alles²
Volume I, Column 162
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alles², auch ell(i)es adv. sonst, anders, alio-
quin
(auch adjektivisch gebraucht in der Ver-
bindung mit [io]wiht). Mhd. nur noch in al-
leswâ, alswâ anderswo (ahd. alles[h]wâr).
Nhd. anscheinend nur in der bair. Mda. erhal-
ten, in allspǝ anderswo (wohl < al[le]swâ).

Ahd. Wb. I, 228; Schützeichel³ 5; Graff I, 223 f.;
Schade 11; Lexer I, 39. 43; Nachtr. 18; Benecke III,
517; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 58; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 16; Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr.
I, 146 (erwähnt als einziger auch andere Zss.: alles-
wann, -wärig, -wenn, -wie, -wo).

Wie afries. ae. me. elles, ne. else sonst, anders
ist ahd. alles adv. gen. sg. n. von einem germ.
Adj. *aljaz, das in got. *aljis anderer vor-
kommt (belegt sind nur dat. sg. f. aljai, gen. sg.
n. aljis, akk. pl. n. alja); vgl. auch got. aljar an-
derswo
; as. ellior; ae. ellor anderswohin.

Aisl. ella(r) sonst ist aus elligar verkürzt (vgl. A. M.
Sturtevant, Lang. 6 [1930], 258; Vries, Anord. et. Wb.²
100); elichôr.

Unerklärt ist die Umlautlosigkeit des ahd. Wortes,
die nicht nur obd., sondern auch fränk. herrscht: die
einzigen Ausnahmen sind einmal ellies (Weiss. Kat.),
zweimal elles (Tatian, neben einmal alles, einmal alles-
uuanan); Otfrid dagegen hat nur alles (öfters, sowohl
alleinstehend wie in Zss.), wie auch alle obd. Quellen.
Nach Schatz, Abair. Gr. § 28. 91 b. 96 d; ders., Ahd.
Gr. § 59, sind die umlautlosen Formen lautgesetzlich,
da j im Gen. Sg. der ja-Stämme, nach der westgerm.
Konsonantendehnung aber vor dem Eintritt des ahd.
Umlauts vor o geschwunden ist (er vergleicht bair.
ON auf -hares-, wie Cundharesdorf); umgelautete
Gen.-Formen beruhen auf Systemzwang.

Die isolierten, von keiner anderen Kasusform beein-
flußten Ausnahmen elles und sogar ellies (mit erhalte-
nem j!) sind aber kaum analogisch zu erklären. Eher
ließe sich die Alternation von a und e dadurch erklä-
ren, daß j im Fränk. vor e lang genug geblieben war,
um das Umlautsallophon [ε] hervorzubringen, aber
vor dem letzten Wandel von [ε] zu einem anderen
Phonem /e/ ausgefallen ist. Anders, aber noch we-
niger überzeugend, Franck, Afränk. Gr. § 12.

Fick III (Germ.)⁴ 22; Holthausen, As. Wb. 15; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 95; Berr, Et. Gl. to Hel. 93 f.; Holthau-
sen, Afries. Wb. 19; Richthofen, Afries. Wb. 703 f.;
Holthausen, Ae. et. Wb. 90; Bosworth-Toller, AS
Dict. 247; Suppl. 186; ME Dict. EF, 66 f.; OED III
(E), 96; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 38. 39.

Am nächsten verwandt sind gr. ἄλλος; lat. alius
anderer; osk. allo alia ( al, wo Lit.); arm.
ayl; air. aile anderer; mkymr. bret. eil, nkymr.
ail, korn. l zweiter, anderer; toch. B alyek
anderer, A ālyāk, B alyāk andere f. (zu A ālak
m. s. Windekens, Le tokharien I, 160 f.). Diese
Wörter setzen idg. *alos (**H₂elos) der dort
(jenseits) befindliche, der andere
voraus, wohl
eine Erweiterung von einem lok. Adv. *ali
dort, jenseits, das in lat. aliter anders, aliquis
irgend jemand usw. und germ. *ali- in Zss.
wie ahd. eli-lenti verbannt, fremd vorkommt.
Zugrunde liegt wohl die idg. Wz. *al-, *ol- je-
ner
(Walde-Pokorny I, 84) oder darüber hin-
aus
(Pokorny 24); s. auch al.

Wohl abzulehnen A. Debrunner, Rev. des études i.-e. 3
(1943), 1 ff.: die ganze Sippe aus idg. *ano- nach ei-
nem idg. Lautgesetz *n > *l, und mit aind. anyá-
anderer verwandt (von Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. I, 37 [s. v. anyátra] noch für erwägenswert ge-
halten). Wenn man aind. anyá- mit *alos überhaupt
verbinden will, dann eher mit F. Sommer, IF 11
(1900), 2 ff. als aind. Neuerung, in Anlehnung an án-
tara- anderer. Am wahrscheinlichsten aber handelt
es sich um unabhängige Bildungen von zwei verschie-
denen idg. Wz. *al- und *on(o)-. Nach W. Cowgill,
Hill-Festschrift III, 30 und E. Hamp (briefl.) gab es
zwei idg. Basen mit der Bed. ander: *on-(tero-) oder
*an-(tero-) der andere (von zwei) und *al-(o-) ein
anderer (von vielen)
( ander).

Walde-Pokorny I, 84 ff.; Pokorny 25; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 46; Frisk. Gr. et. Wb. I, 76; Chantraine, Dict.
ét. gr. 63 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 30; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 21 ff.; Hübschmann, Arm.
Gr. 417; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. A31 f.; Pe-
dersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. II § 517, 3; Thurneysen,
Gr. of OIr. § 94. 488; ders. Zfcelt.Phil 16 (1927), 299;
Dottin, Langue gaul. 225; Dict. of Welsh 69; Winde-
kens, Le tokharien I, 160 f.; Pedersen, Tocharisch
117 f.; ders., Groupement des dial. i.-e. 26. Brugmann,
Grdr.² II, 1, § 93; ders., Demonstrativa 107; F. Som-
mer, IF 11 (1900), 2 ff.; IF 24 (1909), 24 f.; A. S. C.
Ross, Lang. 8 (1932), 294 f.; F. Specht, Zfvgl. Spr. 68
(1943), 42 ff.

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