elilenti²AWB adj. ja-St., seit dem 8. Jh.: ‚fremd,
nicht einheimisch, unglücklich, elend; ver-
bannt, heimatlos; bedürftig; advena, alienige-
na, peregrinus, captivus, egenus, miser, exsul,
extorris‘ 〈Var.: a-, -l(e)l-; -anti, -andi, -e〉. —
Mhd. el(l)ende, ellente ‚aus der Fremde kom-
mend, nicht einheimisch‘ (substantiviert
‚Fremdling‘), ‚in der Fremde lebend, (aus der
angeborenen Rechtsgemeinschaft) ausgewie-
sen, verbannt‘ (substantiviert ‚Vertriebener,
Verbannter‘), seit dem 11. Jh. auch ‚unglück-
lich, jammervoll‘ (frühnhd. auch als Rechtster-
minus z. B. in elendeneid), nhd. elend. Die älte-
re Bedeutung ‚fremd, von der Heimat entfernt‘
begegnet noch dial. (schweiz., schwäb. auch
‚verbannt‘, bair., südhess. veraltet, meckl. hei
is int elend gahn ‚ins Ausland‘); zur Bedeu-
tungsentwicklung zu ‚elend‘ vgl. ne. wretch
‚Elender‘ gegenüber ae. wræcca ‚Vertriebener‘
(→ reckeo).
Ahd. Wb. III, 256 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 179. 515;
Schützeichel⁴ 101; Starck-Wells 124. 803. 842; Graff
I, 237; Schade 11; Lexer I, 539 f.; Benecke I, 437; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 220 (extorris, exul). 363 (mi-
ser); Dt. Wb. III, 410 f.; Kluge²¹ 163; Kluge²² 174;
Pfeifer, Et. Wb. 349; K. von Schwerin, Grundzüge der
dt. Rechtsgeschichte⁴ (Berlin-München, 1950), 205. —
Schweiz. Id. I, 175 ff.; Fischer, Schwäb. Wb. II, 689;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 5; Maurer-Mulch, Südhess.
Wb. II, 183; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. I, 247 f.
Ahd. elilenti entsprechen: as. elilendi ‚ausge-
wandert, ausländisch, fremd, elend, gefangen‘,
mndd. el(l)ende, elelende ‚fern der Heimat,
ortsfremd, unheimisch, heimatlos, verbannt‘
(woraus ält. ndän. elende ‚ausländisch, sich im
Ausland aufhaltend, landesflüchtig‘); mndl.
el(l)ende, elent ‚verbannt, elend‘; ae. elelænde,
ellende ‚fremd, peregrinus‘.
Fick III (Germ.)⁴ 22; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
179; Sehrt, Wb. z. Hel.² 94 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 92;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 526 f.; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. I, 652; Verdam, Mndl.
handwb. 163; Bosworth-Toller, AS Dict. 246; Suppl.
186; ME Dict. E-F, 65; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 39;
Lehmann, Gothic Et. Dict. A-130.
Wegen der weiteren Verbreitung des Adj. dürfte
dieses die ursprl. Bildung und das Subst. elilenti
(s. d.) eine Rückbildung dazu sein. Dem Adj.
liegt ein Possessivkompositum *ali-lanđija- ‚ein
anderes Land habend‘ zugrunde, dessen erstes
Element auch in frühmlat. Alisātia, ahd. Eli-sāz-
zo ‚Bewohner des anderen Rheinufers‘ vorliegt
(→ alles², lant); zum Nebeneinander von *ali-
und *alja- s. elichôr. Der ahd. elilenti entspre-
chende Kompositionstyp begegnet in runen-
nord. alja-markiR ‚Ausländer‘ (Krause, Spr. d.
urnord. Runeninschr. 154 Nr. 51; doch lat. ex-
torris ‚landflüchtig, verbannt‘ ist ein präpositio-
nales Rektionskompositum). Demgegenüber
sind mhd. ellendec ‚fremd, jämmerlich‘, nhd.
elendig; aostndfrk. elilendig, mndl. elendich
(woraus ndän., nnorw. elendig, nschwed. elän-
dig), nndl. ellendig; afries. elendig, nostfries.
ēlendig, nwestfries. el(l)indich ‚unglücklich,
armselig, dürftig‘; me. ellendish ‚ausländisch‘
Ableitungen von dem Subst. (→ elilenti¹).
Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg. 98 (Index); Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 155; Holthausen, Afries. Wb.² 137;
Richthofen, Afries. Wb. 849; Doornkaat Koolman,
Wb. d. ostfries. Spr. I, 388; Dijkstra, Friesch Wb. I,
329.
Aind. arí- ‚Fremder‘, auf das im Zusammenhang mit
ahd. elilenti ‚fremdes Land‘ und aind. áraṇa- ‚fremd,
fern‘ verwiesen wird (Pokorny 24; Mayrhofer, K. et.
Wb. d. Aind. I, 46 f.; F. Specht, Zfvgl.Spr. 68 [1944],
48 f.), bleibt fern, da sich das Wort zu aind. rya- m.
‚Arier, Angehöriger der drei oberen Großkasten‘ und
weiterhin möglicherweise zu heth. ara- ‚zur eigenen
sozialen Gruppe gehörig‘ stellt (Mayrhofer, Et. Wb. d.
Altindoar. I, 111. 174 f.).