig m. ‚gelbliche,
süße, meist dickflüssige Masse, die von Bie-
nen aus Nektar erzeugt wird‘, neutrale Formen
sind bis ins 18. Jh. belegt (vgl. Goethe: ei!
verschmähet ihr so den honig, den mancher
begehret neben sparet das honig für andre).
Ahd. Wb. 4, 1227 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 399; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 560; Schützeichel⁶ 166; Starck-Wells
284. XLIII; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 381;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 558; Seebold,
ChWdW8 164; Graff 4, 961; Lexer 1, 1334; 3, Nachtr.
246; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 398 (mel). 364 (labor
apium); Dt. Wb. 10, 1786 f.; Kluge²¹ 315 f.; Kluge²⁴
s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 554. — Paul 1989: §§ 106 Anm. 1.
180 Anm. 6; Wilmanns 1899: § 279, 2; Moser 1973—91:
3, § 93, 1; Paul [1880] 1995: 66.
Ahd. honag entsprechen: as. honeg, huneg,
haneg st. m., mndd. hōnich n., m., honnich n.;
andfrk. honog n., mndl. hōnich, hȫnich m.,
nndl. honig, honing; afries. hunig m., nfries.
huning, hunich; ae. hunig n. (mit anglofries.
Bewahrung von altem u vor einfachem Nasal),
me. honī (honie, hunige), ne. honey: < urgerm.
*χunaa-. Aisl. hunang n., nisl. hunang, fär.
hunangur, nnorw. huning m., ält. dän. honnig,
honning, dän. honning, aschwed. hunagh n.,
schwed. honung, honing weisen dagegen auf
urgerm. *χunana-. Aufgrund der einzel-
sprachlichen Belege ist somit wohl der Ansatz
von zwei unterschiedlichen Vorformen not-
wendig (dazu s. u.).
Nach Jóhannesson 1927: § 18 ist -ang- in aisl.
hunang eine Neubildung aus urgerm. *-a-,
doch sind noch einige weitere Ableitungen mit
-ang- belegt (z. B. boldang n. ‚grober Stoff,
Kissen‘; auch N. Oettinger, GS Pedersen
1994: 309 f. und Anm. 9 vermutet für aisl. hu-
nang sekundäre Nasalierung). Eine Entschei-
dungshilfe könnte hier das aus dem Nord-
germ. entlehnte finn. hunaja < *hunaγa lie-
fern, wenn der Zeitpunkt der Übernahme si-
cher wäre. Handelt es sich um eine schon
germ. Entlehnung, dann erübrigt sich der An-
satz von *χunana-, da hunaja ein nasalloses
Suffix voraussetzt. Wahrscheinlich wurde das
Wort aber erst mit der Einfuhr von Honig im
(Spät-)Mittelalter übernommen, so daß auch
die im Nordgerm. belegten nasallosen Formen
als Entlehnungsbasis in Frage kommen. Des-
halb ist es wohl besser, mit Schaffner 2005:
223 von zwei morphologisch verschiedenen
Bildungen auszugehen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 93; Holthausen, As. Wb. 38; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 193; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 349; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 295;
Quak, Wortkonkordanz zu d. am.- u. andfrk. Ps. u. Gl.
92; Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u. Gl. 200; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 3, 553; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
259; Suppl. 72; Vries, Ndls. et. wb. 265; Et. wb. Ndl. F-
Ka 451 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 48; Richthofen,
Afries. Wb. 831; Fryske wb. 9, 140 f.; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 1, 102 (s. v. hönîg);
Dijkstra, Friesch Wb. 1, 542; Holthausen, Ae. et. Wb.
178; Bosworth-Toller, AS Dict. 567; Suppl. 572; ME
Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries, Anord. et. Wb.² 266;
Bjorvand, Våre arveord 396 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
226; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 91 f.;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 132; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 417; Nielsen, Dansk et. ordb. 186;
Ordb. o. d. danske sprog 8, 432 f.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 228; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 362; Svenska
akad. ordb. s. v.; Kylstra, Lehnwörter 1, 121.
Schon lange verbindet man ahd. honag usw.
mit ai. kanaka- n. ‚Gold‘, kāñcana- adj. ‚gol-
den‘, n. ‚Gold, Geld, Reichtum‘; gr. dor.
κνακός ‚fahl, graufarbig‘, ion. att. κνηκός
‚gelblich, fahl, grau‘, gr. κνῆκος f. ‚Saflor,
Carthamus tinctorius‘, gr. dor. κνάκων m.
‚Bock‘, eigtl. ‚der Fahle, Graufarbige‘; lat. ca-
nicae f.pl., -ārum ‚eine mindere Art Kleie‘;
apreuß. cucan ‚braun‘ (d. i. cuncan). Doch
wird gerade in Untersuchungen jüngeren Da-
tums die etymologische Zusammengehörig-
keit dieser Wörter in Frage gestellt: Für Klu-
ge²⁴ (a. a. O.) ist der Vergleich wegen der un-
terschiedlichen Bedeutungen unsicher, B.
