lêoAWB m. wa-St., im Abr (1,206,15. 262,7
[Kb, Ra]), in der Sam (1,13,4) und weiteren
Gl., im M: ‚Grabhügel, Grabmal, Gedenk-
stein, Hügel, Haufen, Wall, Damm; acervus,
agger, mausoleum, titulus, tumulus‘ (zu legir
fazî, -a ‚Grabstätte; coemeterium‘, das wohl
nicht hierher gehört, s. fazzî) 〈Var.: hl-;
-aeo, -ee-, -ew-〉. Der Dat.Pl. leirum mit
Suffix -ir- als Pluralmarker in Gl. 1,380,30
(Rb) ist wohl sekundär nach den n. s-St. ge-
bildet (zur Stammklasse s. u.; Schatz 1907:
§ 99; Braune-Reiffenstein 2004: § 204 Anm.
4; zum w-Ausfall vgl. dies. 2004: § 110
Anm. 1). — Mhd. lê, -wes st.m. ‚Hügel‘, früh-
nhd. le m. ‚Hügel, Erdaufwurf [als Grenz-
zeichen]‘, nhd. nur noch in ON und FlurN
sowie in der Schweiz als Appellativum lēw
m. ‚(kleiner) Hügel, Anhöhe‘ (vgl. Schweiz.
Id. 3, 1544; Bischoff 1979: 8—17; R. Lühr, in
Beekes 1992: 275 f.).
Ahd. Wb. 5, 819 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 527; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 716; Schützeichel⁷ 198; Starck-
Wells 370. 825; Schützeichel, Glossenwortschatz 6,
49; Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 253. 296 (II).
298 (I). 895; Seebold, ChWdW8 188; ders., ChWdW9
506; Graff 4, 1093; Lexer 1, 1845; Frühnhd. Wb. 9,
1098 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 17 (agger). 586
(titulus). — Bach 1952 ff.: 2, § 288.
Germ. Entsprechungen sind: as. hlēu* m./n.
wa-St. ‚Grab‘ (nur dat.sg. hleuue im Hel),
mndd. lē selten in ON und FlurN (vgl. Bi-
schoff 1979: 5—7); andfrk. lēo in Topony-
men (a. 980), (frühmndl. lewe in ON wie
Levves, Sint Peters Leeuw und PN wie van
lewe ‚Van Leeuw‘; vgl. Bischoff 1979: 7 f.;
Udolph 1994: 865 f.), mndl. lee m. ‚Hügel‘
im ON Heiligerlee; ae. hlǣw, hlāw m. (selten
und spät auch n.) ‚Hügel, Grabhügel, Höh-
le‘; run. (norw.) hlaiwa ‚Grabhügel‘ (Stein
von Bø, um 500; vgl. Krause 1966: 181 f.);
got. hlaiw n. wa-St. ‚Grab; μνημεῖον, τάφος‘:
< urgerm. *χlai̯-u̯a- ‚Abhang, Hügel‘.
Wegen ahd. leirum (s. o.), des umgelaute-
ten ae. hlǣw (doch daneben hlāw ohne Um-
laut) und des got. Pluraletantum hlaiwasnos
f. ō-St. ‚Gräber; μνημεῖα, μνήματα‘ (mit
Spirantendissimilation.; vgl. Braune-Heider-
manns 2004: § 79 Anm. 4) neben hlaiw hat
man mitunter einen urgerm. *-iz-/-az-St.
*χlai̯u̯iz- angenommen (vgl. W. v. Unwerth,
PBB 36 [1910], 21; Campbell [1959] 1997:
§ 636; Schubert 1968: 38). Wie aber Casaret-
to (2004: 161. 376) darlegt, sprechen dagegen
mehrere Gründe: Zum einen ist es die run. Evi-
denz eines wa-St., die Wz.struktur von got.
hlaiw usw., die zusammen mit dem außer-
germ. Anschluss gegen eine Segmentierung
*χlai̯u̯-az- (das got. *hlaiwis ergeben hätte)
sprechen (s. u.). Zum anderen weist die Wort-
bildung von got. hlaiwasnos nicht zwingend
auf eine Ableitung mit Suff. *-nō- von einem
alten *-iz-/-az-St., auch eine Sekundärbildung
auf *-(a)snō- mit urspr. kollektiver Bed. zu
hlaiw (vgl. got. filu-sna* f. ō-St. ‚Übermaß,
Menge‘ : filu adj. ‚viel‘) ist möglich.
Für finn. laiva, estn. laev, liv. lǭja ‚Schiff, Boot‘ hat
man Entlehnung aus urgerm. *flau̯i̯a-, urnord. *flauja,
das in aisl. fley n. ‚Schiff, (kleine) Fähre‘ fortgesetzt
ist, oder urgerm. *χlai̯u̯a-, urnord. *hlaiwa ‚Grab‘ er-
wogen. Aufgrund der übereinstimmenden Bed. ist —
unter Annahme einer Metathese, die durch weitere
Fälle gestützt werden kann (vgl. Kylstra, Lehnwörter
2, 160) — eine Übernahme aus urgerm. *flau̯i̯a- wahr-
scheinlicher.
Eine Bed.entwicklung von ‚Grab‘ zu ‚Schiff‘ wäre
höchstens im Zusammenhang mit den im 6. Jh. n.
