hurtAWB, hurdAWB f. i-St., nur in Gl. seit dem
9./10. Jh.: ‚Flechtwerk, geflochtenes Gitter,
Hürde, Rost; catasta, craticula, cratis, ful-
crum, liburna, pons, vinea‘. Während sich
die Schreibung -d und -t in mfrk. Glossen,
die nach obd. Vorlage entstanden sind, fin-
det, steht -d in den obd. Glossen als alleinige
Schreibung (vgl. Schaffner 2001: 463 Anm.
136 mit Hinweis auf die Angaben bei Berg-
mann 1977). — Mhd. hurt ‚Flechtwerk von
Reisern, Hürde‘, nhd. Hürde ‚tragbarer Zaun
für Viehweiden, Weideplatz, Hindernis in
einer bestimmten Höhe bei sportlichen
Wettkämpfen‘. Nhd. Hürde ist aus den um-
gelauteten flektierten Kasusformen (vgl. et-
wa mhd. gen.sg. hürde) abstrahiert. Als Zwi-
schenform erscheint im ält. Nhd. und dial. im
Kärnt. ein unumgelauteter Sg. hurde (Pl.
hurden; vgl. Dt. Wb. 10, 1956; Lexer, Kärnt.
Wb. 146). Daneben steht als Entlehnung aus
dem Md. oder Ndd. (vgl. bereits mhd. [md.]
horde ‚Flechtwerk‘) nhd. Horde ‚Flecht-
werk, Lattengestell, Rost‘.
Ahd. Wb. 4, 1411 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 1219; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 573; Starck-Wells 295. XLIII. 822;
Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 467 f.; Graff 4,
1030; Lexer 1, 1338. 1397; Dt. Wb. 10, 1804 f.
1956 ff.; Kluge²¹ 322; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.²
555 f. 564 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. hurth ‚Flechtwerk, Gitter‘, mndd. hort,
hurt ‚Flechtwerk von Reisern‘, hōrt ‚Hürde,
Trockendarre‘, hōrde, hȫrde ‚eingefriedetes
Land‘ (hieraus nhd. Horde [s. o.], das wiede-
rum die Grundlage für ndän. horde ‚Hürde,
Flechtwerk‘ ist); mndl. horde, hurde ‚ge-
flochtene Matte, Hürde‘, nndl. hor(de)
‚Flechtwerk‘; aisl., nisl., fär. hurð, nnorw.
hurd ‚Hürde, Türflügel‘; got. haurds ‚(ge-
flochtene) Tür‘: < urgerm. *χurþ/đi-. Gram-
matischer Wechsel liegt sicher in got. haurds
(< *χurđi-) gegenüber ahd. hurd (< *χurþi-)
vor. Ebenfalls ist dieser zu schließen aus
dem Nebeneinander von ae. hyrdel und
hyrđil ‚Flechtwerk, Rost, Gitter‘ (< urgerm.
*χurđ/þila-), me. hirdel, hürdel, ne. hurdle
‚Hindernis, Gitter, Zaun, Geflecht‘. Unsicher
bleiben dagegen die Zuordnungen von as.
-th, da diese Schreibung sowohl für urgerm.
*-þ wie *-đ stehen kann (vgl. Gallée 1993:
§ 177), von mndd. -d-, mndl. -d-, wo urgerm.
*þ und *đ zusammenfallen (vgl. Meer 1927:
100 f.; Lasch [1914] 1974: §§ 317 ff.), eben-
so wie von aisl. -ð, da nach -r- die Stimm-
tonopposition von urgerm. *þ und đ durch
Erweichung von urgerm. *þ aufgehoben
wurde (vgl. Heusler 1967: § 156).
Anders gebildet sind ahd. harst ‚Metallgitter,
Rost‘ und ahd. harsta ‚(Brat-)Rost‘ (s.dd.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 77; Holthausen, As. Wb. 38; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 195; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 354. 360; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
2, 305; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 588 f.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 262 f.; Suppl. 73; Vries, Ndls. et.
wb. 268; Holthausen, Ae. et. Wb. 184; Bosworth-
Toller, AS Dict. 583; Suppl. 586; ME Dict. s. v.; OED²
s. v.; Vries, Anord. et. Wb.² 267 f.; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 237; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2,
97 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 133; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 418. 432; Ordb. o. d.
danske sprog 8, 449; Torp, Nynorsk et. ordb. 229;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 250; Lehmann, Gothic Et.
Dict. H-49.
