kînanAWB st.v. I, seit dem 8. Jh. in Gl.:
‚hervorsprossen, hervorkeimen, sich freu-
en(?); arridere, promere, pullulare‘ 〈Var.:
ch-〉. — Mhd. kînen, kîmen st.v. ‚sich spalten,
öffnen, keimen, auswachsen, wachsen‘, nhd.
mdartl. ndd., hess. keinen ‚keimen, platzen,
sich öffnen‘ (dagegen ist nhd. keimen vom
Subst. Keim abgeleitet).
Ahd. Wb. 5, 158; Splett, Ahd. Wb. 1, 454; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 659; Schützeichel⁷ 175; Starck-Wells
330; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 210; See-
bold, ChWdW8 175; ders., ChWdW9 465; Graff 4,
449f.; Lexer 1, 1573 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 472
(pullulare); Dt. Wb. 11, 454 ff.; Kluge²¹ 363; Kluge²⁵
s. v. Keim; Pfeifer, Et. Wb.² 646. — Kehrein, Volksspr.
u. Wb. von Nassau 157; Schambach, Wb. d. ndd. Mda.
100. — Braune-Reiffenstein 2004: § 330 Anm. 1.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. kīnan ‚keimen‘, mndd. kīmen, kīnen;
mndl. kinen ‚reißen, spalten‘; ae. cīnan, me.
chīnen, ne. veralt. chine ‚aufbrechen, rissig
werden‘; got. keinan ‚keimen‘ (das Prät. ist,
bedingt durch das -n-, nach der sw.v. IV
gebildet: -keinoda): < urgerm. *kei̯ne/a-
‚aufspringen, keimen‘. Das im gesamten Pa-
radigma durchgeführte *-n- hat eigentlich
nur im Präs. seine Berechtigung (s. u.), was
sich auch an der n-losen Form got. (nom.
sg.n. part.prät.) us-kijanata zeigt (vgl. dazu
Braune-Heidermanns 2004: § 172 Anm. 2).
Dass das -n- nicht zur Verbalwz. gehört,
zeigen auch Ableitungen wie kîd ‚Keim‘
(s. d.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 42 f.; Seebold, Germ. st. Verben
290 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 209; Sehrt, Wb. z.
Hel.² 303; Berr, Et. Gl. to Hel. 220; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 558; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 461; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 1432;
Holthausen, Ae. et. Wb. 49; Bosworth-Toller, AS Dict.
154; ME Dict. s. v. chīnen v.¹; OED² s. v. †chine v.¹;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 310; Lehmann, Gothic Et.
Dict. K-18.
Urgerm. *kei̯ne/a- setzt mit sekundärer
Vollstufe und Thematisierung ein zur Ver-
balwz. uridg. *ĝei̯H- ‚aufbrechen, keimen‘
gehörendes n-Infix-Präs. uridg. *ĝi-né/n-H-
fort. Innerhalb des Germ. hat sich die ur-
sprünglich nur dem Präs. zukommende n-
Infix-Form außerhalb des Präs. verallge-
meinert (eine n-lose Form findet sich le-
diglich im Got. [s. o.]). Zu dieser Wurzel
stellen sich die nominalen Ableitungen aarm.
cil ‚Knospe, Spross, Schössling‘ und cił, ceł
‚dss.‘, die auf eine l-Bildung *ĝiH-l- zu-
rückgehen. Daneben findet sich eine prä-
sentische dhe-Neubildung im Balt.: lit. žíe-
dėti, lett. ziedēt [ziêdêt] ‚blühen‘ (< *ĝei̯H-
dhe-).
Walde-Pokorny 1, 548 ff.; Pokorny 355 f.; LIV² 161 f.;
Martirosyan, Et. dict. of Arm. 341; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 1305 f.; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 781;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 4, 738 f.; Karu-
lis, Latv. et. vārd. 2, 556 f. — H. Pedersen, ZVSp 39
(1906), 402.