bouchanAWB n. a-St., Gl., Murb. H., Williram:
‚Zeichen, Wink, Fahne, Sinnbild, signum, si-
gnificatio, nutus, vexillum, typus‘ 〈Var.: p-;
-au-, --, -uo-, -oi- (s. S. Singer, PBB 11
[1886], 300; Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 46 Anm. 3);
-hh-, -kh-〉. — Mhd. bouchen ‚Zeichen, Vor-
bild, bedeutsames Ereignis‘. Nhd. ist das Wort
nur im Südwesten (Bodenseegebiet) erhalten:
schweiz. schwäb. bad. bauche(n), pauche(n) m.
‚Boje, Ankerzeichen‘; die Hochsprache kennt
nur das im 17. Jh. aus dem Ndd. entlehnte
Wort Bake f. ‚Landmarke, Richtzeichen der
Seeleute‘.
Ahd. Wb. I, 1293 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 89; Schütz-
eichel⁴ 79; Starck-Wells 71; Graff III, 44; Schade 81;
Lexer I, 333; Benecke I, 227; Dt. Wb. I, 1080; Klu-
ge²¹ 45; Kluge²² 55; Pfeifer, Et. Wb. 112. — Schweiz.
Id. IV, 964. 972 (Bōchen); Fischer, Schwäb. Wb. VI,
1597; Ochs, Bad. Wb. I, 127.
Entsprechungen in den germ. Sprachen sind as.
bōkan (Hel.) ‚Zeichen, Wunderzeichen‘, heribō-
kan (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 93 Z. 28. 192)
‚Feldzeichen‘; mndl. bokijn, boken ‚Zeichen, Si-
gnal‘; aostfries. bāken, awestfries. bēken ‚Feuer-
zeichen‘ (vgl. Siebs, Gesch. d. fries. Spr. 1233),
nostfries. bāk(e)(n), nwestfries. bēken, beaken;
ae. bēacen ‚Zeichen, Erscheinung, Banner‘, me.
bēken, ne. beacon.
Nur im Fries. und Engl. sind diese Wörter bis
auf den heutigen Tag erhalten; sonst hat sich ein
Lehnwort aus dem Fries. beinahe über das ganze
Gebiet verbreitet: mndd. bāke(n) ‚(Feuer-)Zei-
chen, Signal, bes. für den Seemann‘; mndl. bā-
ken, bēken ‚dss.‘; nndl. baak; aisl. nisl. bákn
‚Zeichen, Signal‘, auch ‚Schreckgestalt‘, nnorw.
baake ‚Seezeichen‘, ält. dän. bagn, ndän. bavn
‚Warnungszeichen‘, nschwed. båk ‚Seezeichen,
Feuerturm‘.
Fick III (Germ.)⁴ 257; Holthausen, As. Wb. 8; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 58 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 60; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 134; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 143; Verdam, Mndl. handwb. 50.
108; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 242 f.; Vries, Ndls.
et. wb. 23 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 5; Richthofen,
Afries. Wb. 622; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries.
Spr. I, 83; Dijkstra, Friesch Wb. I, 88 f.; Holthausen,
Ae. et. Wb. 17; Bosworth-Toller, AS Dict. 69; Suppl.
64; Suppl. II, 7; ME Dict. A—B, 695; OED² II, 10;
Vries, Anord. et. Wb.² 23; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
944; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 10; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 54. 1436; ders., Nynorsk et.
ordb. 18; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 118 f.; Fischer,
Lehnw. d. Awestnord. 27.
Wohl aus wgerm. *baukn- oder andfrk. *bōkan ent-
lehnt ist nfrz. bouée, woraus dann mndl. boeye, nhd.
Boje, ne. buoy usw. entstanden sind (vgl. bes. J. Mo-
déer, Namn och bygd 31 [1943], 141 ff.; Kluge²¹ 90;
Kluge²² 96; Wartburg, Frz. et. Wb. I, 300 f.; XV, 1,
83), aber diese Erklärung ist umstritten. Jedenfalls
wird die alte Herleitung des frz. Wortes unmittelbar
aus lat. boia ‚Fessel‘ nicht mehr ernstlich erwogen (→
boia). E. Vidos, Rev. d. ling. rom. 21 (1957), 95 ff. hat
versucht, die damit verbundenen lautlichen Schwierig-
keiten dadurch zu überwinden, daß er frz. bouée auf
mndl. boeye ‚Fessel‘, dann ‚Boje‘, zurückführt, das
seinerseits aus afrz. buie < lat. boia stammt. Andere
trennen mndl. boeye ‚Fessel‘ (< afrz. buie) von boeye
‚Boje‘ (z. B. Trésor de la langue franç. IV, 762; aber aus
lautlichen Gründen unmöglich ist die hier vorgeschla-
gene Herleitung von mndl. boeye ‚Boje‘ unmittelbar
aus germ. *aukna-).
Germ. *aukna- hat keine sichere Etymologie.