Urgerm. *χurþ/đi- setzt ein vorurgerm. Para-
digma mit beweglichem Akzent fort. Die ge-
naue Etymologie ist aber nicht gesichert, da
urgerm. *χurþ/đi-, lat. crātis ‚Flechtwerk,
Hürde, Rost‘ und die uridg. Verbalwurzel
*k(u̯)ert- ‚binden‘ nicht alle drei miteinander
verbunden werden können. Es stehen sich
zwei Alternativen gegenüber:
1. Urgerm. *χurþ/đi- ist mit lat. crātis
‚Flechtwerk, Hürde, Rost‘ zu verbinden. Lat.
crātis f. i-St. (vgl. akk.sg. cratim [Plaut.,
Poen. 1025]; vgl. Gerschner 2002: 123) ist
dabei auf vorurit. *kHtí- zurückzuführen
(zur Entwicklung uridg. *KHK-´ > lat.
KRāK- vgl. Schrijver 1991: 172 ff.; Meiser
1998: § 76, 4). Dabei wäre von einem uridg.
proterodynamischen ti-St. nom.sg. *kérH-ti-
: gen.sg. *kH-téi̯- auszugehen. Im Lat. wäre
die Schwundstufe und die Endbetonung der
sw. Kasus verallgemeinert, im Germ. eben-
falls die Schwundstufe unter Beibehaltung
des ursprünglichen Akzentwechsels als
grammatischer Wechsel (so Schaffner 2001:
462 ff.). Jedoch ist bei dieser Annahme
uridg. *kérH-ti- zum einen von der laryngal-
losen Verbalwurzel uridg. *k(u̯)ert- ‚binden‘
zu trennen, zum anderen ist eine ansonsten
unbelegte Verbalwurzel uridg. *kerH- zu
postulieren.
2. Daher scheint es besser zu sein, lat. crātis
abseits zu stellen und urgerm. *χurþ/đi- als
direkte Ableitung von der Verbalwurzel
uridg. *k(u̯)ert- anzusehen, die in ved. ctáti
‚knüpft, bindet‘ (mit analogischem c- <
*k(u̯)e-) und wohl ved. -kṇatti ‚spinnt, zieht
den Faden‘ fortgesetzt ist. Dabei ist ein pro-
terodynamischer i-St. nom.sg. *k(u̯)ért-i- :
gen.sg. *k(u̯)rt-éi̯- ‚das Geflochtene‘ anzuset-
zen (vgl. Casaretto 2004 : 185 f.). Andere Ab-
leitungen von dieser Verbalwurzel liegen vor
in: ai. káṭa- m. ‚Geflecht, Reuse‘ (mit mi. -a-
statt **kta-; vgl. J. Charpentier, IF 29
[1911/12], 390); gr. κάρταλος ‚Korb‘, κόρτος
‚Binsengeflecht, Fischreuse‘, κορτία
‚Flechtwerk‘ (daneben u-Lautungen gr.
κύρτος ‚Fischreuse‘, κύρτια ‚geflochtener
Schild‘; zum -υ- vgl. Schwyzer, Gr.
Gramm.² 1, 351 f.); vielleicht auch hierher
heth. kar-za ‚ein Werkzeug des Webers zum
Zwirnmachen‘ (vgl. H. Eichner, MSS 31
[1973], 98 Anm. 78).
Es ist aber nicht ganz auszuschließen, daß
uridg. *k(u̯)ert- eine t-Erweiterung einer Basis
*k(u̯)er- ist, so daß mit einer H-Erweiterung
lat. crātis letztendlich doch hierher gehören
würde (vgl. zu solchen Erweiterungen uridg.
*[s]ker- ‚scheren, kratzen, abschneiden‘ :
*[s]ker-t- ‚[zer-]schneiden‘ : *[s]ker-H-
‚trennen, teilen‘; *[s]kerH- wird LIV² 558
Anm. 1 zwar von den beiden anderen Ver-
balwurzeln getrennt [„auch die Bedeutung
weicht ab“], was aber nicht zwingend ist).
Walde-Pokorny 1, 421 f.; Pokorny 584 f.; LIV² 356 f.;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. 1, 141. 257. 398; ders.,
Et. Wb. d. Altindoar. 1, 290. 316. 536 f.; Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 794; 2, 55 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 501.
602 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 285 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 147 f.; Tischler, Heth. et. Gl. 1,
531 f.; Kronasser, Etym. d. heth. Spr. 200. — Schrijver
1991: 176.