hina
Volume IV, Column 1023
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hina adv., seit dem 8. Jh.: von hier
weg, von dieser Stelle weg, von der Erde
weg, aus dem irdischen Dasein hinweg, hin-
weg, dahin, hin, von diesem Zeitpunkt ab,
hernach, hinfort, dahin, auf ... zu; dehinc
.
hina erscheint oft in Verbindung mit einem
anderen Adv., mit vorausstehendem hina:
hina baz weiter(hin), darüber hinaus, hina
after hernach, im folgenden, hina dana
von hier weg, von wo, wohin, hina ferro
weit weg von hier, weit in (die Nacht) hin-
ein
, hina fona von da ab; dehinc, hina fur-
dir im folgenden, im weiteren, hina furi
künftig, hinfort, späterhin; in futuro, post-
hac
, hina furiwertes künftighin; in poste-
rum
, hina ûf (um 1000) nach oben, zum
oberen Ende hin, hinauf, in die (Him-
mels-)Höhe, aufwärts, nach oben
(mhd. hin
ûf), hina ûfan dort oben in, hina ûz (9. Jh.)
hinaus (mhd. hin ûz); mit nachfolgendem
hina: dannân hina von da an, dar hina
dahin, dârfurdir hina darüber hinaus, wei-
ter
, hier hina hierhin, hinnân hina von
hier, von der Erde (weg) dahin
; in Verbin-
dung mit Präpositionen: fona hina dehinc,
unz hina bis (da-)hin, bis zu dem Zeitpunkt;
in Verbindung mit komponierten Verben:
hina in gân (um 1000) introire (mhd. hin
în, hin in), hina ûf faran scandere usw. hi-
na-
adverbielles Kompositionsglied in Ver-
bindung mit Verben, z. B. hina faran abire,
decedere
, vgl. auch hina funs wert unterzu-
gehen
). Die Unterscheidung zwischen hina
als selbständigem Adv. und Teil eines Ver-
balkompositums ist aber zuweilen schwierig
( hera). Das Wort bezeichnet (im Gegen-
satz zu her) den Standpunkt des Sprechenden
als Ausgangspunkt einer zielgerichteten
Handlung im Raum, bei Übertragung auf
zeitliche Verhältnisse weist es von der Ge-
genwart aus in die Zukunft oder in die Ver-
gangenheit. Mhd. hin(e) adv. fort, von
hinnen, hin
, vor oder hinter Adverbien und
Präpositionen, z. B. hin after hinten, nâch
hin von jetzt an, in Zukunft, später, nhd.
hin adv. von hier (nach dort); mit Zukunfts-
und Vergangenheitsbezug in zusammenge-
setzten Adverbien wie fernerhin, künftighin,
späterhin, weiterhin bzw. letzthin, vorhin.
Die Bedeutung von hier lebt im Dt. vor al-
lem in adverbiellen Zusammensetzungen
weiter, die die Richtungsangabe präzisieren;
vgl. hinab (mhd. hin ab[e]), hinaus usw.;
s. o.). Obd. und ostmd. Kürzungen sind nauf,
naus, nein.

Ahd. Wb. 4, 1097 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 388; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 547; Schützeichel⁶ 161; Starck-Wells
276; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 321 f.; See-
bold, ChWdW8 162; Graff 4, 697 ff.; Lexer 1, 1291 f.;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 178 (dehinc); Dt. Wb. 10,
1371 ff.; Kluge²¹ 309; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.²
541 f.

Zu ahd. hina gehören: as. hin- (in hinfard f.
Hingang, Tod), mndd. hen, hēn(e) hin(weg),
dahin, fort
(bes. mit Verben der Bewegung
z. B. hen gān dahingehen, und in Zusam-
mensetzungen mit Präp. wie henaf hinab, her-
ab, abwärts
, henan hinauf, aufwärts); mndl.
hēne von hier, hin, von jetzt an, nndl. heen
weg von hier; nfries. hen, hin hin, wohin,
von der Stelle, vorwärts, weg, fort, vergangen,
verflossen, vorbei, verloren
; ae. hin- von
hinnen
(in den Komp. hinsīđ m., hingang m.
Weggang, Tod). Die zweisilbige Form
stammt von urgerm. *χinē und die einsilbigen
Formen von urgerm. *χine. Die Ausgangsbe-
deutung ist von dieser Stelle, von hier an.

Fick 3 (Germ.)⁴ 87; Holthausen, As. Wb. 34; Sehrt, Wb.
z. Hel.² 260; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1,
272 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 241; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 3, 329 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 238; Vries, Ndls. et. wb. 242; Et. wb. Ndl. F-Ka
397; Fryske wb. 8, 374 ff.; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. 2, 72 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 519; Holt-
hausen, Ae. et. Wb. 160; Bosworth-Toller, AS Dict. 537;
Suppl. 542.

