dûdistelAWB mhd.(?) st.m., nur Gl. 3, 386, 26
Oxford Jun. 83 mfrk. 13. Jh., aus älterer
ndrhein. Vorlage um ca. 1150; 3, 719, 43 Cod.
Cheltenhamensis 7087 as., mndd. 12. Jh.: ‚Sau-
distel, Gänsedistel‘ (Sonchus oleraceus L.);
‚Karde(?)‘ (Dipsacus silvester L.[?]); ‚paliurus,
scoliasmus‘ 〈Var.: -th-〉. — Frühnhd. dawdistel,
nhd. dial. els. dudischlen, luxem. daudeschtel,
lothr. dudischel, bad., rhein., pfälz. daudistel,
nassau. taudistel, westfäl. daudissel, diudissel,
dūdissel, nndd. dudistel f., auch als Familienna-
me; umgedeutet ist tuendestel ‚Zaundistel‘ — die
Pflanze wächst oft an Zäunen.
Splett, Ahd. Wb. I, 142. 156; Starck-Wells 110; Lexer
I, 474; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 315 (lactucella); Dt.
Wb. II, 1499 f.; Marzell, Wb. d. dt. Pflanzennamen
IV, 400 f.; Pritzel-Jessen, Dt. Volksnamen d. Pflanzen
383; Reier, Adt. Heilpflanzen I, 116; Martin-Lienhart,
Wb. d. els. Mdaa. II, 723; Ochs, Bad. Wb. I, 438; Foll-
mann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 111; Luxemb. Wb. I,
185; Müller, Rhein. Wb. I, 1279; Christmann, Pfälz.
Wb. II, 149; Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau
403; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 61.
Im Ae. entspricht ðūðistil m. ‚Saudistel, lactuca‘
(1179), ne. dial. (Sussex) thowthistle, früher
auch thoothistle < urgerm. *þū- als erstem Ele-
ment (zum zweiten Element s. disti l).
Bosworth-Toller, AS Dict. 1082; OED² XVII, 988;
Bierbaumer, Bot. Wortsch. d. Ae. I, 136.
Wegen ae. ðūfeðistel ‚Saudistel‘ (Bosworth-Tol-
ler, a. a. O. 1075), dessen erster Bestandteil wohl
zu ae. ðūf m. ‚Büschel, Busch (Banner)‘ (vgl. a-
nord. þúfr ON; þúfa ‚Erhöhung, Hügel‘ >
finn. tupas, typäs ‚Hügelchen‘; gr. τύφη f. ‚Na-
me einer zum Ausstopfen von Polstern und Bet-
ten verwendeten Pflanze, Typha angustata‘ <
*tū-bh-) gehört, könnte man urgerm. *þū- mit
F. Holthausen, Zfvgl.Spr. 71 (1954), 60 zu der
unerweiterten Wz. uridg. *teu̯ǝ- [**teu̯H₂-]
‚schwellen‘ stellen (vgl. auch ae. ðȳfel ‚Busch,
Dickicht‘, ðūft ‚Dickicht‘) und an russ.-ksl. ty-
ju, tyti ‚fett werden‘, jungav. tūiiri- ‚käsig ge-
wordene Milch, Molke‘, gr. τῡρός m. ‚Käse‘ an-
schließen (nicht zu dweran, s. d.). In diesem Fall
wäre ein von der Schwundstufe der Wz. gebilde-
tes Wz.-Nomen vorurgerm. *tū- [**tuH₂-] zu
erwägen. (Zu weiteren Ableitungen von dieser
Wz. s. dûsunt.) Da jedoch ein derartiges Wz.-
Nomen sonst keine Entsprechung hat, ist mög-
lich, daß ein bereits westgerm. *þūfa-þiχstila-
vorauszusetzen ist, das nach *sū-þiχstila- ‚Sau-
distel‘ (→ sûdistil) zu *þū-þiχstila- umgebildet
wurde. Dagegen ist nach E. Schröder, Nachr. v.
d. Ges. d. Wiss. zu Gött. (1908), 28 im Falle von
*sū-þiχstila- Herkunft aus *þū-þiχstila- und
damit Dissimilation von *þ : *þ > *s : *þ an-
zunehmen. Doch fehlen für eine derartige Dissi-
milation Parallelen wie auch für die umgekehrte
Entwicklung von *s : *þ > *þ : *þ.
Vries, Anord. et. Wb.² 626; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog III, 1050; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 321; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 733; Collin-
der, Urg. Lehnw. im Finn. 129. — Boisacq, Dict. ét.
gr.⁴ II, 994; Frisk, Gr. et. Wb. II, 949; Chantraine,
Dict. ét. gr. 1147.