Die drei Erklärungsversuche, die in den meisten
et. Wbb. miteinander konkurrieren, sind alle
mehr oder weniger zweifelhaft. Früher
herrschte, bes. unter skand. Forschern, die An-
nahme einer ursprl. Zss. aus dem Präfix *i-
oder *a- und einer Form von ‚Auge‘, mit -k-
statt -g- (wie ahd. zeichan neben zeigôn): also
*-aukna- (so S. Bugge, PBB 13 [1888], 179 f.;
Noreen, Urg. Lautlehre 125. 165; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 54. 1436; immer noch bei
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 118 f.). Dabei hätte
man zunächst einmal anzunehmen, daß der Vo-
kal des Präverbs synkopiert wurde, wofür es in
der Tat Beispiele gibt; vgl. A. L. Lloyd, AJGLL
4 (1992), 117 ff. Zwar war diese Synkope mei-
stens eine sporadische Erscheinung, aber wenn
der Zusammenhang mit dem Grundwort verlo-
ren gegangen war und das Wort nicht mehr als
eine Zss. mit bi- verstanden wurde (wie bei [ir]-
barmên, vgl. Lloyd, a. a. O.), konnten synko-
pierte Formen verallgemeinert werden. Man
brauchte daher nicht wie Bugge und Noreen,
und später auch Falk-Torp, ein Präfix *a- (=
aksl. po- zu idg. *apo-; → aba) zu postulieren,
das im Germ. sonst nicht vorkommt (vgl. die
mißlungenen Versuche Noreens und Bugges,
dieses Präfix mit dem ba- in got. balwjan(!)
‚kühn sein, wagen‘ und barusnjan ‚fromm vereh-
ren‘ in Verbindung zu bringen). Darf man also
mit einer Synkope des Vokals des Präfixes rech-
nen, so könnte man von einem präpositionalen
Rektionskompositum *i-au̯ōn- > *au̯ōn-
‚was vor den Augen ist‘ ausgehen; vgl. mhd. vor-
herze n. ‚praecordium‘. Was nun den k-Laut in
*au̯kna- angeht, so wäre dieser mit der Annah-
me der n-Gemination im Germanischen — in der
Folge frühurgerm. *n entsteht *ggn und dann
über *kkn ein *kk, das nach Diphthong ver-
kürzt wird — vereinbar (Lühr, Expressivität
193 ff.). Die Voraussetzung für ein *au̯kna-
wäre dabei ein ursprüngliches Paradigma star-
ker Stamm *au̯ōn-, schwacher Stamm
*bau̯k(k)- (< *au̯-n- mit Schwundstufe des
n-Suffixes), dessen schwacher Stamm *au̯k-
analogisch nach ursprl. n-Stämmen mit bewahr-
tem n-Suffix zu *au̯kna- umgebildet wurde
(Lühr, a. a. O. 212 f.); Lautung und Bildeweise
hätten bei dem Wort Zeichen eine Parallele
(Lühr, a. a. O. 339 f.). So ist diese Etymologie
theoretisch möglich, aber wegen der problema-
tischen Wortbildung unsicher (Lühr, a. a. O.
340).
Kaum glaubhafter wirkt die bei Walde-Pokorny
II, 123, Pokorny 105 und als eíne Möglichkeit
bei Vries, Ndls. et. wb. 24 und Anord. et. Wb.²
23 angegebene Herleitung aus der idg. Basis
*bhā-u- : * bhǝ-u- (d. h. aus der Wz. *bhā-/
*bhǝ- + u-Erweiterung), wie gr. (hom.) φάε
(*φαϝε) ‚glänzte, erschien‘, φάος ‚Licht‘,
φαείνω ‚glänze‘ usw., viell. aind. vi-bhva(n)-
‚strahlend, leuchtend‘ (vgl. Chantraine, Dict. ét.
gr. 1169 f.; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
493; aber s. Frisk, Gr. et. Wb. II, 991). Denn
eine ‚Wurzeletymologie‘ genügt nicht, um das
ganze germ. Wort *aukna- zu erklären, das
gemäß Walde-Pokorny und Pokorny viell. nach
*taikna- gebildet wurde — einem Wort, das sel-
ber keine genauen Parallelen in anderen idg.
Sprachen hat (s. o.); kaum nach Mann, IE
Comp. Dict. 68 aus *bhu- + *g̑n- ‚kennen,
wissen‘.
Endlich hat J. Modéer, Namn och bygd 31
(1943), 131 ff. germ. *aukna- als ein Lehnwort
aus lat. būcina ‚Signalhorn‘, būcinum ‚Trompe-
tensignal‘ aufgefaßt (wohl aus *bou-canā, von
bōs und canō, ursprl. ‚das aus einem Rinderhorn
gefertigte Blasinstrument‘; vgl. Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 121). Diese Erklärung
wurde von Kluge²¹ aufgenommen und als zweite
Möglichkeit von Vries (Ndls. und Anord.²), der
sie aber mit Recht als „nur eine unsichere Ver-
mutung“ bezeichnet. Dazu ist sie aus lautlichen
Gründen unwahrscheinlich, denn lat. ū hätte
nicht germ. au ergeben (alat. ou war schon im 3.
u. 2. Jh. v. Chr. zu ū monophthongiert worden;
vgl. Leumann, Lat. Laut- u. Formenlehre § 68).
Abzulehnen H. Güntert, WuS 11 (1928), 134: ursprl.
‚Winkelzeichen‘, zur Sippe von ahd. bûh ‚Bauch‘ und
boug ‚Ring‘ (s. d. d.).