Urgerm. *χinē und *χine sind ein adverbiell
gebrauchter Instr. bzw. Lok., wobei diese
Kasus ablativische Bedeutung angenommen
haben (Lühr 1982: 466 f.). Zugrunde liegt
der nahdeiktische Pronominalstamm urgerm.
*χi- dieser, von dem auch die Adverbien
() hera, hier, hiuru, hiutu abgeleitet sind.
Dieses Pron. war in der ältesten Stufe des
Nordgerm. noch lebendig; vgl. runennord.
hal(l)i hino diesen Stein hier; ferner got.
himma daga heute, und hina dag bis heu-
te
, und hita bis jetzt; verbaut ist der Pro-
nominalstamm in ahd. hê, her ( er), as. hē,
ae. h er, aisl. hānn er, hinn jener (zur
Bedeutung jener s. hintana).

Der in urgerm. *χinē und *χine auftretende
Pronominalstamm *i-/*e/o- dieser er-
scheint mit n-Suffix auch in air. cen
diesseits, ohne, korn., bret. ken anderer,
sonst
< *i-na(?). Die n-Partikel findet sich
ferner in lat. pōne hinten, umbr. postne <
*posti-ne; gr. thessal. ὅ-νε dieser hier <
*-ne; ahd. dana in neo dana halt nie fortan
mehr, nie mehr
, dana von da, von hier <
*-nē (s. d.). Sie gehört zu dem ferndeikti-
schen Pronominalstamm uridg. *()eno-
jener, wie er in alem., bair. enêr, ahd. jenêr
(s. d.) vorliegt. Während urgerm. *-nē einen
Instr. uridg. *-neh₁ und urgerm. *-ne einen
endungslosen Lok. fortsetzt, ist mit einem
möglichen adverbiellen Suffix *-na gr. ἵνα
wo, wohin zu vergleichen.

Andere Ableitungen des Pronominalstammes
*i- sind: lat. cis diesseits, citrā diesseits,
umbr. çive davor, diesseits, außerhalb
(wohl lok.sg. von *io-), çimu zurück
(akk.sg. n. oder pl. von *imo-); lit. ìtas,
lett. itais dieser < *i-to-, lit. ìs, lett. is,
apreuß. schis dieser; aksl. sь, aruss. sь- ()
(neben sьjь) dieser; gr. σῆμερον heute <
*κᾱμερον, wonach σῆτες heuer. Auf einen
Stamm *i- oder *e- weisen: air. cē hier,
diesseits
< *e, ablautend Ogam coi hier;
gr. ἐκεῖνος, dor., lesb. κῆνος jener < *κε-
ενος < *e-eno- (zu e- vgl. osk. nom.sg. f. e-
tanto, umbr. e-tantu neben lat. tantus), gr.
ἐκεῖ dort, heth. ki-nun jetzt < *i-nun oder
*e-nun und lat. cēterī die übrigen < *e-
etero- oder *e-etero-. Daneben stehen
Formen mit sicherem e/o-Ablaut: heth.
sg.nom. c. kā (aber nom.akk. n. kī) dieser;
hic
; arm. -s Artikel (z. B. mard-s der
Mensch
), s-a, ay-s dieser, so-yn derselbe;
alb. sod heute < só dite an diesem Tag <
*o-; phryg. σεμου(ν) diesem < *em + ō;
lat. ce- in cedo gib her < *e-doh₃, osk. ce-
bnust wird gekommen sein < *e-ben-use-t,
-ce in ecce siehe da (wohl aus *ed-ke), ver-
kürzt in hic dieser, illīc dort, nunc jetzt,
osk. ídí-k, umbr. ere-k id, umbr. esmi-k
huic.

Der Pronominalstamm uridg. *i-, *e/o-
fehlt im Indoiran. Der Ablaut i neben e/o ist
auch bei anderen Pronominalstämmen be-
legt; vgl. ahd. waz was < *kod, wes
wessen < *keso (s. d.), ai. wer,
phryg. κος irgendeiner < *kos, lat. quis <
*kis.

Walde-Pokorny 1, 453; Pokorny 609; Frisk, Gr. et. Wb.
1, 475 f. 726; Chantraine, Dict. ét. gr. 329; Untermann,
Wb. d. Osk.-Umbr. 398 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
1, 192 f. 222; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 109. 123;
Demiraj, Alb. Et. 283; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 304;
Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Texten 120.
300 f.; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 602 f.; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 990; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 4, 18 f.;
Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 421; Fick 2 (Kelt.)⁴ 74;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-51. C-63 f.; Dict. of
Irish C-94. C-165 ff.; Tischler, Heth. et. Gl. 1,456 ff.;
Kronasser, Etym. d. heth. Spr. 274 Anm. 357. Peder-
sen [190913] 1976: 2, 197 f.; Meiser 1986: 120;
Heidermanns 1999: § 212; Matzinger 2006: 262. G.
Schmidt 1962: 102 ff.; G. Schmidt, FS Knobloch
1985: 401 Anm. 75. Mit einem unhaltbaren Laryn-
galansatz: L. A. Conolly, ZVSp 97 (1984), 272.

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