Schlerath (FS Behrmann 1993: 189) verweist
auf ungeklärte Ablautverhältnisse, und für D.
F. H. Boutkan (HS 111 [1998], 115 f.) ist ahd.
honag usw. wegen der unsicheren Etymologie
und der unterschiedlichen Endungsvarianten
ein nordeuropäisches Substratwort protogerm.
*huni(n)/a(n)g-, das zur Bezeichnung des
‚wilden Honigs‘ verwendet wurde und das
uridg. Wort für den ‚Honig‘, *medhu- (fortge-
setzt in ai. mádhu- n., gr. μέθυ, aksl. medъ; →
mito), ersetzte.
Doch kann den erhobenen Einwänden begeg-
net werden: Relativ unproblematisch dürfte
die semantische Seite sein, da sich von einer
Farbbezeichnung ‚gelb, gelblich‘ aus die ein-
zelsprachlichen Bedeutungen recht einfach
herleiten lassen. Was die ziemlich komplizier-
ten Ablautverhältnisse betrifft, sind folgende
Entwicklungen möglich (vgl. dazu Schaffner
2001: 371; ders. 2005: 222 f.):
Gr. dor. κνακός, ion. att. κνηκός < urgr.
*knākó- setzt ein Adj. uridg. *kh₂-kó- voraus.
Auf diese Vorform könnte auch apreuß. cucan
(cuncan) zurückgehen. Gr. κνῆκος f. ‚Saflor,
Carthamus tinctorius‘ (Beekes 1969: 190
vermutet Entlehnung) und mit individualisie-
rendem n-Suffix gebildetes gr. dor. κνάκων m.
‚Bock‘ zeigen gegenüber dem Adj. eine jün-
gere, wahrscheinlich erst innergr. Akzentver-
schiebung als Kennzeichen der Substantivie-
rung. Ererbtes *kń̥h₂ko-(n)- mit Barytonese
zum Adj. *kh₂-kó- hätte im Gr. lautgesetzlich
*kánako-(n)- ergeben (vgl. gr. θάνατος ‚Tod‘
< *dhń̥h₂to- : ion. att. θνητός, dor. θνατός
‚sterblich, gestorben, tot‘ < *dhh₂tó-; Schaff-
ner 2001: 274 Anm. 27). Eine Substantivie-
rung mit oppositivem Akzent uridg. *kń̥h₂-
kah₂- des Adj. *kh₂-kó- setzt aber lat. canicae
f. pl. ‚eine mindere Art Kleie‘ fort.
Auf das Adj. *kh₂-kó- führt N. Oettinger,
a. a. O. 310 Anm. 9 auch ahd. honag (<
*χunaa-) zurück, doch hinterläßt ein Laryn-
gal in vergleichbaren Positionen im Germ.
normalerweise keine Spuren (vgl. vorurgerm.
*k̂onh₂mah₂- > urgerm. *χammō- ‚Kniekehle‘
> ahd. hamma, ae. hamm, aisl. hǫm; vorur-
germ. *ĝh₁-tó- > urgerm. *kunda- > ahd.,
aisl. kundr m. ‚Sohn‘, ahd. -kund, got. -kunds
‚geboren, abstammend‘; Griepentrog 1995:
298 f.). Deshalb ist es besser, für urgerm. sub-
stantiviertes *χunaa- m. und ved. sub-
stantiviertes kanaka- n. ‚Gold‘ von einem Adj.
*kh₂a-kó- ‚mit Gelbem versehen‘ mit modi-
fizierendem -ko-Suffix auszugehen, dem als
Ableitungsbasis ein n. substantiviertes Adj.
*kh₂a- ‚das Gelbe‘ zugrunde liegen müßte.
Das Adj. *kh₂a- ‚gelb‘ wiederum könnte die
Grundlage für eine Bildung *kh₂a-n-kó- oder
*kh₂a-n-k̂ó- ‚der Gelbe‘ (wenn ai. kāñcana-
n. ‚Gold‘ dazugehört und nicht aus dem Dra-
vid. entlehnt ist; H. Berger, FS Scherer 1971:
68 f.) mit individualisierendem -n- und -ko-
Suffix sein, die urgerm. *χunana- m. ergibt
(fortgesetzt in aisl. hunang). Ungeklärt bleibt
die Morphologie von ai. kāñcana-. Schaffner,
a. a. O. 223 vermutet eine Vddhi-Ableitung
von einem Grundwort *kañcana-.
Walde-Pokorny 1, 400; Pokorny 564; Mayrhofer, K. et.
Wb. d. Aind. 1, 151. 195; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 1,
296; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 882 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.
547; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 152; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 93; Trautmann, Apreuß.
Spr.denkm. 117. 364.