Chr. in Skandinavien aufkommenden Schiffsbestat-
tungen denkbar. An der finn. Küste sind Boote in
Brandgräbern im 7. und 8. Jh. nachgewiesen. Ritter
(1993: 180) nimmt so einen semantischen Wandel
von ‚ins Grab legen‘ > ‚ins Schiff legen (das als Grab
diente)‘ und die Herauslösung von *χlai̯u̯a- in der
Bed. ‚Schiff‘ an.
Fick 3 (Germ.)⁴ 112; Tiefenbach, As. Handwb. 170;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 261; Berr, Et. Gl. to Hel. 195;
ONW s. v. lēo; VMNW s. v. lewe²; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 4, 250; Holthausen, Ae. et. Wb. 162; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 540; Suppl. 548; Vries, Anord.
et. Wb.² 234; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 261; Leh-
mann, Gothic Et. Dict. H-73; Kylstra, Lehnwörter 2,
159 f. — Krause 1968: § 108, 4; Krahe-Meid 1969: 3,
§§ 77, 4. 96; Darms 1978: 227; Bammesberger 1990:
69; Ritter 1993: 116—118. 210; Neri 2003: 208 f.
Aus urgerm. *χlai̯u̯a- ‚Grab, Grabhöhle, Hü-
gel‘ (bzw. got. hlaiw) wurde aksl. chlěvъ
‚Stall‘ (davon abgeleitet chlěvina ‚Behau-
sung, Gebäude‘ mit Suffix -ina- zur de-
nom. Ableitung von Kollektiva; vgl. Biel-
feldt 1961: § 149, 3) übernommen (so schon
R. Meringer, IF 16 [1904], 117 f.). Die Bed.-
entwicklung zu ‚Stall‘ erklärt sich daraus,
dass urspr. Höhlen für die Unterbringung des
Viehs dienten. Das Lehnwort erscheint in
den anderen slaw. Sprachen als russ. chlév,
ukrain. chliv, bulg. chlěv, serbo-kroat. hlȉjev,
slowen. hlév, tschech. chlév, slowak. chliev
‚Stall‘, poln. chlew ‚(Vieh-)Stall‘, osorb.
chlěw, ndsorb. klěw ‚(Schweine-)Stall‘.
Der von einigen Autoren (z.B. Mladenov 1909: 129 f.;
Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 385; Machek
1997: 199) vertretene slaw. Urspr. des Wortes ist we-
nig überzeugend. Schuster-Šewc begründet seine Auf-
fassung u. a. damit, dass für die Slawen als einem
Ackerbauervolk kein Grund für eine Entlehnung der
Bez. für den ‚Stall‘ bestanden habe.
Urgerm. *χlai̯u̯a- < vorurgerm. *k̂loi̯u̯o-
stimmt genau zu lat. clīvus m. ‚Hügel, Berg-
weg, Anberg‘ < vorurit. *k̂loi̯u̯o- (mit lautge-
setzlicher Entwicklung von uridg. *-oi̯- > lat.
-ī- zwischen l und folgendem Labial; vgl.
Meiser [1998] 2010: § 63, 3), das im Ablaut
zur Wz. uridg. *k̂lei̯- ‚sich anlehnen‘ steht
(zu den verbalen Fortsetzern der Wurzel s. li-
nên). Der Ansatz mit palatalem *k̂ erfolgt auf-
grund des Indoiran. und Balt. (z.B. ai. 3. sg.
präs.med. śráyate < uridg. *k̂léi̯etoi̯, lett. 1.sg.
präs. sleju ‚lehne an, stütze‘ < uridg. *k̂léi̯oh₂).
Wegen der Bed. der slaw. Entlehnung nehmen Sten-
der-Petersen [1927] 1974: 237 ff. und R. Meringer, IF
16 (1904), 117 ff. für das urgerm. Wort eine Grund-
bed. ‚(hölzernes) Totenhaus, Hütte‘ an und stellen es
zur Wz. *k̂el- ‚warm, kalt‘ (Pokorny 551) (vgl. ae.
hlēo[w] ‚Obdach, Decke, Schutz‘ [mit -ēo wohl < *-ěw
wie in cnēo]). Wie aber schon C. C. Uhlenbeck, PBB
30 (1905), 291 gezeigt hat, ist diese Verbindung
abzulehnen. Das germ. Wort müsste dann von lat.
clīvus getrennt werden, wofür es keine germ. Evi-
denz gibt; nicht besser Trier 1951: 54: zur Wz. *k̂el-
‚bergen, verhüllen‘.
Walde-Pokorny 1, 490 f.; Pokorny 600f.; LIV² 332 f.;
Mayrhofer, KEWA 3, 388 f.; ders., EWAia 2, 665;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 236; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 127 f. (s. v. clī-); de Vaan, Et. dict. of
Lat. 122; Thes. ling. lat. 3, 1356 ff.; Berneker, Slav.
et. Wb. 1, 389 f.; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 8, 30 f.;
Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 1, 197; Snoj, Slov. et. slov.²
206; Vasmer, Russ. et. Wb. 3, 245 f.; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 4, 243; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb.
384 f.; Olesch, Thes. ling. drav.-polab. 114 f.; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 939 f.; Karulis,
Latv. et. vārd. 2, 225 f. — Kiparsky 1934: 176f.; Krau-
se 1968: § 41, 2; Newerkla 2011: 101 f.
S. linên.